Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

und eingeschränkten Eigenthum der Lande.
ein Land entdecken und sich zueignen; dies setzt aber
auch schon einen Vertrag voraus, weil nach dem ur-
sprünglichen Naturrechte auf den Fall, wenn mehrere
zufällig ein Land zugleich entdecken und in Besitz neh-
men, iedem nur so viel mit völligem Eigenthum gehört,
als er würklich in Besitz genommen hat a].

a] Wolff I. G. c. III. §. 308.
§. 3.
Gemeineigenthum.

Das Gemeineigenthum [condominium] welches
in den gleichen ungeteilten Rechten zweier oder meh-
rerer an einer Sache, wiewohl nach verschiedenem
Maasstabe a] besteht, kann, nach dem gleichen oder
ungleichen Verhältnis des letztern wiederum auf man-
cherley Art bestimt werden. Unter den europäischen
Nazionen kommen indes dergleichen Gemeinschaften
ganzer Länder selten, wohl aber bey einigen Orten vor.
Zwischen Sardinien und Parma z. B. sollen, nach
Mosers Bericht b], in dem Grenzvergleiche vom
10. März 1766. die beiden Orte Monsenico und Mon-
casacca gemeinschaftlich geblieben seyn. Die Insel
St. Martin war ehemals Frankreich und den Vereinig-
ten Niederlanden gemein, iedoch mehr nach gewissen
bestimten Theilen, die letztern wurden aber nachher
daraus vertrieben c].

a] Nach den rechtswissenschaftlichen Kunstausdrücken: par-
tibus indivisis, pro rata,
nicht in solidum, nach der
bekauten Rechtsregel: duos ejusdem rei dominos in
solidum esse non posse.
Im uneigentlichen Sinne
nennt man es auch noch eine Gemeinschaft, wenn ein
Land, das eigentlich ein Ganzes ausmacht, von meh-
rern, iedoch so besessen wird, daß iedem sein Antheil
K 4

und eingeſchraͤnkten Eigenthum der Lande.
ein Land entdecken und ſich zueignen; dies ſetzt aber
auch ſchon einen Vertrag voraus, weil nach dem ur-
ſpruͤnglichen Naturrechte auf den Fall, wenn mehrere
zufaͤllig ein Land zugleich entdecken und in Beſitz neh-
men, iedem nur ſo viel mit voͤlligem Eigenthum gehoͤrt,
als er wuͤrklich in Beſitz genommen hat a].

a] Wolff I. G. c. III. §. 308.
§. 3.
Gemeineigenthum.

Das Gemeineigenthum [condominium] welches
in den gleichen ungeteilten Rechten zweier oder meh-
rerer an einer Sache, wiewohl nach verſchiedenem
Maasſtabe a] beſteht, kann, nach dem gleichen oder
ungleichen Verhaͤltnis des letztern wiederum auf man-
cherley Art beſtimt werden. Unter den europaͤiſchen
Nazionen kommen indes dergleichen Gemeinſchaften
ganzer Laͤnder ſelten, wohl aber bey einigen Orten vor.
Zwiſchen Sardinien und Parma z. B. ſollen, nach
Moſers Bericht b], in dem Grenzvergleiche vom
10. Maͤrz 1766. die beiden Orte Monſenico und Mon-
caſacca gemeinſchaftlich geblieben ſeyn. Die Inſel
St. Martin war ehemals Frankreich und den Vereinig-
ten Niederlanden gemein, iedoch mehr nach gewiſſen
beſtimten Theilen, die letztern wurden aber nachher
daraus vertrieben c].

a] Nach den rechtswiſſenſchaftlichen Kunſtausdruͤcken: par-
tibus indiviſis, pro rata,
nicht in ſolidum, nach der
bekauten Rechtsregel: duos ejusdem rei dominos in
ſolidum eſſe non poſſe.
Im uneigentlichen Sinne
nennt man es auch noch eine Gemeinſchaft, wenn ein
Land, das eigentlich ein Ganzes ausmacht, von meh-
rern, iedoch ſo beſeſſen wird, daß iedem ſein Antheil
K 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0165" n="151"/><fw place="top" type="header">und einge&#x017F;chra&#x0364;nkten Eigenthum der Lande.</fw><lb/>
ein Land entdecken und &#x017F;ich zueignen; dies &#x017F;etzt aber<lb/>
auch &#x017F;chon einen Vertrag voraus, weil nach dem ur-<lb/>
&#x017F;pru&#x0364;nglichen Naturrechte auf den Fall, wenn mehrere<lb/>
zufa&#x0364;llig ein Land zugleich entdecken und in Be&#x017F;itz neh-<lb/>
men, iedem nur &#x017F;o viel mit vo&#x0364;lligem Eigenthum geho&#x0364;rt,<lb/>
als er wu&#x0364;rklich in Be&#x017F;itz genommen hat <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">a</hi></hi>].</p><lb/>
            <note place="end" n="a]"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Wolff</hi> I. G. c. III.</hi> §. 308.</note>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 3.<lb/><hi rendition="#g">Gemeineigenthum</hi>.</head><lb/>
            <p>Das <hi rendition="#fr">Gemeineigenthum</hi> [<hi rendition="#aq">condominium</hi>] welches<lb/>
in den gleichen ungeteilten Rechten zweier oder meh-<lb/>
rerer an einer Sache, wiewohl nach ver&#x017F;chiedenem<lb/>
Maas&#x017F;tabe <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">a</hi></hi>] be&#x017F;teht, kann, nach dem gleichen oder<lb/>
ungleichen Verha&#x0364;ltnis des letztern wiederum auf man-<lb/>
cherley Art be&#x017F;timt werden. Unter den europa&#x0364;i&#x017F;chen<lb/>
Nazionen kommen indes dergleichen Gemein&#x017F;chaften<lb/>
ganzer La&#x0364;nder &#x017F;elten, wohl aber bey einigen Orten vor.<lb/>
Zwi&#x017F;chen Sardinien und Parma z. B. &#x017F;ollen, nach<lb/>
Mo&#x017F;ers Bericht <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">b</hi></hi>], in dem Grenzvergleiche vom<lb/>
10. Ma&#x0364;rz 1766. die beiden Orte Mon&#x017F;enico und Mon-<lb/>
ca&#x017F;acca gemein&#x017F;chaftlich geblieben &#x017F;eyn. Die In&#x017F;el<lb/>
St. Martin war ehemals Frankreich und den Vereinig-<lb/>
ten Niederlanden gemein, iedoch mehr nach gewi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
be&#x017F;timten Theilen, die letztern wurden aber nachher<lb/>
daraus vertrieben <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">c</hi></hi>].</p><lb/>
            <note place="end" n="a]">Nach den rechtswi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen Kun&#x017F;tausdru&#x0364;cken: <hi rendition="#aq">par-<lb/>
tibus indivi&#x017F;is, pro rata,</hi> nicht <hi rendition="#aq">in &#x017F;olidum,</hi> nach der<lb/>
bekauten Rechtsregel: <hi rendition="#aq">duos ejusdem rei dominos in<lb/>
&#x017F;olidum e&#x017F;&#x017F;e non po&#x017F;&#x017F;e.</hi> Im uneigentlichen Sinne<lb/>
nennt man es auch noch eine Gemein&#x017F;chaft, wenn ein<lb/>
Land, das eigentlich ein Ganzes ausmacht, von meh-<lb/>
rern, iedoch &#x017F;o be&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en wird, daß iedem &#x017F;ein Antheil<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">K 4</fw><fw place="bottom" type="catch">mit</fw><lb/></note>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[151/0165] und eingeſchraͤnkten Eigenthum der Lande. ein Land entdecken und ſich zueignen; dies ſetzt aber auch ſchon einen Vertrag voraus, weil nach dem ur- ſpruͤnglichen Naturrechte auf den Fall, wenn mehrere zufaͤllig ein Land zugleich entdecken und in Beſitz neh- men, iedem nur ſo viel mit voͤlligem Eigenthum gehoͤrt, als er wuͤrklich in Beſitz genommen hat a]. a] Wolff I. G. c. III. §. 308. §. 3. Gemeineigenthum. Das Gemeineigenthum [condominium] welches in den gleichen ungeteilten Rechten zweier oder meh- rerer an einer Sache, wiewohl nach verſchiedenem Maasſtabe a] beſteht, kann, nach dem gleichen oder ungleichen Verhaͤltnis des letztern wiederum auf man- cherley Art beſtimt werden. Unter den europaͤiſchen Nazionen kommen indes dergleichen Gemeinſchaften ganzer Laͤnder ſelten, wohl aber bey einigen Orten vor. Zwiſchen Sardinien und Parma z. B. ſollen, nach Moſers Bericht b], in dem Grenzvergleiche vom 10. Maͤrz 1766. die beiden Orte Monſenico und Mon- caſacca gemeinſchaftlich geblieben ſeyn. Die Inſel St. Martin war ehemals Frankreich und den Vereinig- ten Niederlanden gemein, iedoch mehr nach gewiſſen beſtimten Theilen, die letztern wurden aber nachher daraus vertrieben c]. a] Nach den rechtswiſſenſchaftlichen Kunſtausdruͤcken: par- tibus indiviſis, pro rata, nicht in ſolidum, nach der bekauten Rechtsregel: duos ejusdem rei dominos in ſolidum eſſe non poſſe. Im uneigentlichen Sinne nennt man es auch noch eine Gemeinſchaft, wenn ein Land, das eigentlich ein Ganzes ausmacht, von meh- rern, iedoch ſo beſeſſen wird, daß iedem ſein Antheil mit K 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792/165
Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792/165>, abgerufen am 21.12.2024.