Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite
128.
Die faule Spinnerin.

Auf einem Dorfe lebte ein Mann und eine Frau, und die Frau war so faul, daß sie immer nichts arbeiten wollte: und was ihr der Mann zu spinnen gab, das spann sie nicht fertig, und was sie auch spann, haspelte sie nicht, sondern ließ alles auf dem Klauel gewickelt liegen. Schalt sie nun der Mann, so war sie mit ihrem Maul doch vornen, und sprach 'ei, wie sollt ich haspeln, da ich keinen Haspel habe, geh du erst in den Wald und schaff mir einen.' 'Wenns daran liegt,' sagte der Mann, 'so will ich in den Wald gehen und Haspelholz holen.' Da fürchtete sich die Frau, wenn er das Holz hätte, daß er daraus einen Haspel machte, und sie abhaspeln und dann wieder frisch spinnen müßte. Sie besann sich ein bischen, da kam ihr ein guter Einfall, und sie lief dem Manne heimlich nach in den Wald. Wie er nun auf einen Baum gestiegen war, das Holz auszulesen und zu hauen, schlich sie darunter in das Gebüsch, wo er sie nicht sehen konnte und rief hinauf

'wer Haspelholz haut, der stirbt,
wer da haspelt der verdirbt.'

Der Mann horchte, legte die Axt eine Weile nieder und dachte nach was das wohl zu bedeuten hätte. 'Ei was,' sprach er endlich, 'was wirds gewesen sein! es hat dir in den Ohren geklungen, mache dir keine unnöthige Furcht.' Also ergriff er die Axt von neuem und wollte zuhauen, da riefs wieder von unten herauf

128.
Die faule Spinnerin.

Auf einem Dorfe lebte ein Mann und eine Frau, und die Frau war so faul, daß sie immer nichts arbeiten wollte: und was ihr der Mann zu spinnen gab, das spann sie nicht fertig, und was sie auch spann, haspelte sie nicht, sondern ließ alles auf dem Klauel gewickelt liegen. Schalt sie nun der Mann, so war sie mit ihrem Maul doch vornen, und sprach ‘ei, wie sollt ich haspeln, da ich keinen Haspel habe, geh du erst in den Wald und schaff mir einen.’ ‘Wenns daran liegt,’ sagte der Mann, ‘so will ich in den Wald gehen und Haspelholz holen.’ Da fürchtete sich die Frau, wenn er das Holz hätte, daß er daraus einen Haspel machte, und sie abhaspeln und dann wieder frisch spinnen müßte. Sie besann sich ein bischen, da kam ihr ein guter Einfall, und sie lief dem Manne heimlich nach in den Wald. Wie er nun auf einen Baum gestiegen war, das Holz auszulesen und zu hauen, schlich sie darunter in das Gebüsch, wo er sie nicht sehen konnte und rief hinauf

‘wer Haspelholz haut, der stirbt,
wer da haspelt der verdirbt.’

Der Mann horchte, legte die Axt eine Weile nieder und dachte nach was das wohl zu bedeuten hätte. ‘Ei was,’ sprach er endlich, ‘was wirds gewesen sein! es hat dir in den Ohren geklungen, mache dir keine unnöthige Furcht.’ Also ergriff er die Axt von neuem und wollte zuhauen, da riefs wieder von unten herauf

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0215" n="203"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">128.<lb/>
Die faule Spinnerin.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">A</hi>uf einem Dorfe lebte ein Mann und eine Frau, und die Frau war so faul, daß sie immer nichts arbeiten wollte: und was ihr der Mann zu spinnen gab, das spann sie nicht fertig, und was sie auch spann, haspelte sie nicht, sondern ließ alles auf dem Klauel gewickelt liegen. Schalt sie nun der Mann, so war sie mit ihrem Maul doch vornen, und sprach &#x2018;ei, wie sollt ich haspeln, da ich keinen Haspel habe, geh du erst in den Wald und schaff mir einen.&#x2019; &#x2018;Wenns daran liegt,&#x2019; sagte der Mann, &#x2018;so will ich in den Wald gehen und Haspelholz holen.&#x2019; Da fürchtete sich die Frau, wenn er das Holz hätte, daß er daraus einen Haspel machte, und sie abhaspeln und dann wieder frisch spinnen müßte. Sie besann sich ein bischen, da kam ihr ein guter Einfall, und sie lief dem Manne heimlich nach in den Wald. Wie er nun auf einen Baum gestiegen war, das Holz auszulesen und zu hauen, schlich sie darunter in das Gebüsch, wo er sie nicht sehen konnte und rief hinauf</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>&#x2018;wer Haspelholz haut, der stirbt,</l><lb/>
          <l>wer da haspelt der verdirbt.&#x2019;</l><lb/>
        </lg>
        <p>Der Mann horchte, legte die Axt eine Weile nieder und dachte nach was das wohl zu bedeuten hätte. &#x2018;Ei was,&#x2019; sprach er endlich, &#x2018;was wirds gewesen sein! es hat dir in den Ohren geklungen, mache dir keine unnöthige Furcht.&#x2019; Also ergriff er die Axt von neuem und wollte zuhauen, da riefs wieder von unten herauf</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[203/0215] 128. Die faule Spinnerin. Auf einem Dorfe lebte ein Mann und eine Frau, und die Frau war so faul, daß sie immer nichts arbeiten wollte: und was ihr der Mann zu spinnen gab, das spann sie nicht fertig, und was sie auch spann, haspelte sie nicht, sondern ließ alles auf dem Klauel gewickelt liegen. Schalt sie nun der Mann, so war sie mit ihrem Maul doch vornen, und sprach ‘ei, wie sollt ich haspeln, da ich keinen Haspel habe, geh du erst in den Wald und schaff mir einen.’ ‘Wenns daran liegt,’ sagte der Mann, ‘so will ich in den Wald gehen und Haspelholz holen.’ Da fürchtete sich die Frau, wenn er das Holz hätte, daß er daraus einen Haspel machte, und sie abhaspeln und dann wieder frisch spinnen müßte. Sie besann sich ein bischen, da kam ihr ein guter Einfall, und sie lief dem Manne heimlich nach in den Wald. Wie er nun auf einen Baum gestiegen war, das Holz auszulesen und zu hauen, schlich sie darunter in das Gebüsch, wo er sie nicht sehen konnte und rief hinauf ‘wer Haspelholz haut, der stirbt, wer da haspelt der verdirbt.’ Der Mann horchte, legte die Axt eine Weile nieder und dachte nach was das wohl zu bedeuten hätte. ‘Ei was,’ sprach er endlich, ‘was wirds gewesen sein! es hat dir in den Ohren geklungen, mache dir keine unnöthige Furcht.’ Also ergriff er die Axt von neuem und wollte zuhauen, da riefs wieder von unten herauf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Google Books (Harvard University): Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-08T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/215
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/215>, abgerufen am 18.12.2024.