Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1850.Brocken.' Die Mutter, die in der Küche stand, hörte daß das Kind mit jemand sprach, und als sie sah daß es mit seinem Löffelchen nach einer Unke schlug, so lief sie mit einem Scheit Holz heraus und tödtete das gute Thier. Von der Zeit an gieng eine Veränderung mit dem Kinde vor. Es war, so lange die Unke mit ihm gegessen hatte, groß und stark geworden, jetzt aber verlor es seine schönen rothen Backen und magerte ab. Nicht lange, so fieng in der Nacht der Todtenvogel an zu schreien, und das Rothkelchen sammelte Zweiglein und Blätter zu einem Todtenkranz, und bald hernach lag das Kind auf des Bahre. JJ. Ein Waisenkind saß an der Stadtmauer und spann, da sah es eine Unke aus einer Öffnung unten an der Mauer hervor kommen. Geschwind breitete es sein blau seidenes Halstuch neben sich aus, das die Unken gewaltig lieben und auf das sie allein gehen. Alsobald die Unke das erblickte, kehrte sie um, kam wieder und brachte ein kleines goldenes Krönchen getragen, legte es darauf und gieng dann wieder fort. Das Mädchen nahm die Krone auf, sie glitzerte und war von zartem Goldgespinnst. Nicht lange, so kam die Unke zum zweitenmal wieder: wie sie aber die Krone nicht mehr sah, kroch sie an die Wand und schlug vor Leid ihr Köpfchen so lange dawider, als sie nur noch Kräfte hatte, bis sie endlich todt da lag. Hätte das Mädchen die Krone liegen lassen, die Unke hätte wohl noch mehr von ihren Schätzen aus der Höhle herbeigetragen. Brocken.’ Die Mutter, die in der Küche stand, hörte daß das Kind mit jemand sprach, und als sie sah daß es mit seinem Löffelchen nach einer Unke schlug, so lief sie mit einem Scheit Holz heraus und tödtete das gute Thier. Von der Zeit an gieng eine Veränderung mit dem Kinde vor. Es war, so lange die Unke mit ihm gegessen hatte, groß und stark geworden, jetzt aber verlor es seine schönen rothen Backen und magerte ab. Nicht lange, so fieng in der Nacht der Todtenvogel an zu schreien, und das Rothkelchen sammelte Zweiglein und Blätter zu einem Todtenkranz, und bald hernach lag das Kind auf des Bahre. JJ. Ein Waisenkind saß an der Stadtmauer und spann, da sah es eine Unke aus einer Öffnung unten an der Mauer hervor kommen. Geschwind breitete es sein blau seidenes Halstuch neben sich aus, das die Unken gewaltig lieben und auf das sie allein gehen. Alsobald die Unke das erblickte, kehrte sie um, kam wieder und brachte ein kleines goldenes Krönchen getragen, legte es darauf und gieng dann wieder fort. Das Mädchen nahm die Krone auf, sie glitzerte und war von zartem Goldgespinnst. Nicht lange, so kam die Unke zum zweitenmal wieder: wie sie aber die Krone nicht mehr sah, kroch sie an die Wand und schlug vor Leid ihr Köpfchen so lange dawider, als sie nur noch Kräfte hatte, bis sie endlich todt da lag. Hätte das Mädchen die Krone liegen lassen, die Unke hätte wohl noch mehr von ihren Schätzen aus der Höhle herbeigetragen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0124" n="112"/> Brocken.’ Die Mutter, die in der Küche stand, hörte daß das Kind mit jemand sprach, und als sie sah daß es mit seinem Löffelchen nach einer Unke schlug, so lief sie mit einem Scheit Holz heraus und tödtete das gute Thier.</p><lb/> <p>Von der Zeit an gieng eine Veränderung mit dem Kinde vor. Es war, so lange die Unke mit ihm gegessen hatte, groß und stark geworden, jetzt aber verlor es seine schönen rothen Backen und magerte ab. Nicht lange, so fieng in der Nacht der Todtenvogel an zu schreien, und das Rothkelchen sammelte Zweiglein und Blätter zu einem Todtenkranz, und bald hernach lag das Kind auf des Bahre.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">JJ.</hi> </head><lb/> <p>Ein Waisenkind saß an der Stadtmauer und spann, da sah es eine Unke aus einer Öffnung unten an der Mauer hervor kommen. Geschwind breitete es sein blau seidenes Halstuch neben sich aus, das die Unken gewaltig lieben und auf das sie allein gehen. Alsobald die Unke das erblickte, kehrte sie um, kam wieder und brachte ein kleines goldenes Krönchen getragen, legte es darauf und gieng dann wieder fort. Das Mädchen nahm die Krone auf, sie glitzerte und war von zartem Goldgespinnst. Nicht lange, so kam die Unke zum zweitenmal wieder: wie sie aber die Krone nicht mehr sah, kroch sie an die Wand und schlug vor Leid ihr Köpfchen so lange dawider, als sie nur noch Kräfte hatte, bis sie endlich todt da lag. Hätte das Mädchen die Krone liegen lassen, die Unke hätte wohl noch mehr von ihren Schätzen aus der Höhle herbeigetragen.</p> </div><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [112/0124]
Brocken.’ Die Mutter, die in der Küche stand, hörte daß das Kind mit jemand sprach, und als sie sah daß es mit seinem Löffelchen nach einer Unke schlug, so lief sie mit einem Scheit Holz heraus und tödtete das gute Thier.
Von der Zeit an gieng eine Veränderung mit dem Kinde vor. Es war, so lange die Unke mit ihm gegessen hatte, groß und stark geworden, jetzt aber verlor es seine schönen rothen Backen und magerte ab. Nicht lange, so fieng in der Nacht der Todtenvogel an zu schreien, und das Rothkelchen sammelte Zweiglein und Blätter zu einem Todtenkranz, und bald hernach lag das Kind auf des Bahre.
JJ.
Ein Waisenkind saß an der Stadtmauer und spann, da sah es eine Unke aus einer Öffnung unten an der Mauer hervor kommen. Geschwind breitete es sein blau seidenes Halstuch neben sich aus, das die Unken gewaltig lieben und auf das sie allein gehen. Alsobald die Unke das erblickte, kehrte sie um, kam wieder und brachte ein kleines goldenes Krönchen getragen, legte es darauf und gieng dann wieder fort. Das Mädchen nahm die Krone auf, sie glitzerte und war von zartem Goldgespinnst. Nicht lange, so kam die Unke zum zweitenmal wieder: wie sie aber die Krone nicht mehr sah, kroch sie an die Wand und schlug vor Leid ihr Köpfchen so lange dawider, als sie nur noch Kräfte hatte, bis sie endlich todt da lag. Hätte das Mädchen die Krone liegen lassen, die Unke hätte wohl noch mehr von ihren Schätzen aus der Höhle herbeigetragen.
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