Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.94. Die kluge Bauerntochter. Es war einmal ein armer Bauer, der hatte kein Land, nur ein kleines Häuschen und eine alleinige Tochter, da sprach die Tochter 'wir sollten den Herrn König um ein Stückchen Rottland bitten.' Da der König ihre Armuth hörte, schenkte er ihnen auch ein Eckchen Rasen, den hackte sie und ihr Vater um, und wollten ein wenig Korn und der Art Frucht darauf säen. Als sie den Acker beinah herum hatten, so fanden sie in der Erde einen Mörsel von purem Gold. 'Hör,' sagte der Vater zu dem Mädchen, 'weil unser Herr König ist so gnädig gewesen und hat uns diesen Acker geschenkt, so müssen wir ihm den Mörsel dafür geben.' Die Tochter aber wollt es nicht bewilligen und sagte 'Vater, wenn wir den Mörsel haben und haben den Stößer nicht, dann müssen wir auch den Stößer herbei schaffen, darum schweigt lieber still.' Er wollte ihr aber nicht gehorchen, nahm den Mörsel, trug ihn zum Herrn König und sagte den hätte er gefunden in der Heide, ob er ihn als eine Verehrung annehmen wollte. Der König nahm den Mörsel und fragte ob er nichts mehr gefunden hätte? 'Nein,' antwortete der Bauer. Da sagte der König er sollte nun auch den Stößer herbeischaffen. Der Bauer sprach den hätten sie nicht gefunden; aber das half ihm so viel, als hätt ers in den Wind gesagt, er ward ins Gefängnis gesetzt, und sollte so lange da sitzen, bis er den Stößer herbeigeschafft hätte. Die Bedienten mußten ihm täglich Wasser und Brot bringen, was man so in dem Gefängnis kriegt, da hörten sie, wie der Mann als fort schrie 94. Die kluge Bauerntochter. Es war einmal ein armer Bauer, der hatte kein Land, nur ein kleines Häuschen und eine alleinige Tochter, da sprach die Tochter ‘wir sollten den Herrn König um ein Stückchen Rottland bitten.’ Da der König ihre Armuth hörte, schenkte er ihnen auch ein Eckchen Rasen, den hackte sie und ihr Vater um, und wollten ein wenig Korn und der Art Frucht darauf säen. Als sie den Acker beinah herum hatten, so fanden sie in der Erde einen Mörsel von purem Gold. ‘Hör,’ sagte der Vater zu dem Mädchen, ‘weil unser Herr König ist so gnädig gewesen und hat uns diesen Acker geschenkt, so müssen wir ihm den Mörsel dafür geben.’ Die Tochter aber wollt es nicht bewilligen und sagte ‘Vater, wenn wir den Mörsel haben und haben den Stößer nicht, dann müssen wir auch den Stößer herbei schaffen, darum schweigt lieber still.’ Er wollte ihr aber nicht gehorchen, nahm den Mörsel, trug ihn zum Herrn König und sagte den hätte er gefunden in der Heide, ob er ihn als eine Verehrung annehmen wollte. Der König nahm den Mörsel und fragte ob er nichts mehr gefunden hätte? ‘Nein,’ antwortete der Bauer. Da sagte der König er sollte nun auch den Stößer herbeischaffen. Der Bauer sprach den hätten sie nicht gefunden; aber das half ihm so viel, als hätt ers in den Wind gesagt, er ward ins Gefängnis gesetzt, und sollte so lange da sitzen, bis er den Stößer herbeigeschafft hätte. Die Bedienten mußten ihm täglich Wasser und Brot bringen, was man so in dem Gefängnis kriegt, da hörten sie, wie der Mann als fort schrie <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0061" n="49"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">94.<lb/> Die kluge Bauerntochter.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#in">E</hi>s war einmal ein armer Bauer, der hatte kein Land, nur ein kleines Häuschen und eine alleinige Tochter, da sprach die Tochter ‘wir sollten den Herrn König um ein Stückchen Rottland bitten.’ Da der König ihre Armuth hörte, schenkte er ihnen auch ein Eckchen Rasen, den hackte sie und ihr Vater um, und wollten ein wenig Korn und der Art Frucht darauf säen. Als sie den Acker beinah herum hatten, so fanden sie in der Erde einen Mörsel von purem Gold. ‘Hör,’ sagte der Vater zu dem Mädchen, ‘weil unser Herr König ist so gnädig gewesen und hat uns diesen Acker geschenkt, so müssen wir ihm den Mörsel dafür geben.’ Die Tochter aber wollt es nicht bewilligen und sagte ‘Vater, wenn wir den Mörsel haben und haben den Stößer nicht, dann müssen wir auch den Stößer herbei schaffen, darum schweigt lieber still.’ Er wollte ihr aber nicht gehorchen, nahm den Mörsel, trug ihn zum Herrn König und sagte den hätte er gefunden in der Heide, ob er ihn als eine Verehrung annehmen wollte. Der König nahm den Mörsel und fragte ob er nichts mehr gefunden hätte? ‘Nein,’ antwortete der Bauer. Da sagte der König er sollte nun auch den Stößer herbeischaffen. Der Bauer sprach den hätten sie nicht gefunden; aber das half ihm so viel, als hätt ers in den Wind gesagt, er ward ins Gefängnis gesetzt, und sollte so lange da sitzen, bis er den Stößer herbeigeschafft hätte. Die Bedienten mußten ihm täglich Wasser und Brot bringen, was man so in dem Gefängnis kriegt, da hörten sie, wie der Mann als fort schrie </p> </div> </body> </text> </TEI> [49/0061]
94.
Die kluge Bauerntochter.
Es war einmal ein armer Bauer, der hatte kein Land, nur ein kleines Häuschen und eine alleinige Tochter, da sprach die Tochter ‘wir sollten den Herrn König um ein Stückchen Rottland bitten.’ Da der König ihre Armuth hörte, schenkte er ihnen auch ein Eckchen Rasen, den hackte sie und ihr Vater um, und wollten ein wenig Korn und der Art Frucht darauf säen. Als sie den Acker beinah herum hatten, so fanden sie in der Erde einen Mörsel von purem Gold. ‘Hör,’ sagte der Vater zu dem Mädchen, ‘weil unser Herr König ist so gnädig gewesen und hat uns diesen Acker geschenkt, so müssen wir ihm den Mörsel dafür geben.’ Die Tochter aber wollt es nicht bewilligen und sagte ‘Vater, wenn wir den Mörsel haben und haben den Stößer nicht, dann müssen wir auch den Stößer herbei schaffen, darum schweigt lieber still.’ Er wollte ihr aber nicht gehorchen, nahm den Mörsel, trug ihn zum Herrn König und sagte den hätte er gefunden in der Heide, ob er ihn als eine Verehrung annehmen wollte. Der König nahm den Mörsel und fragte ob er nichts mehr gefunden hätte? ‘Nein,’ antwortete der Bauer. Da sagte der König er sollte nun auch den Stößer herbeischaffen. Der Bauer sprach den hätten sie nicht gefunden; aber das half ihm so viel, als hätt ers in den Wind gesagt, er ward ins Gefängnis gesetzt, und sollte so lange da sitzen, bis er den Stößer herbeigeschafft hätte. Die Bedienten mußten ihm täglich Wasser und Brot bringen, was man so in dem Gefängnis kriegt, da hörten sie, wie der Mann als fort schrie
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/61 |
Zitationshilfe: | Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/61>, abgerufen am 22.02.2025. |