reissen, oder gar das Volk aus seinen Wohnsitzen vertreiben.
*]Ickstatt L. III. c. 1. §. 13.
§. 3. Recht der Zurückfoderung unrechtmässiger Besitzungen.
Wenn gleichwol ein Volk die Grenzen seines Ge- biets durch Schmälerung eines andern Territoriums auf eine unrechtmässige Weise erweitert, und die Lande anderer Nazionen in Besitz nimt, so hat das Volk dessen Eigenthum sie waren, das Recht, sie wieder zu verlangen [ius vindicandi] und wenn sie ihm gutwillig nicht zurückgegeben werden, sich durch gewaltsame Mittel deren Besitz wiederzuverschaffen a]. Dieses Zurücksoderungsrecht findet iedoch, wie ich schon oben [1. Kap. §. 39.] erinnert habe, nach dem natürlichen Rechte, blos gegen den unredlichen Innhaber Statt, der es dem andern entweder selbst entzogen, oder doch an sich gebracht hat, da er wuste, daß es einem andern auf unrechtmässige Art genommen war.
Ist das einem andern entrissene Territorium bereits in die Hände eines redlichen Besitzers gediehen, d. i. eines solchen, der, nicht unterrichtet von der wider- rechtlichen Entziehung, es von dem letzten Besitzer auf gehörige Art, in der Ueberzeugung, daß iener der wahre Eigenthümer sey, erworben hat, so kann der, dem es von einem andern entzogen worden, ihm das Land mit Gewalt nicht wieder abnehmen, sondern muß die ihm dadurch zugefügte Beleidigung blos an dem Beleidiger rächen, und durch diesen wieder zu den Be- sitz seines vormaligen Eigenthums zu gelangen suchen; denn der letzte redliche Besitzer hat das Land durch recht-
mässigen
O 3
in Anſehung des Eigenthums ihrer Lande.
reiſſen, oder gar das Volk aus ſeinen Wohnſitzen vertreiben.
*]Ickſtatt L. III. c. 1. §. 13.
§. 3. Recht der Zuruͤckfoderung unrechtmaͤſſiger Beſitzungen.
Wenn gleichwol ein Volk die Grenzen ſeines Ge- biets durch Schmaͤlerung eines andern Territoriums auf eine unrechtmaͤſſige Weiſe erweitert, und die Lande anderer Nazionen in Beſitz nimt, ſo hat das Volk deſſen Eigenthum ſie waren, das Recht, ſie wieder zu verlangen [ius vindicandi] und wenn ſie ihm gutwillig nicht zuruͤckgegeben werden, ſich durch gewaltſame Mittel deren Beſitz wiederzuverſchaffen a]. Dieſes Zuruͤckſoderungsrecht findet iedoch, wie ich ſchon oben [1. Kap. §. 39.] erinnert habe, nach dem natuͤrlichen Rechte, blos gegen den unredlichen Innhaber Statt, der es dem andern entweder ſelbſt entzogen, oder doch an ſich gebracht hat, da er wuſte, daß es einem andern auf unrechtmaͤſſige Art genommen war.
Iſt das einem andern entriſſene Territorium bereits in die Haͤnde eines redlichen Beſitzers gediehen, d. i. eines ſolchen, der, nicht unterrichtet von der wider- rechtlichen Entziehung, es von dem letzten Beſitzer auf gehoͤrige Art, in der Ueberzeugung, daß iener der wahre Eigenthuͤmer ſey, erworben hat, ſo kann der, dem es von einem andern entzogen worden, ihm das Land mit Gewalt nicht wieder abnehmen, ſondern muß die ihm dadurch zugefuͤgte Beleidigung blos an dem Beleidiger raͤchen, und durch dieſen wieder zu den Be- ſitz ſeines vormaligen Eigenthums zu gelangen ſuchen; denn der letzte redliche Beſitzer hat das Land durch recht-
maͤſſigen
O 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0227"n="213"/><fwplace="top"type="header">in Anſehung des Eigenthums ihrer Lande.</fw><lb/>
reiſſen, oder gar das Volk aus ſeinen Wohnſitzen<lb/>
vertreiben.</p><lb/><noteplace="end"n="*]"><hirendition="#aq"><hirendition="#i">Ickſtatt</hi> L. III. c.</hi> 1. §. 13.</note></div><lb/><divn="3"><head>§. 3.<lb/><hirendition="#g">Recht der Zuruͤckfoderung unrechtmaͤſſiger<lb/>
