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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1850.

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sich die Diebshand an und bestrich sie mit seiner Salbe, alsbald war sie ihm angewachsen. Der zweite nahm die Katzenaugen und heilte sie ein: der dritte machte das Schweineherz fest. Der Wirth aber stand dabei, bewunderte ihre Kunst und sagte dergleichen hätt er noch nicht gesehen, er wollte sie bei jedermann rühmen und empfehlen. Darauf bezahlten sie ihre Zeche und reisten weiter.

Wie sie so dahin giengen, so blieb der mit dem Schweineherzen gar nicht bei ihnen, sondern wo eine Ecke war, lief er hin und schnüffelte darin herum, wie Schweine thun. Die andern wollten ihn an dem Rockschlippen zurückhalten, aber das half nichts, er riß sich los und lief hin, wo der dickste Unrath lag. Der zweite stellte sich auch wunderlich an, rieb die Augen und sagte zu dem andern 'Kamerad, was ist das? das sind meine Augen nicht, ich sehe ja nichts, leite mich doch einer, daß ich nicht falle.' Da giengen sie mit Mühe fort bis zum Abend, wo sie zu einer andern Herberge kamen. Sie traten zusammen in die Wirthsstube, da saß in einer Ecke ein reicher Herr vorm Tisch und zählte Geld. Der mit der Diebshand gieng um ihn herum, zuckte ein paarmal mit dem Arm, endlich, wie der Herr sich umwendete, griff er in den Haufen hinein und nahm eine Hand voll Geld heraus. Der eine sahs und sprach 'Kamerad, was machst du? stehlen darfst du nicht, schäm dich!' 'Ei,' sagte er, 'was kann ich dafür! es zuckt mir in der Hand, ich muß zugreifen, ich mag wollen oder nicht.' Sie legten sich danach schlafen, und wie sie da liegen, ists so finster, daß man keine Hand vor Augen sehen kann. Auf einmal erwachte der mit den Katzenaugen, weckte die andern und sprach

sich die Diebshand an und bestrich sie mit seiner Salbe, alsbald war sie ihm angewachsen. Der zweite nahm die Katzenaugen und heilte sie ein: der dritte machte das Schweineherz fest. Der Wirth aber stand dabei, bewunderte ihre Kunst und sagte dergleichen hätt er noch nicht gesehen, er wollte sie bei jedermann rühmen und empfehlen. Darauf bezahlten sie ihre Zeche und reisten weiter.

Wie sie so dahin giengen, so blieb der mit dem Schweineherzen gar nicht bei ihnen, sondern wo eine Ecke war, lief er hin und schnüffelte darin herum, wie Schweine thun. Die andern wollten ihn an dem Rockschlippen zurückhalten, aber das half nichts, er riß sich los und lief hin, wo der dickste Unrath lag. Der zweite stellte sich auch wunderlich an, rieb die Augen und sagte zu dem andern ‘Kamerad, was ist das? das sind meine Augen nicht, ich sehe ja nichts, leite mich doch einer, daß ich nicht falle.’ Da giengen sie mit Mühe fort bis zum Abend, wo sie zu einer andern Herberge kamen. Sie traten zusammen in die Wirthsstube, da saß in einer Ecke ein reicher Herr vorm Tisch und zählte Geld. Der mit der Diebshand gieng um ihn herum, zuckte ein paarmal mit dem Arm, endlich, wie der Herr sich umwendete, griff er in den Haufen hinein und nahm eine Hand voll Geld heraus. Der eine sahs und sprach ‘Kamerad, was machst du? stehlen darfst du nicht, schäm dich!’ ‘Ei,’ sagte er, ‘was kann ich dafür! es zuckt mir in der Hand, ich muß zugreifen, ich mag wollen oder nicht.’ Sie legten sich danach schlafen, und wie sie da liegen, ists so finster, daß man keine Hand vor Augen sehen kann. Auf einmal erwachte der mit den Katzenaugen, weckte die andern und sprach

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[185/0197] sich die Diebshand an und bestrich sie mit seiner Salbe, alsbald war sie ihm angewachsen. Der zweite nahm die Katzenaugen und heilte sie ein: der dritte machte das Schweineherz fest. Der Wirth aber stand dabei, bewunderte ihre Kunst und sagte dergleichen hätt er noch nicht gesehen, er wollte sie bei jedermann rühmen und empfehlen. Darauf bezahlten sie ihre Zeche und reisten weiter. Wie sie so dahin giengen, so blieb der mit dem Schweineherzen gar nicht bei ihnen, sondern wo eine Ecke war, lief er hin und schnüffelte darin herum, wie Schweine thun. Die andern wollten ihn an dem Rockschlippen zurückhalten, aber das half nichts, er riß sich los und lief hin, wo der dickste Unrath lag. Der zweite stellte sich auch wunderlich an, rieb die Augen und sagte zu dem andern ‘Kamerad, was ist das? das sind meine Augen nicht, ich sehe ja nichts, leite mich doch einer, daß ich nicht falle.’ Da giengen sie mit Mühe fort bis zum Abend, wo sie zu einer andern Herberge kamen. Sie traten zusammen in die Wirthsstube, da saß in einer Ecke ein reicher Herr vorm Tisch und zählte Geld. Der mit der Diebshand gieng um ihn herum, zuckte ein paarmal mit dem Arm, endlich, wie der Herr sich umwendete, griff er in den Haufen hinein und nahm eine Hand voll Geld heraus. Der eine sahs und sprach ‘Kamerad, was machst du? stehlen darfst du nicht, schäm dich!’ ‘Ei,’ sagte er, ‘was kann ich dafür! es zuckt mir in der Hand, ich muß zugreifen, ich mag wollen oder nicht.’ Sie legten sich danach schlafen, und wie sie da liegen, ists so finster, daß man keine Hand vor Augen sehen kann. Auf einmal erwachte der mit den Katzenaugen, weckte die andern und sprach

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1850, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1850/197>, abgerufen am 26.04.2024.