Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite
Von den Titeln, Wapen
§. 11.
Titel von Landen.

Daß ein Regent sich des Titels von den Landen,
die er, ohne Widerspruch anderer, würklich besitzt a],
oder von neuem erwirbt, bedienen könne, leidet keinen
Zweifel, und sie werden ihm sodann auch von andern
ohne Bedenken beigelegt b]. Bey Abtretung einiger
Lande von andern Nazionen wird dies mehrenteils aus-
drücklich mit bedungen. Wenn eine Nazion durch
Krieg oder andere Revolutionen zu dem Besitz eines
Landes gelangt, und die Titulatur davon annimt, so
pflegen andere gemeiniglich so lange anzustehn, ihr
solche zu geben, bis dieselbe durch Friedensschlüsse oder
andere Verträge von dem vorigen Besitzer förmlich an-
erkant worden ist c], wenn ein anderes Volk nicht sonst
noch besondere Rechte dabey hat.

Oefters führen die Souverains aber auch Titel von
Landen, auf die sie nur ein künftiges Recht haben d],
oder worauf sie Ansprüche machen e], oder welche sie
blos ehemals besessen haben f]. Dieienigen, welche
sich auf Ansprüche gründen, werden von dem andern,
der sie besitzt gewönlich nicht anerkant, sondern man
widerspricht ihnen bey vorkommenden Gelegenheiten g].
Um die Streitigkeiten, welche deshalb bey Verträgen
oder andern öffentlichen Verhandlungen vorzukommen
pflegen, zu vermeiden, ist es gewönlich, daß man,
unbeschadet der beiderseitigen Gerechtsame entweder bey
Verlesung der Volmachten etc. die Titulaturen ganz
wegläßt, oder dabey bedingt, daß deren Gebrauch oder
Nichtgebrauch keinem Theile schädlich seyn soll h].
Auch in Ansehung der erst zu hoffen habenden oder ehe-
mals besessenen Lande, kommt es auf die besitzende
Nazion an, ob sie zugeben will, daß der andere sich

des
Von den Titeln, Wapen
§. 11.
Titel von Landen.

Daß ein Regent ſich des Titels von den Landen,
die er, ohne Widerſpruch anderer, wuͤrklich beſitzt a],
oder von neuem erwirbt, bedienen koͤnne, leidet keinen
Zweifel, und ſie werden ihm ſodann auch von andern
ohne Bedenken beigelegt b]. Bey Abtretung einiger
Lande von andern Nazionen wird dies mehrenteils aus-
druͤcklich mit bedungen. Wenn eine Nazion durch
Krieg oder andere Revolutionen zu dem Beſitz eines
Landes gelangt, und die Titulatur davon annimt, ſo
pflegen andere gemeiniglich ſo lange anzuſtehn, ihr
ſolche zu geben, bis dieſelbe durch Friedensſchluͤſſe oder
andere Vertraͤge von dem vorigen Beſitzer foͤrmlich an-
erkant worden iſt c], wenn ein anderes Volk nicht ſonſt
noch beſondere Rechte dabey hat.

Oefters fuͤhren die Souverains aber auch Titel von
Landen, auf die ſie nur ein kuͤnftiges Recht haben d],
oder worauf ſie Anſpruͤche machen e], oder welche ſie
blos ehemals beſeſſen haben f]. Dieienigen, welche
ſich auf Anſpruͤche gruͤnden, werden von dem andern,
der ſie beſitzt gewoͤnlich nicht anerkant, ſondern man
widerſpricht ihnen bey vorkommenden Gelegenheiten g].
Um die Streitigkeiten, welche deshalb bey Vertraͤgen
oder andern oͤffentlichen Verhandlungen vorzukommen
pflegen, zu vermeiden, iſt es gewoͤnlich, daß man,
unbeſchadet der beiderſeitigen Gerechtſame entweder bey
Verleſung der Volmachten ꝛc. die Titulaturen ganz
weglaͤßt, oder dabey bedingt, daß deren Gebrauch oder
Nichtgebrauch keinem Theile ſchaͤdlich ſeyn ſoll h].
Auch in Anſehung der erſt zu hoffen habenden oder ehe-
mals beſeſſenen Lande, kommt es auf die beſitzende
Nazion an, ob ſie zugeben will, daß der andere ſich