Beſitzungen</hi>.</head><lb/><p>Wenn gleichwol ein Volk die Grenzen ſeines Ge-<lb/>
biets durch Schmaͤlerung eines andern Territoriums<lb/>
auf eine unrechtmaͤſſige Weiſe erweitert, und die Lande<lb/>
anderer Nazionen in Beſitz nimt, ſo hat das Volk<lb/>
deſſen Eigenthum ſie waren, das Recht, ſie wieder zu<lb/>
verlangen [<hirendition="#aq">ius vindicandi</hi>] und wenn ſie ihm gutwillig<lb/>
nicht zuruͤckgegeben werden, ſich durch gewaltſame<lb/>
Mittel deren Beſitz wiederzuverſchaffen <hirendition="#aq"><hirendition="#sup">a</hi></hi>]. Dieſes<lb/>
Zuruͤckſoderungsrecht findet iedoch, wie ich ſchon oben<lb/>
[1. Kap. §. 39.] erinnert habe, nach dem natuͤrlichen<lb/>
Rechte, blos gegen den unredlichen Innhaber Statt,<lb/>
der es dem andern entweder ſelbſt entzogen, oder doch<lb/>
an ſich gebracht hat, da er wuſte, daß es einem andern<lb/>
auf unrechtmaͤſſige Art genommen war.</p><lb/><p>Iſt das einem andern entriſſene Territorium bereits<lb/>
in die Haͤnde eines redlichen Beſitzers gediehen, d. i.<lb/>
eines ſolchen, der, nicht unterrichtet von der wider-<lb/>
rechtlichen Entziehung, es von dem letzten Beſitzer auf<lb/>
gehoͤrige Art, in der Ueberzeugung, daß iener der<lb/>
wahre Eigenthuͤmer ſey, erworben hat, ſo kann der,<lb/>
dem es von einem andern entzogen worden, ihm das<lb/>
Land mit Gewalt nicht wieder abnehmen, ſondern muß<lb/>
die ihm dadurch zugefuͤgte Beleidigung blos an dem<lb/>
Beleidiger raͤchen, und durch dieſen wieder zu den Be-<lb/>ſitz ſeines vormaligen Eigenthums zu gelangen ſuchen;<lb/>
denn der letzte redliche Beſitzer hat das Land durch recht-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">O 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">maͤſſigen</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[213/0227]
in Anſehung des Eigenthums ihrer Lande.
reiſſen, oder gar das Volk aus ſeinen Wohnſitzen
vertreiben.
*] Ickſtatt L. III. c. 1. §. 13.
§. 3.
Recht der Zuruͤckfoderung unrechtmaͤſſiger
Beſitzungen.
Wenn gleichwol ein Volk die Grenzen ſeines Ge-
biets durch Schmaͤlerung eines andern Territoriums
auf eine unrechtmaͤſſige Weiſe erweitert, und die Lande
anderer Nazionen in Beſitz nimt, ſo hat das Volk
deſſen Eigenthum ſie waren, das Recht, ſie wieder zu
verlangen [ius vindicandi] und wenn ſie ihm gutwillig
nicht zuruͤckgegeben werden, ſich durch gewaltſame
Mittel deren Beſitz wiederzuverſchaffen a]. Dieſes
Zuruͤckſoderungsrecht findet iedoch, wie ich ſchon oben
[1. Kap. §. 39.] erinnert habe, nach dem natuͤrlichen
Rechte, blos gegen den unredlichen Innhaber Statt,
der es dem andern entweder ſelbſt entzogen, oder doch
an ſich gebracht hat, da er wuſte, daß es einem andern
auf unrechtmaͤſſige Art genommen war.
Iſt das einem andern entriſſene Territorium bereits
in die Haͤnde eines redlichen Beſitzers gediehen, d. i.
eines ſolchen, der, nicht unterrichtet von der wider-
rechtlichen Entziehung, es von dem letzten Beſitzer auf
gehoͤrige Art, in der Ueberzeugung, daß iener der
wahre Eigenthuͤmer ſey, erworben hat, ſo kann der,
dem es von einem andern entzogen worden, ihm das
Land mit Gewalt nicht wieder abnehmen, ſondern muß
die ihm dadurch zugefuͤgte Beleidigung blos an dem
Beleidiger raͤchen, und durch dieſen wieder zu den Be-
ſitz ſeines vormaligen Eigenthums zu gelangen ſuchen;
denn der letzte redliche Beſitzer hat das Land durch recht-
maͤſſigen
O 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792/227>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.