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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Viertes Buch.
Das XVIII. Capitel.

MEin Vatter/ sagte Olivier, ist unweit der Statt
Aach von geringen Leuten geboren worden/ de-
rowegen er dann bey einem reichen Kauffmann/ der
mit dem Kupffer-Handel schacherte/ in seiner Jugend
dienen muste/ bey demselben hielt er sich so fein/ daß er
ihn schreiben/ lesen und rechnen lernen liesse/ und ihn
über seinen gantzen Handel setzte/ wie Potiphar den
Joseph; Diß schlug auch beyden Theilen wol zu/
dann der Kauffmann wurde wegen meines Vattern
Fleiß und Vorsichtigkeit je länger je reicher/ mein
Vatter selbst aber/ der guten Tag halber/ je länger je
stöltzer/ so gar/ daß er sich auch seiner Eltern schäm-
te/ und solche verachtete/ das sie offt vergeblich be-
klagten. Wie nun mein Vatter das 25. Jahr seines
Alters erreichte/ starb der Kauffmann/ und verliesse
sein alte Wittib sampt deren einzigen Tochter/ die
kürtzlich in ein Pfann getretten/ und ihr von einem
Gaden-Hengst ein Junges zweigen lassen/ selbiges
aber folgte seinem Großvatter am Todten-Reyhen
bald nach: Da nun mein Vatter sahe/ daß die Toch-
ter Vatter- und Kinder- aber nicht Geld loß worden/
achtet er nicht/ daß sie keinen Krantz mehr tragen
dorffte/ sondern erwog ihren Reichthum/ und machte
sich bey ihr zutäppisch/ so ihre Mutter gern zuliesse/
nit allein/ damit ihre Tochter wieder zu Ehren käme/
sondern weil mein Vatter umb den gantzen Handel
alle Wissenschafft hatte/ zumalen auch sonst mit dem
Judenspieß trefflich fechten konte. Also wurde mein
Vatter durch solche Heurath unversehens ein reicher
Kauffmann/ ich aber sein erster Erb/ den er wegen

seines
U iij
Viertes Buch.
Das XVIII. Capitel.

MEin Vatter/ ſagte Olivier, iſt unweit der Statt
Aach von geringen Leuten geboren woꝛden/ de-
rowegen er dann bey einem reichen Kauffmann/ der
mit dem Kupffer-Handel ſchacherte/ in ſeiner Jugend
dienen muſte/ bey demſelben hielt er ſich ſo fein/ daß er
ihn ſchreiben/ leſen und rechnen lernen lieſſe/ und ihn
uͤber ſeinen gantzen Handel ſetzte/ wie Potiphar den
Joſeph; Diß ſchlug auch beyden Theilen wol zu/
dann der Kauffmann wurde wegen meines Vattern
Fleiß und Vorſichtigkeit je laͤnger je reicher/ mein
Vatter ſelbſt aber/ der guten Tag halber/ je laͤnger je
ſtoͤltzer/ ſo gar/ daß er ſich auch ſeiner Eltern ſchaͤm-
te/ und ſolche verachtete/ das ſie offt vergeblich be-
klagten. Wie nun mein Vatter das 25. Jahr ſeines
Alters erꝛeichte/ ſtarb der Kauffmann/ und verlieſſe
ſein alte Wittib ſampt deren einzigen Tochter/ die
kuͤrtzlich in ein Pfann getretten/ und ihr von einem
Gaden-Hengſt ein Junges zweigen laſſen/ ſelbiges
aber folgte ſeinem Großvatter am Todten-Reyhen
bald nach: Da nun mein Vatter ſahe/ daß die Toch-
ter Vatter- und Kinder- aber nicht Geld loß worden/
achtet er nicht/ daß ſie keinen Krantz mehr tragen
dorffte/ ſondern erwog ihren Reichthum/ und machte
ſich bey ihr zutaͤppiſch/ ſo ihre Mutter gern zulieſſe/
nit allein/ damit ihre Tochter wieder zu Ehren kaͤme/
ſondern weil mein Vatter umb den gantzen Handel
alle Wiſſenſchafft hatte/ zumalen auch ſonſt mit dem
Judenſpieß trefflich fechten konte. Alſo wurde mein
Vatter durch ſolche Heurath unverſehens ein reicher
Kauffmann/ ich aber ſein erſter Erb/ den er wegen

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[459/0465] Viertes Buch. Das XVIII. Capitel. MEin Vatter/ ſagte Olivier, iſt unweit der Statt Aach von geringen Leuten geboren woꝛden/ de- rowegen er dann bey einem reichen Kauffmann/ der mit dem Kupffer-Handel ſchacherte/ in ſeiner Jugend dienen muſte/ bey demſelben hielt er ſich ſo fein/ daß er ihn ſchreiben/ leſen und rechnen lernen lieſſe/ und ihn uͤber ſeinen gantzen Handel ſetzte/ wie Potiphar den Joſeph; Diß ſchlug auch beyden Theilen wol zu/ dann der Kauffmann wurde wegen meines Vattern Fleiß und Vorſichtigkeit je laͤnger je reicher/ mein Vatter ſelbſt aber/ der guten Tag halber/ je laͤnger je ſtoͤltzer/ ſo gar/ daß er ſich auch ſeiner Eltern ſchaͤm- te/ und ſolche verachtete/ das ſie offt vergeblich be- klagten. Wie nun mein Vatter das 25. Jahr ſeines Alters erꝛeichte/ ſtarb der Kauffmann/ und verlieſſe ſein alte Wittib ſampt deren einzigen Tochter/ die kuͤrtzlich in ein Pfann getretten/ und ihr von einem Gaden-Hengſt ein Junges zweigen laſſen/ ſelbiges aber folgte ſeinem Großvatter am Todten-Reyhen bald nach: Da nun mein Vatter ſahe/ daß die Toch- ter Vatter- und Kinder- aber nicht Geld loß worden/ achtet er nicht/ daß ſie keinen Krantz mehr tragen dorffte/ ſondern erwog ihren Reichthum/ und machte ſich bey ihr zutaͤppiſch/ ſo ihre Mutter gern zulieſſe/ nit allein/ damit ihre Tochter wieder zu Ehren kaͤme/ ſondern weil mein Vatter umb den gantzen Handel alle Wiſſenſchafft hatte/ zumalen auch ſonſt mit dem Judenſpieß trefflich fechten konte. Alſo wurde mein Vatter durch ſolche Heurath unverſehens ein reicher Kauffmann/ ich aber ſein erſter Erb/ den er wegen ſeines U iij

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/465>, abgerufen am 21.12.2024.