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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792.

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Von Erwerbung des Eigenthums von andern
***] Einige dieser Erwerbungsarten, als durch Heirath,
Erbfolge, Wahl etc. haben zwar mehr persönliche Bezie-
hungen auf die Regenten der Nazionen, da solche aber,
wenigstens in Erbreichen, meistens auch diesen zu gute
kommen, wenn kein Hindernis der Vereinigung vorhan-
den oder es vielmehr wohl gar ausgemachter Grundsatz
ist, wie in Frankreich, daß alle Güter welche der König
vor der Gelangung zum Thron besessen, und er sonst
durch Erbrecht, Geschenke, oder andere Fälle erwirbt,
dem Königreiche einverleibt werden müssen, wie das
Parlement zu Tours unter andern 1590. gegen König
Heinrich IV. behauptete, welcher sein väterliches Erbkö-
nigreich Navarra von der Krone Frankreich abgesondert
wissen wolte [Real Science du Gouv. T. II. c. 7.
Sect. I.
§. 15.] die neusten Vorgänge zu geschweigen;
so kann man sie in gewisser Rücksicht füglich auch als
Erwerbungen der Nazionen betrachten.
§. 7.
Tausch.

Die älteste Erwerbung eines Eigenthums von an-
dern geschah, in Ermangelung des Geldes, wohl durch
Tausch. Es ist auch noch heutzutage unter den Nazio-
nen sehr gewöhnlich, daß eine der andern tauschweise
ein Stück Landes gegen ein anderes überläßt, mehren-
teils um die aus deren Lage herrührenden Unbequemlich-
keiten oder Irrungen zu heben. Dergleichen Austau-
schungen, besonders kleiner Portionen, kommen unter
benachbarten Völkern fast in allen Grenzverträgen so
häufig vor, daß es hier wohl keines Beispiels bedarf.
Sie werden in Friedensschlüssen, bey Abtretung der
Lande und in andern Verträgen zuweilen ausdrücklich
bedungen a]. Auch sind schon ganze Reiche, wie mit

Sicilien
Von Erwerbung des Eigenthums von andern
***] Einige dieſer Erwerbungsarten, als durch Heirath,
Erbfolge, Wahl ꝛc. haben zwar mehr perſoͤnliche Bezie-
hungen auf die Regenten der Nazionen, da ſolche aber,
wenigſtens in Erbreichen, meiſtens auch dieſen zu gute
kommen, wenn kein Hindernis der Vereinigung vorhan-
den oder es vielmehr wohl gar ausgemachter Grundſatz
iſt, wie in Frankreich, daß alle Guͤter welche der Koͤnig
vor der Gelangung zum Thron beſeſſen, und er ſonſt
durch Erbrecht, Geſchenke, oder andere Faͤlle erwirbt,
dem Koͤnigreiche einverleibt werden muͤſſen, wie das
Parlement zu Tours unter andern 1590. gegen Koͤnig
Heinrich IV. behauptete, welcher ſein vaͤterliches Erbkoͤ-
nigreich Navarra von der Krone Frankreich abgeſondert
wiſſen wolte [Real Science du Gouv. T. II. c. 7.
Sect. I.
§. 15.] die neuſten Vorgaͤnge zu geſchweigen;
ſo kann man ſie in gewiſſer Ruͤckſicht fuͤglich auch als
Erwerbungen der Nazionen betrachten.
§. 7.
Tauſch.

Die aͤlteſte Erwerbung eines Eigenthums von an-
dern geſchah, in Ermangelung des Geldes, wohl durch
Tauſch. Es iſt auch noch heutzutage unter den Nazio-
nen ſehr gewoͤhnlich, daß eine der andern tauſchweiſe
ein Stuͤck Landes gegen ein anderes uͤberlaͤßt, mehren-
teils um die aus deren Lage herruͤhrenden Unbequemlich-
keiten oder Irrungen zu heben. Dergleichen Austau-
ſchungen, beſonders kleiner Portionen, kommen unter
benachbarten Voͤlkern faſt in allen Grenzvertraͤgen ſo
haͤufig vor, daß es hier wohl keines Beiſpiels bedarf.
Sie werden in Friedensſchluͤſſen, bey Abtretung der
Lande und in andern Vertraͤgen zuweilen ausdruͤcklich
bedungen a]. Auch ſind ſchon ganze Reiche, wie mit

Sicilien
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[92/0106] Von Erwerbung des Eigenthums von andern ***] Einige dieſer Erwerbungsarten, als durch Heirath, Erbfolge, Wahl ꝛc. haben zwar mehr perſoͤnliche Bezie- hungen auf die Regenten der Nazionen, da ſolche aber, wenigſtens in Erbreichen, meiſtens auch dieſen zu gute kommen, wenn kein Hindernis der Vereinigung vorhan- den oder es vielmehr wohl gar ausgemachter Grundſatz iſt, wie in Frankreich, daß alle Guͤter welche der Koͤnig vor der Gelangung zum Thron beſeſſen, und er ſonſt durch Erbrecht, Geſchenke, oder andere Faͤlle erwirbt, dem Koͤnigreiche einverleibt werden muͤſſen, wie das Parlement zu Tours unter andern 1590. gegen Koͤnig Heinrich IV. behauptete, welcher ſein vaͤterliches Erbkoͤ- nigreich Navarra von der Krone Frankreich abgeſondert wiſſen wolte [Real Science du Gouv. T. II. c. 7. Sect. I. §. 15.] die neuſten Vorgaͤnge zu geſchweigen; ſo kann man ſie in gewiſſer Ruͤckſicht fuͤglich auch als Erwerbungen der Nazionen betrachten. §. 7. Tauſch. Die aͤlteſte Erwerbung eines Eigenthums von an- dern geſchah, in Ermangelung des Geldes, wohl durch Tauſch. Es iſt auch noch heutzutage unter den Nazio- nen ſehr gewoͤhnlich, daß eine der andern tauſchweiſe ein Stuͤck Landes gegen ein anderes uͤberlaͤßt, mehren- teils um die aus deren Lage herruͤhrenden Unbequemlich- keiten oder Irrungen zu heben. Dergleichen Austau- ſchungen, beſonders kleiner Portionen, kommen unter benachbarten Voͤlkern faſt in allen Grenzvertraͤgen ſo haͤufig vor, daß es hier wohl keines Beiſpiels bedarf. Sie werden in Friedensſchluͤſſen, bey Abtretung der Lande und in andern Vertraͤgen zuweilen ausdruͤcklich bedungen a]. Auch ſind ſchon ganze Reiche, wie mit Sicilien

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792/106>, abgerufen am 21.12.2024.