Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1840.122. Der Krautesel. Es war einmal ein junger Jäger, der hatte ein frisches und fröhliches Herz, und gieng in den Wald auf Anstand, und wie er so gieng, und auf dem Blatt pfiff kam ein altes häßliches Mütterchen daher, das redete ihn an, und sprach 'guten Tag, lieber Jäger, du bist wohl guter Dinge, aber ich leide Hunger und Durst, gib mir doch ein Almosen.' Da dauerte den Jäger das arme Mütterchen, daß er in seine Tasche griff, und ihr nach seinem Vermögen etwas reichte. Nun wollte er weiter gehen, aber die alte Frau hielt ihn an, und sprach 'hör an, lieber Jäger, was ich dir sage: für dein gutes Herz will ich dir ein Geschenk machen, geh nur immer deiner Wege, über ein Weilchen wirst du an einen Baum kommen, darauf sitzen neun Vögel, die haben einen Mantel in den Krallen, und raufen sich darum. Da leg du deine Büchse an, und schieß mitten drunter: den Mantel werden sie dir wohl fallen lassen, aber auch einer von den Vögeln wird getroffen sein, und todt herabstürzen. Den Mantel nimm mit dir, es ist ein Wunschmantel, wenn du ihn um die Schultern wirfst, brauchst du dich nur an einen Ort zu wünschen, und gedacht, vollbracht, augenblicklich bist du dort. Den todten Vogel aber schneid auf, und nimm das Herz heraus, und verschluck es ganz, dann wirst du allen und jeden Morgen früh beim Aufstehen ein Goldstück unter deinem Kopfkissen finden, und das kommt dir zu von wegen des Vogelherzens.' 122. Der Krautesel. Es war einmal ein junger Jäger, der hatte ein frisches und fröhliches Herz, und gieng in den Wald auf Anstand, und wie er so gieng, und auf dem Blatt pfiff kam ein altes häßliches Mütterchen daher, das redete ihn an, und sprach ‘guten Tag, lieber Jäger, du bist wohl guter Dinge, aber ich leide Hunger und Durst, gib mir doch ein Almosen.’ Da dauerte den Jäger das arme Mütterchen, daß er in seine Tasche griff, und ihr nach seinem Vermögen etwas reichte. Nun wollte er weiter gehen, aber die alte Frau hielt ihn an, und sprach ‘hör an, lieber Jäger, was ich dir sage: für dein gutes Herz will ich dir ein Geschenk machen, geh nur immer deiner Wege, über ein Weilchen wirst du an einen Baum kommen, darauf sitzen neun Vögel, die haben einen Mantel in den Krallen, und raufen sich darum. Da leg du deine Büchse an, und schieß mitten drunter: den Mantel werden sie dir wohl fallen lassen, aber auch einer von den Vögeln wird getroffen sein, und todt herabstürzen. Den Mantel nimm mit dir, es ist ein Wunschmantel, wenn du ihn um die Schultern wirfst, brauchst du dich nur an einen Ort zu wünschen, und gedacht, vollbracht, augenblicklich bist du dort. Den todten Vogel aber schneid auf, und nimm das Herz heraus, und verschluck es ganz, dann wirst du allen und jeden Morgen früh beim Aufstehen ein Goldstück unter deinem Kopfkissen finden, und das kommt dir zu von wegen des Vogelherzens.’ <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0212" n="191"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">122.<lb/> Der Krautesel.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#in">E</hi>s war einmal ein junger Jäger, der hatte ein frisches und fröhliches Herz, und gieng in den Wald auf Anstand, und wie er so gieng, und auf dem Blatt pfiff kam ein altes häßliches Mütterchen daher, das redete ihn an, und sprach ‘guten Tag, lieber Jäger, du bist wohl guter Dinge, aber ich leide Hunger und Durst, gib mir doch ein Almosen.’ Da dauerte den Jäger das arme Mütterchen, daß er in seine Tasche griff, und ihr nach seinem Vermögen etwas reichte. Nun wollte er weiter gehen, aber die alte Frau hielt ihn an, und sprach ‘hör an, lieber Jäger, was ich dir sage: für dein gutes Herz will ich dir ein Geschenk machen, geh nur immer deiner Wege, über ein Weilchen wirst du an einen Baum kommen, darauf sitzen neun Vögel, die haben einen Mantel in den Krallen, und raufen sich darum. Da leg du deine Büchse an, und schieß mitten drunter: den Mantel werden sie dir wohl fallen lassen, aber auch einer von den Vögeln wird getroffen sein, und todt herabstürzen. Den Mantel nimm mit dir, es ist ein Wunschmantel, wenn du ihn um die Schultern wirfst, brauchst du dich nur an einen Ort zu wünschen, und gedacht, vollbracht, augenblicklich bist du dort. Den todten Vogel aber schneid auf, und nimm das Herz heraus, und verschluck es ganz, dann wirst du allen und jeden Morgen früh beim Aufstehen ein Goldstück unter deinem Kopfkissen finden, und das kommt dir zu von wegen des Vogelherzens.’</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [191/0212]
122.
Der Krautesel.
Es war einmal ein junger Jäger, der hatte ein frisches und fröhliches Herz, und gieng in den Wald auf Anstand, und wie er so gieng, und auf dem Blatt pfiff kam ein altes häßliches Mütterchen daher, das redete ihn an, und sprach ‘guten Tag, lieber Jäger, du bist wohl guter Dinge, aber ich leide Hunger und Durst, gib mir doch ein Almosen.’ Da dauerte den Jäger das arme Mütterchen, daß er in seine Tasche griff, und ihr nach seinem Vermögen etwas reichte. Nun wollte er weiter gehen, aber die alte Frau hielt ihn an, und sprach ‘hör an, lieber Jäger, was ich dir sage: für dein gutes Herz will ich dir ein Geschenk machen, geh nur immer deiner Wege, über ein Weilchen wirst du an einen Baum kommen, darauf sitzen neun Vögel, die haben einen Mantel in den Krallen, und raufen sich darum. Da leg du deine Büchse an, und schieß mitten drunter: den Mantel werden sie dir wohl fallen lassen, aber auch einer von den Vögeln wird getroffen sein, und todt herabstürzen. Den Mantel nimm mit dir, es ist ein Wunschmantel, wenn du ihn um die Schultern wirfst, brauchst du dich nur an einen Ort zu wünschen, und gedacht, vollbracht, augenblicklich bist du dort. Den todten Vogel aber schneid auf, und nimm das Herz heraus, und verschluck es ganz, dann wirst du allen und jeden Morgen früh beim Aufstehen ein Goldstück unter deinem Kopfkissen finden, und das kommt dir zu von wegen des Vogelherzens.’
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Herzogin Anna Amalia Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-05-27T16:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |