Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.nach Wunsch geendet, und die brave Frau entschlief mit so ruhigem Gewissen, als habe sie wunder was für ein treffliches Werk gethan. IV. Die Nacht, eine schöne, klare, sternhelle Sommernacht, war für die Insassen des Hofgutes ziemlich unruhig vergangen, desto sanfter schliefen die Bewohner des schindelgedeckten Landhauses der Conrectorin -- namentlich war es Vetter Isidor, der einen Riesenschlaf that und nicht eher erwachte, als bis die rothe Morgensonne durch die kleinen, bleigefaßten Fenster auf seinen "Gesichtserker" schien und ihn dadurch heftig zum Niesen brachte. Jäh erweckt durch diese unerwartete Eruption sah sich Vetter Isidor erschrocken um und entdeckte sich in einem gänzlich fremden Raume. Ziemliche Zeit brauchte es, bis er seine Gedanken gesammelt und sich völlig wieder auf alle Vorgänge besonnen hatte. Dann dachte er über den tiefen Traum nach, aus dem er durch das Niesen erweckt worden war, und es war ihm höchst unlieb, daß er mit aller Anstrengung seiner nicht mehr habhaft werden konnte -- unlieb aus dem Grunde, weil er ihn benies't hatte und nun sicher auf Erfüllung desselben zählen durfte. -- Während er noch nachdachte, hörte er ein leises Pochen an der Thür. Mit kräftigem Tone rief er Herein! aber die Frau Conrectorin steckte nur den Kopf durch die Thür und sagte: nach Wunsch geendet, und die brave Frau entschlief mit so ruhigem Gewissen, als habe sie wunder was für ein treffliches Werk gethan. IV. Die Nacht, eine schöne, klare, sternhelle Sommernacht, war für die Insassen des Hofgutes ziemlich unruhig vergangen, desto sanfter schliefen die Bewohner des schindelgedeckten Landhauses der Conrectorin — namentlich war es Vetter Isidor, der einen Riesenschlaf that und nicht eher erwachte, als bis die rothe Morgensonne durch die kleinen, bleigefaßten Fenster auf seinen „Gesichtserker“ schien und ihn dadurch heftig zum Niesen brachte. Jäh erweckt durch diese unerwartete Eruption sah sich Vetter Isidor erschrocken um und entdeckte sich in einem gänzlich fremden Raume. Ziemliche Zeit brauchte es, bis er seine Gedanken gesammelt und sich völlig wieder auf alle Vorgänge besonnen hatte. Dann dachte er über den tiefen Traum nach, aus dem er durch das Niesen erweckt worden war, und es war ihm höchst unlieb, daß er mit aller Anstrengung seiner nicht mehr habhaft werden konnte — unlieb aus dem Grunde, weil er ihn benies't hatte und nun sicher auf Erfüllung desselben zählen durfte. — Während er noch nachdachte, hörte er ein leises Pochen an der Thür. Mit kräftigem Tone rief er Herein! aber die Frau Conrectorin steckte nur den Kopf durch die Thür und sagte: <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0081"/> nach Wunsch geendet, und die brave Frau entschlief mit so ruhigem Gewissen, als habe sie wunder was für ein treffliches Werk gethan.</p><lb/> </div> <div type="chapter" n="4"> <head>IV.</head> <p>Die Nacht, eine schöne, klare, sternhelle Sommernacht, war für die Insassen des Hofgutes ziemlich unruhig vergangen, desto sanfter schliefen die Bewohner des schindelgedeckten Landhauses der Conrectorin — namentlich war es Vetter Isidor, der einen Riesenschlaf that und nicht eher erwachte, als bis die rothe Morgensonne durch die kleinen, bleigefaßten Fenster auf seinen „Gesichtserker“ schien und ihn dadurch heftig zum Niesen brachte. Jäh erweckt durch diese unerwartete Eruption sah sich Vetter Isidor erschrocken um und entdeckte sich in einem gänzlich fremden Raume.</p><lb/> <p>Ziemliche Zeit brauchte es, bis er seine Gedanken gesammelt und sich völlig wieder auf alle Vorgänge besonnen hatte. Dann dachte er über den tiefen Traum nach, aus dem er durch das Niesen erweckt worden war, und es war ihm höchst unlieb, daß er mit aller Anstrengung seiner nicht mehr habhaft werden konnte — unlieb aus dem Grunde, weil er ihn benies't hatte und nun sicher auf Erfüllung desselben zählen durfte. — Während er noch nachdachte, hörte er ein leises Pochen an der Thür.</p><lb/> <p>Mit kräftigem Tone rief er Herein! aber die Frau Conrectorin steckte nur den Kopf durch die Thür und sagte:</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0081]
nach Wunsch geendet, und die brave Frau entschlief mit so ruhigem Gewissen, als habe sie wunder was für ein treffliches Werk gethan.
IV. Die Nacht, eine schöne, klare, sternhelle Sommernacht, war für die Insassen des Hofgutes ziemlich unruhig vergangen, desto sanfter schliefen die Bewohner des schindelgedeckten Landhauses der Conrectorin — namentlich war es Vetter Isidor, der einen Riesenschlaf that und nicht eher erwachte, als bis die rothe Morgensonne durch die kleinen, bleigefaßten Fenster auf seinen „Gesichtserker“ schien und ihn dadurch heftig zum Niesen brachte. Jäh erweckt durch diese unerwartete Eruption sah sich Vetter Isidor erschrocken um und entdeckte sich in einem gänzlich fremden Raume.
Ziemliche Zeit brauchte es, bis er seine Gedanken gesammelt und sich völlig wieder auf alle Vorgänge besonnen hatte. Dann dachte er über den tiefen Traum nach, aus dem er durch das Niesen erweckt worden war, und es war ihm höchst unlieb, daß er mit aller Anstrengung seiner nicht mehr habhaft werden konnte — unlieb aus dem Grunde, weil er ihn benies't hatte und nun sicher auf Erfüllung desselben zählen durfte. — Während er noch nachdachte, hörte er ein leises Pochen an der Thür.
Mit kräftigem Tone rief er Herein! aber die Frau Conrectorin steckte nur den Kopf durch die Thür und sagte:
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-15T10:31:15Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-15T10:31:15Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |