Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.konnte, einer davon den Vorzug zu geben. Da fragte er seine Mutter um Rath, die sprach: "lad alle dreie ein und setz ihnen Käs vor und hab acht, wie sie ihn anschneiden." Das that der Jüngling, die erste aber verschlang den Käs mit der Rinde, die zweite schnitt in der Hast die Rinde vom Käs ab, weil sie aber so hastig war, ließ sie noch viel Gutes daran und warf das mit weg; die dritte schälte ordentlich die Rinde ab, nicht zu viel und nicht zu wenig. Der Hirt erzählte das alles seiner Mutter, da sprach sie: "nimm die dritte zu deiner Frau." Das that er und lebte zufrieden und glücklich mit ihr. 156.
Die Schlickerlinge. Es war einmal ein Mädchen, das war schön, aber faul und nachlässig. Wenn es spinnen sollte, so war es so verdrießlich, daß wenn ein kleiner Knoten im Flachs war, es gleich einen ganzen Haufen mit herausriß und neben sich zur Erde schlickerte. Nun hatte es ein Dienstmädchen, das war arbeitsam, suchte den weggeworfenen Flachs zusammen, reinigte ihn, spann ihn fein und ließ sich ein hübsches Kleid daraus weben. Als nun das faule Mädchen eine Braut war und die Hochzeit sollte gehalten werden, tanzte das fleißige in seinem schönen Kleide lustig herum, da sprach die Braut: "ach wat kann dat Mäken springen
in minen Slickerlingen!" konnte, einer davon den Vorzug zu geben. Da fragte er seine Mutter um Rath, die sprach: „lad alle dreie ein und setz ihnen Kaͤs vor und hab acht, wie sie ihn anschneiden.“ Das that der Juͤngling, die erste aber verschlang den Kaͤs mit der Rinde, die zweite schnitt in der Hast die Rinde vom Kaͤs ab, weil sie aber so hastig war, ließ sie noch viel Gutes daran und warf das mit weg; die dritte schaͤlte ordentlich die Rinde ab, nicht zu viel und nicht zu wenig. Der Hirt erzaͤhlte das alles seiner Mutter, da sprach sie: „nimm die dritte zu deiner Frau.“ Das that er und lebte zufrieden und gluͤcklich mit ihr. 156.
Die Schlickerlinge. Es war einmal ein Maͤdchen, das war schoͤn, aber faul und nachlaͤssig. Wenn es spinnen sollte, so war es so verdrießlich, daß wenn ein kleiner Knoten im Flachs war, es gleich einen ganzen Haufen mit herausriß und neben sich zur Erde schlickerte. Nun hatte es ein Dienstmaͤdchen, das war arbeitsam, suchte den weggeworfenen Flachs zusammen, reinigte ihn, spann ihn fein und ließ sich ein huͤbsches Kleid daraus weben. Als nun das faule Maͤdchen eine Braut war und die Hochzeit sollte gehalten werden, tanzte das fleißige in seinem schoͤnen Kleide lustig herum, da sprach die Braut: „ach wat kann dat Maͤken springen
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konnte, einer davon den Vorzug zu geben. Da fragte er seine Mutter um Rath, die sprach: „lad alle dreie ein und setz ihnen Kaͤs vor und hab acht, wie sie ihn anschneiden.“ Das that der Juͤngling, die erste aber verschlang den Kaͤs mit der Rinde, die zweite schnitt in der Hast die Rinde vom Kaͤs ab, weil sie aber so hastig war, ließ sie noch viel Gutes daran und warf das mit weg; die dritte schaͤlte ordentlich die Rinde ab, nicht zu viel und nicht zu wenig. Der Hirt erzaͤhlte das alles seiner Mutter, da sprach sie: „nimm die dritte zu deiner Frau.“ Das that er und lebte zufrieden und gluͤcklich mit ihr.
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Die Schlickerlinge.
Es war einmal ein Maͤdchen, das war schoͤn, aber faul und nachlaͤssig. Wenn es spinnen sollte, so war es so verdrießlich, daß wenn ein kleiner Knoten im Flachs war, es gleich einen ganzen Haufen mit herausriß und neben sich zur Erde schlickerte. Nun hatte es ein Dienstmaͤdchen, das war arbeitsam, suchte den weggeworfenen Flachs zusammen, reinigte ihn, spann ihn fein und ließ sich ein huͤbsches Kleid daraus weben. Als nun das faule Maͤdchen eine Braut war und die Hochzeit sollte gehalten werden, tanzte das fleißige in seinem schoͤnen Kleide lustig herum, da sprach die Braut:
„ach wat kann dat Maͤken springen
in minen Slickerlingen!“
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Zitationshilfe: | Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/357>, abgerufen am 22.02.2025. |