Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Albert Ludwig: Die malerischen und romantischen Stellen des Odenwaldes. Darmstadt, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Alterthümlichkeit ausgezeichnet, steht auch der Rest eines ehemaligen Templerhauses. Es scheint sich überhaupt um die Burg, wozu früher der genannte Schlossthurm gehörte, im Laufe des zwölften bis fünfzehnten Jahrhunderts, nach und nach eine grössere Zahl von Einwohnern angesiedelt zu haben. Auf diese Weise bildete sich die Burgstadt, die jedoch nicht von grossem Umfange gewesen sein kann. Bald aber entstand auch die ausserhalb der Ringmauer gelegene grössere Vorstadt. Im Jahre 1498 war Erbach schon so beträchtlich, dass ihm der Papst die Vergünstigung ertheilte, sich von dem kirchlichen Verbande mit Michelstadt zu trennen, und eine eigene Pfarrei zu bilden.

Im vierzehnten Jahrhundert war das Schloss Erbach aber ein Ganerbenhaus, welches die Schenke von Erbach und die Herren von Breuberg gemeinschaftlich besassen, wesshalb es zwischen beiden Familien oft blutige Händel absetzte, bis die Schenke von Erbach wieder in den alleinigen Besitz davon kamen.

Das Schloss enthält jetzt schätzbare und sehenswerthe Sammlungen. Der Rittersaal ist bekannt. Er befindet sich links am Eingange, und macht auf den Eintretenden einen überraschenden Eindruck. Im Gothischen Style erbaut, bildet er einen Raum von schönen Verhältnissen, mit herrlichen alten Glasmalereien in den Fenstern geziert, von welchen zwei aus der Kirche zu Wimpfen, eines aus dem Chor des Nonnenklosters zu Altenburg in der Wetterau, und die übrigen sonst zusammengebracht wurden. Sie rühren vom dreizehnten bis zum siebenzehnten Jahrhundert her, also von dem Anfange bis zu dem Verfalle der Glasmalerei. An der Uebereinstimmung der Einzelheiten, unter welchen das Auge auch nicht das Kleinste entdeckt, was nicht hierher gehörte, erkennt man, dass hier ein verständiger, seine Sammlung mit Liebe und Kenntniss umfassender Geist gewaltet hat. Selbst das Schloss an der Saalthüre ist ein beachtenswerthes altes Kunstwerk. Die sechs Fensterpfeiler sind mit aus alten Waffenstücken zusammengesetzten Trophäen bekleidet. Unter diesen befindet sich ein interessanter Schild, auf welchem in getriebener Arbeit Kriegsscenen, angeblich Scenen aus dem Trojanischen Kriege, dargestellt sind. Vor allen aber ist die treffliche, wahrhaft künstlerische getriebene Arbeit in Eisenblech beachtenswerth, welche einen Sattel vorn und hinten

Alterthümlichkeit ausgezeichnet, steht auch der Rest eines ehemaligen Templerhauses. Es scheint sich überhaupt um die Burg, wozu früher der genannte Schlossthurm gehörte, im Laufe des zwölften bis fünfzehnten Jahrhunderts, nach und nach eine grössere Zahl von Einwohnern angesiedelt zu haben. Auf diese Weise bildete sich die Burgstadt, die jedoch nicht von grossem Umfange gewesen sein kann. Bald aber entstand auch die ausserhalb der Ringmauer gelegene grössere Vorstadt. Im Jahre 1498 war Erbach schon so beträchtlich, dass ihm der Papst die Vergünstigung ertheilte, sich von dem kirchlichen Verbande mit Michelstadt zu trennen, und eine eigene Pfarrei zu bilden.

Im vierzehnten Jahrhundert war das Schloss Erbach aber ein Ganerbenhaus, welches die Schenke von Erbach und die Herren von Breuberg gemeinschaftlich besassen, wesshalb es zwischen beiden Familien oft blutige Händel absetzte, bis die Schenke von Erbach wieder in den alleinigen Besitz davon kamen.