des
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0472" n="458"/>
          <fw place="top" type="header">Von den Titeln, Wapen</fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 11.<lb/><hi rendition="#g">Titel von Landen</hi>.</head><lb/>
            <p>Daß ein Regent &#x017F;ich des Titels von den Landen,<lb/>
die er, ohne Wider&#x017F;pruch anderer, wu&#x0364;rklich be&#x017F;itzt <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">a</hi></hi>],<lb/>
oder von neuem erwirbt, bedienen ko&#x0364;nne, leidet keinen<lb/>
Zweifel, und &#x017F;ie werden ihm &#x017F;odann auch von andern<lb/>
ohne Bedenken beigelegt <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">b</hi></hi>]. Bey Abtretung einiger<lb/>
Lande von andern Nazionen wird dies mehrenteils aus-<lb/>
dru&#x0364;cklich mit bedungen. Wenn eine Nazion durch<lb/>
Krieg oder andere Revolutionen zu dem Be&#x017F;itz eines<lb/>
Landes gelangt, und die Titulatur davon annimt, &#x017F;o<lb/>
pflegen andere gemeiniglich &#x017F;o lange anzu&#x017F;tehn, ihr<lb/>
&#x017F;olche zu geben, bis die&#x017F;elbe durch Friedens&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e oder<lb/>
andere Vertra&#x0364;ge von dem vorigen Be&#x017F;itzer fo&#x0364;rmlich an-<lb/>
erkant worden i&#x017F;t <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">c</hi></hi>], wenn ein anderes Volk nicht &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
noch be&#x017F;ondere Rechte dabey hat.</p><lb/>
            <p>Oefters fu&#x0364;hren die Souverains aber auch Titel von<lb/>
Landen, auf die &#x017F;ie nur ein ku&#x0364;nftiges Recht haben <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">d</hi></hi>],<lb/>
oder worauf &#x017F;ie An&#x017F;pru&#x0364;che machen <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">e</hi></hi>], oder welche &#x017F;ie<lb/>
blos ehemals be&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en haben <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">f</hi></hi>]. Dieienigen, welche<lb/>
&#x017F;ich auf An&#x017F;pru&#x0364;che gru&#x0364;nden, werden von dem andern,<lb/>
der &#x017F;ie be&#x017F;itzt gewo&#x0364;nlich nicht anerkant, &#x017F;ondern man<lb/>
wider&#x017F;pricht ihnen bey vorkommenden Gelegenheiten <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">g</hi></hi>].<lb/>
Um die Streitigkeiten, welche deshalb bey Vertra&#x0364;gen<lb/>
oder andern o&#x0364;ffentlichen Verhandlungen vorzukommen<lb/>
pflegen, zu vermeiden, i&#x017F;t es gewo&#x0364;nlich, daß man,<lb/>
unbe&#x017F;chadet der beider&#x017F;eitigen Gerecht&#x017F;ame entweder bey<lb/>
Verle&#x017F;ung der Volmachten &#xA75B;c. die Titulaturen ganz<lb/>
wegla&#x0364;ßt, oder dabey bedingt, daß deren Gebrauch oder<lb/>
Nichtgebrauch keinem Theile &#x017F;cha&#x0364;dlich &#x017F;eyn &#x017F;oll <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">h</hi></hi>].<lb/>
Auch in An&#x017F;ehung der er&#x017F;t zu hoffen habenden oder ehe-<lb/>
mals be&#x017F;e&#x017F;&#x017F;enen Lande, kommt es auf die be&#x017F;itzende<lb/>
Nazion an, ob &#x017F;ie zugeben will, daß der andere &#x017F;ich<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">des</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[458/0472] Von den Titeln, Wapen §. 11. Titel von Landen. Daß ein Regent ſich des Titels von den Landen, die er, ohne Widerſpruch anderer, wuͤrklich beſitzt a], oder von neuem erwirbt, bedienen koͤnne, leidet keinen Zweifel, und ſie werden ihm ſodann auch von andern ohne Bedenken beigelegt b]. Bey Abtretung einiger Lande von andern Nazionen wird dies mehrenteils aus- druͤcklich mit bedungen. Wenn eine Nazion durch Krieg oder andere Revolutionen zu dem Beſitz eines Landes gelangt, und die Titulatur davon annimt, ſo pflegen andere gemeiniglich ſo lange anzuſtehn, ihr ſolche zu geben, bis dieſelbe durch Friedensſchluͤſſe oder andere Vertraͤge von dem vorigen Beſitzer foͤrmlich an- erkant worden iſt c], wenn ein anderes Volk nicht ſonſt noch beſondere Rechte dabey hat. Oefters fuͤhren die Souverains aber auch Titel von Landen, auf die ſie nur ein kuͤnftiges Recht haben d], oder worauf ſie Anſpruͤche machen e], oder welche ſie blos ehemals beſeſſen haben f]. Dieienigen, welche ſich auf Anſpruͤche gruͤnden, werden von dem andern, der ſie beſitzt gewoͤnlich nicht anerkant, ſondern man widerſpricht ihnen bey vorkommenden Gelegenheiten g]. Um die Streitigkeiten, welche deshalb bey Vertraͤgen oder andern oͤffentlichen Verhandlungen vorzukommen pflegen, zu vermeiden, iſt es gewoͤnlich, daß man, unbeſchadet der beiderſeitigen Gerechtſame entweder bey Verleſung der Volmachten ꝛc. die Titulaturen ganz weglaͤßt, oder dabey bedingt, daß deren Gebrauch oder Nichtgebrauch keinem Theile ſchaͤdlich ſeyn ſoll h]. Auch in Anſehung der erſt zu hoffen habenden oder ehe- mals beſeſſenen Lande, kommt es auf die beſitzende Nazion an, ob ſie zugeben will, daß der andere ſich des

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792/472
Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792/472>, abgerufen am 30.12.2024.