Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1840.1. Der heilige Joseph im Walde. Es war einmal eine Mutter, die hatte drei Töchter, davon war die älteste unartig und bös, die zweite schon viel besser, obgleich sie auch ihre Fehler hatte, die jüngste aber war ein frommes gutes Kind. Die Mutter war aber so wunderlich, daß sie gerade die älteste Tochter am liebsten hatte, und die jüngste nicht leiden konnte. Daher schickte sie das arme Mädchen oft hinaus in einen großen Wald, um es sich vom Hals zu schaffen, denn sie dachte es würde sich verirren, und nimmermehr wieder kommen. Aber der Schutzengel, den jedes fromme Kind hat, verließ es nicht, sondern brachte es immer wieder auf den rechten Weg. Einmal indessen that das Schutzenglein als wenn es nicht bei der Hand wäre, und das Kind konnte sich nicht wieder aus dem Walde herausfinden. Es gieng immer fort bis es Abend wurde, da sah es in der Ferne ein Lichtchen brennen, auf das lief es zu, und kam vor eine kleine Hütte. Es klopfte an, die Thüre gieng auf, und es gelangte zu einer zweiten Thüre, da klopfte es wieder an. Ein alter Mann, der einen schneeweißen Bart hatte, und ehrwürdig aussah, machte ihm auf, und das war niemand anders als der heilige Joseph. Er sprach ganz freundlich 'komm, liebes Kind, setz dich ans Feuer auf mein Stühlchen, und wärme dich, ich will dir klar Wässerchen holen, wenn du Durst hast; zu essen 1. Der heilige Joseph im Walde. Es war einmal eine Mutter, die hatte drei Töchter, davon war die älteste unartig und bös, die zweite schon viel besser, obgleich sie auch ihre Fehler hatte, die jüngste aber war ein frommes gutes Kind. Die Mutter war aber so wunderlich, daß sie gerade die älteste Tochter am liebsten hatte, und die jüngste nicht leiden konnte. Daher schickte sie das arme Mädchen oft hinaus in einen großen Wald, um es sich vom Hals zu schaffen, denn sie dachte es würde sich verirren, und nimmermehr wieder kommen. Aber der Schutzengel, den jedes fromme Kind hat, verließ es nicht, sondern brachte es immer wieder auf den rechten Weg. Einmal indessen that das Schutzenglein als wenn es nicht bei der Hand wäre, und das Kind konnte sich nicht wieder aus dem Walde herausfinden. Es gieng immer fort bis es Abend wurde, da sah es in der Ferne ein Lichtchen brennen, auf das lief es zu, und kam vor eine kleine Hütte. Es klopfte an, die Thüre gieng auf, und es gelangte zu einer zweiten Thüre, da klopfte es wieder an. Ein alter Mann, der einen schneeweißen Bart hatte, und ehrwürdig aussah, machte ihm auf, und das war niemand anders als der heilige Joseph. Er sprach ganz freundlich ‘komm, liebes Kind, setz dich ans Feuer auf mein Stühlchen, und wärme dich, ich will dir klar Wässerchen holen, wenn du Durst hast; zu essen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0420" n="[399]"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">1.<lb/> Der heilige Joseph im Walde.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#in">E</hi>s war einmal eine Mutter, die hatte drei Töchter, davon war die älteste unartig und bös, die zweite schon viel besser, obgleich sie auch ihre Fehler hatte, die jüngste aber war ein frommes gutes Kind. Die Mutter war aber so wunderlich, daß sie gerade die älteste Tochter am liebsten hatte, und die jüngste nicht leiden konnte. Daher schickte sie das arme Mädchen oft hinaus in einen großen Wald, um es sich vom Hals zu schaffen, denn sie dachte es würde sich verirren, und nimmermehr wieder kommen. Aber der Schutzengel, den jedes fromme Kind hat, verließ es nicht, sondern brachte es immer wieder auf den rechten Weg. Einmal indessen that das Schutzenglein als wenn es nicht bei der Hand wäre, und das Kind konnte sich nicht wieder aus dem Walde herausfinden. Es gieng immer fort bis es Abend wurde, da sah es in der Ferne ein Lichtchen brennen, auf das lief es zu, und kam vor eine kleine Hütte. Es klopfte an, die Thüre gieng auf, und es gelangte zu einer zweiten Thüre, da klopfte es wieder an. Ein alter Mann, der einen schneeweißen Bart hatte, und ehrwürdig aussah, machte ihm auf, und das war niemand anders als der heilige Joseph. Er sprach ganz freundlich ‘komm, liebes Kind, setz dich ans Feuer auf mein Stühlchen, und wärme dich, ich will dir klar Wässerchen holen, wenn du Durst hast; zu essen </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[399]/0420]
1.
Der heilige Joseph im Walde.
Es war einmal eine Mutter, die hatte drei Töchter, davon war die älteste unartig und bös, die zweite schon viel besser, obgleich sie auch ihre Fehler hatte, die jüngste aber war ein frommes gutes Kind. Die Mutter war aber so wunderlich, daß sie gerade die älteste Tochter am liebsten hatte, und die jüngste nicht leiden konnte. Daher schickte sie das arme Mädchen oft hinaus in einen großen Wald, um es sich vom Hals zu schaffen, denn sie dachte es würde sich verirren, und nimmermehr wieder kommen. Aber der Schutzengel, den jedes fromme Kind hat, verließ es nicht, sondern brachte es immer wieder auf den rechten Weg. Einmal indessen that das Schutzenglein als wenn es nicht bei der Hand wäre, und das Kind konnte sich nicht wieder aus dem Walde herausfinden. Es gieng immer fort bis es Abend wurde, da sah es in der Ferne ein Lichtchen brennen, auf das lief es zu, und kam vor eine kleine Hütte. Es klopfte an, die Thüre gieng auf, und es gelangte zu einer zweiten Thüre, da klopfte es wieder an. Ein alter Mann, der einen schneeweißen Bart hatte, und ehrwürdig aussah, machte ihm auf, und das war niemand anders als der heilige Joseph. Er sprach ganz freundlich ‘komm, liebes Kind, setz dich ans Feuer auf mein Stühlchen, und wärme dich, ich will dir klar Wässerchen holen, wenn du Durst hast; zu essen
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Zitationshilfe: | Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1840, S. [399]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1840/420>, abgerufen am 22.02.2025. |