Das Schloss enthält jetzt schätzbare und sehenswerthe Sammlungen. Der Rittersaal ist bekannt. Er befindet sich links am Eingange, und macht auf den Eintretenden einen überraschenden Eindruck. Im Gothischen Style erbaut, bildet er einen Raum von schönen Verhältnissen, mit herrlichen alten Glasmalereien in den Fenstern geziert, von welchen zwei aus der Kirche zu Wimpfen, eines aus dem Chor des Nonnenklosters zu Altenburg in der Wetterau, und die übrigen sonst zusammengebracht wurden. Sie rühren vom dreizehnten bis zum siebenzehnten Jahrhundert her, also von dem Anfange bis zu dem Verfalle der Glasmalerei. An der Uebereinstimmung der Einzelheiten, unter welchen das Auge auch nicht das Kleinste entdeckt, was nicht hierher gehörte, erkennt man, dass hier ein verständiger, seine Sammlung mit Liebe und Kenntniss umfassender Geist gewaltet hat. Selbst das Schloss an der Saalthüre ist ein beachtenswerthes altes Kunstwerk. Die sechs Fensterpfeiler sind mit aus alten Waffenstücken zusammengesetzten Trophäen bekleidet. Unter diesen befindet sich ein interessanter Schild, auf welchem in getriebener Arbeit Kriegsscenen, angeblich Scenen aus dem Trojanischen Kriege, dargestellt sind. Vor allen aber ist die treffliche, wahrhaft künstlerische getriebene Arbeit in Eisenblech beachtenswerth, welche einen Sattel vorn und hinten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0014" n="14"/>
Alterthümlichkeit ausgezeichnet, steht auch der Rest eines ehemaligen Templerhauses. Es scheint sich überhaupt um die Burg, wozu früher der genannte Schlossthurm gehörte, im Laufe des zwölften bis fünfzehnten Jahrhunderts, nach und nach eine grössere Zahl von Einwohnern angesiedelt zu haben. Auf diese Weise bildete sich die Burgstadt, die jedoch nicht von grossem Umfange gewesen sein kann. Bald aber entstand auch die ausserhalb der Ringmauer gelegene grössere Vorstadt. Im Jahre 1498 war Erbach schon so beträchtlich, dass ihm der Papst die Vergünstigung ertheilte, sich von dem kirchlichen Verbande mit Michelstadt zu trennen, und eine eigene Pfarrei zu bilden.</p>
          <p>Im vierzehnten Jahrhundert war das Schloss Erbach aber ein Ganerbenhaus, welches die Schenke von Erbach und die Herren von Breuberg gemeinschaftlich besassen, wesshalb es zwischen beiden Familien oft blutige Händel absetzte, bis die Schenke von Erbach wieder in den alleinigen Besitz davon kamen.</p>
          <p>Das Schloss enthält jetzt schätzbare und sehenswerthe Sammlungen. Der Rittersaal ist bekannt. Er befindet sich links am Eingange, und macht auf den Eintretenden einen überraschenden Eindruck. Im Gothischen Style erbaut, bildet er einen Raum von schönen Verhältnissen, mit herrlichen alten Glasmalereien in den Fenstern geziert, von welchen zwei aus der Kirche zu Wimpfen, eines aus dem Chor des Nonnenklosters zu Altenburg in der Wetterau, und die übrigen sonst zusammengebracht wurden. Sie rühren vom dreizehnten bis zum siebenzehnten Jahrhundert her, also von dem Anfange bis zu dem Verfalle der Glasmalerei. An der Uebereinstimmung der Einzelheiten, unter welchen das Auge auch nicht das Kleinste entdeckt, was nicht hierher gehörte, erkennt man, dass hier ein verständiger, seine Sammlung mit Liebe und Kenntniss umfassender Geist gewaltet hat. Selbst das Schloss an der Saalthüre ist ein beachtenswerthes altes Kunstwerk. Die sechs Fensterpfeiler sind mit aus alten Waffenstücken zusammengesetzten Trophäen bekleidet. Unter diesen befindet sich ein interessanter Schild, auf welchem in getriebener Arbeit Kriegsscenen, angeblich Scenen aus dem Trojanischen Kriege, dargestellt sind. Vor allen aber ist die treffliche, wahrhaft künstlerische getriebene Arbeit in Eisenblech beachtenswerth, welche einen Sattel vorn und hinten
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0014] Alterthümlichkeit ausgezeichnet, steht auch der Rest eines ehemaligen Templerhauses. Es scheint sich überhaupt um die Burg, wozu früher der genannte Schlossthurm gehörte, im Laufe des zwölften bis fünfzehnten Jahrhunderts, nach und nach eine grössere Zahl von Einwohnern angesiedelt zu haben. Auf diese Weise bildete sich die Burgstadt, die jedoch nicht von grossem Umfange gewesen sein kann. Bald aber entstand auch die ausserhalb der Ringmauer gelegene grössere Vorstadt. Im Jahre 1498 war Erbach schon so beträchtlich, dass ihm der Papst die Vergünstigung ertheilte, sich von dem kirchlichen Verbande mit Michelstadt zu trennen, und eine eigene Pfarrei zu bilden. Im vierzehnten Jahrhundert war das Schloss Erbach aber ein Ganerbenhaus, welches die Schenke von Erbach und die Herren von Breuberg gemeinschaftlich besassen, wesshalb es zwischen beiden Familien oft blutige Händel absetzte, bis die Schenke von Erbach wieder in den alleinigen Besitz davon kamen. Das Schloss enthält jetzt schätzbare und sehenswerthe Sammlungen. Der Rittersaal ist bekannt. Er befindet sich links am Eingange, und macht auf den Eintretenden einen überraschenden Eindruck. Im Gothischen Style erbaut, bildet er einen Raum von schönen Verhältnissen, mit herrlichen alten Glasmalereien in den Fenstern geziert, von welchen zwei aus der Kirche zu Wimpfen, eines aus dem Chor des Nonnenklosters zu Altenburg in der Wetterau, und die übrigen sonst zusammengebracht wurden. Sie rühren vom dreizehnten bis zum siebenzehnten Jahrhundert her, also von dem Anfange bis zu dem Verfalle der Glasmalerei. An der Uebereinstimmung der Einzelheiten, unter welchen das Auge auch nicht das Kleinste entdeckt, was nicht hierher gehörte, erkennt man, dass hier ein verständiger, seine Sammlung mit Liebe und Kenntniss umfassender Geist gewaltet hat. Selbst das Schloss an der Saalthüre ist ein beachtenswerthes altes Kunstwerk. Die sechs Fensterpfeiler sind mit aus alten Waffenstücken zusammengesetzten Trophäen bekleidet. Unter diesen befindet sich ein interessanter Schild, auf welchem in getriebener Arbeit Kriegsscenen, angeblich Scenen aus dem Trojanischen Kriege, dargestellt sind. Vor allen aber ist die treffliche, wahrhaft künstlerische getriebene Arbeit in Eisenblech beachtenswerth, welche einen Sattel vorn und hinten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-01-11T17:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-11T17:54:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-11T17:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_odenwald_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_odenwald_1843/14
Zitationshilfe: Grimm, Albert Ludwig: Die malerischen und romantischen Stellen des Odenwaldes. Darmstadt, 1843, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_odenwald_1843/14>, abgerufen am 26.04.2024.