Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite
192.
Der Meisterdieb.

Eines Tages saß vor einem ärmlichen Hause ein alter Mann mit seiner Frau, und wollten von der Arbeit ein wenig ausruhen. Da kam auf einmal ein prächtiger, mit vier Rappen bespannter Wagen herbeigefahren, aus dem ein reichgekleideter Herr stieg. Der Bauer stand auf, trat zu dem Herrn und fragte was sein Verlangen wäre, und worin er ihm dienen könnte. Der Fremde reichte dem Alten die Hand, und sagte 'ich wünsche nichts als einmal ein ländliches Gericht zu genießen. Bereitet mir Kartoffel, wie ihr sie zu essen pflegt, dann will ich mich zu euerm Tisch setzen, und sie mit Freude verzehren.' Der Bauer lächelte, und sagte 'ihr seid ein Graf oder Fürst, oder gar ein Herzog, vornehme Herrn haben manchmal solch ein Gelüsten; euer Wunsch soll aber erfüllt werden.' Die Frau gieng in die Küche und sie fieng an Kartoffel zu waschen und zu reiben, und wollte Klöße daraus bereiten, wie sie die Bauern essen. Während sie bei der Arbeit stand sagte der Bauer zu dem Fremden 'kommt einstweilen mit mir in meinen Hausgarten, wo ich noch etwas zu schaffen habe.' In dem Garten hatte er Löcher gegraben und wollte jetzt Bäume einsetzen. 'Habt ihr keine Kinder,' fragte der Fremde, 'die euch bei der Arbeit

192.
Der Meisterdieb.

Eines Tages saß vor einem ärmlichen Hause ein alter Mann mit seiner Frau, und wollten von der Arbeit ein wenig ausruhen. Da kam auf einmal ein prächtiger, mit vier Rappen bespannter Wagen herbeigefahren, aus dem ein reichgekleideter Herr stieg. Der Bauer stand auf, trat zu dem Herrn und fragte was sein Verlangen wäre, und worin er ihm dienen könnte. Der Fremde reichte dem Alten die Hand, und sagte ‘ich wünsche nichts als einmal ein ländliches Gericht zu genießen. Bereitet mir Kartoffel, wie ihr sie zu essen pflegt, dann will ich mich zu euerm Tisch setzen, und sie mit Freude verzehren.’ Der Bauer lächelte, und sagte ‘ihr seid ein Graf oder Fürst, oder gar ein Herzog, vornehme Herrn haben manchmal solch ein Gelüsten; euer Wunsch soll aber erfüllt werden.’ Die Frau gieng in die Küche und sie fieng an Kartoffel zu waschen und zu reiben, und wollte Klöße daraus bereiten, wie sie die Bauern essen. Während sie bei der Arbeit stand sagte der Bauer zu dem Fremden ‘kommt einstweilen mit mir in meinen Hausgarten, wo ich noch etwas zu schaffen habe.’ In dem Garten hatte er Löcher gegraben und wollte jetzt Bäume einsetzen. ‘Habt ihr keine Kinder,’ fragte der Fremde, ‘die euch bei der Arbeit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0488" n="478"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">192.<lb/>
Der Meisterdieb.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">E</hi>ines Tages saß vor einem ärmlichen Hause ein alter Mann mit seiner Frau, und wollten von der Arbeit ein wenig ausruhen. Da kam auf einmal ein prächtiger, mit vier Rappen bespannter Wagen herbeigefahren, aus dem ein reichgekleideter Herr stieg. Der Bauer stand auf, trat zu dem Herrn und fragte was sein Verlangen wäre, und worin er ihm dienen könnte. Der Fremde reichte dem Alten die Hand, und sagte &#x2018;ich wünsche nichts als einmal ein ländliches Gericht zu genießen. Bereitet mir Kartoffel, wie ihr sie zu essen pflegt, dann will ich mich zu euerm Tisch setzen, und sie mit Freude verzehren.&#x2019; Der Bauer lächelte, und sagte &#x2018;ihr seid ein Graf oder Fürst, oder gar ein Herzog, vornehme Herrn haben manchmal solch ein Gelüsten; euer Wunsch soll aber erfüllt werden.&#x2019; Die Frau gieng in die Küche und sie fieng an Kartoffel zu waschen und zu reiben, und wollte Klöße daraus bereiten, wie sie die Bauern essen. Während sie bei der Arbeit stand sagte der Bauer zu dem Fremden &#x2018;kommt einstweilen mit mir in meinen Hausgarten, wo ich noch etwas zu schaffen habe.&#x2019; In dem Garten hatte er Löcher gegraben und wollte jetzt Bäume einsetzen. &#x2018;Habt ihr keine Kinder,&#x2019; fragte der Fremde, &#x2018;die euch bei der Arbeit
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[478/0488] 192. Der Meisterdieb. Eines Tages saß vor einem ärmlichen Hause ein alter Mann mit seiner Frau, und wollten von der Arbeit ein wenig ausruhen. Da kam auf einmal ein prächtiger, mit vier Rappen bespannter Wagen herbeigefahren, aus dem ein reichgekleideter Herr stieg. Der Bauer stand auf, trat zu dem Herrn und fragte was sein Verlangen wäre, und worin er ihm dienen könnte. Der Fremde reichte dem Alten die Hand, und sagte ‘ich wünsche nichts als einmal ein ländliches Gericht zu genießen. Bereitet mir Kartoffel, wie ihr sie zu essen pflegt, dann will ich mich zu euerm Tisch setzen, und sie mit Freude verzehren.’ Der Bauer lächelte, und sagte ‘ihr seid ein Graf oder Fürst, oder gar ein Herzog, vornehme Herrn haben manchmal solch ein Gelüsten; euer Wunsch soll aber erfüllt werden.’ Die Frau gieng in die Küche und sie fieng an Kartoffel zu waschen und zu reiben, und wollte Klöße daraus bereiten, wie sie die Bauern essen. Während sie bei der Arbeit stand sagte der Bauer zu dem Fremden ‘kommt einstweilen mit mir in meinen Hausgarten, wo ich noch etwas zu schaffen habe.’ In dem Garten hatte er Löcher gegraben und wollte jetzt Bäume einsetzen. ‘Habt ihr keine Kinder,’ fragte der Fremde, ‘die euch bei der Arbeit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-01T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1843/488
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1843, S. 478. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1843/488>, abgerufen am 18.12.2024.