Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.der hat eine Stunde in die Höhe, eine Stunde in die Breite und eine Stunde in die Tiefe; dahin kommt alle hundert Jahr ein Vögelein und wetzt sein Schnäblein daran, und wenn der ganze Berg abgewetzt ist, dann ist die erste Secunde der Ewigkeit vorbei." Sprach der König: "du hast die drei Fragen aufgelöst, wie ein Weiser und sollst fortan bei mir in meinem königlichen Schlosse wohnen und ich will dich ansehen, wie mein eigenes Kind." 153.
Die Sternthaler. Es war einmal ein kleines Mädchen, dem war Vater und Mutter gestorben, und es war so arm, daß es kein Kämmerchen mehr hatte darin zu wohnen, und kein Bettchen mehr, darin zu schlafen, und gar nichts mehr, als die Kleider, die es auf dem Leib trug und ein Stückchen Brot, das es in der Hand hielt und das ihm ein mitleidiges Herz noch geschenkt hatte. Es war aber gar gut und fromm. Und weil es so von aller Welt verlassen war, ging es im Vertrauen auf den lieben Gott hinaus ins Feld, da begegnete ihm ein armer Mann, der sprach: "ach, gib mir doch etwas zu essen, ich bin so hungerig." Es reichte ihm das ganze Stückchen Brot und sagte: "Gott segne dirs!" und ging weiter; da kam ein Kind, das jammerte und sprach: "es friert mich so an meinem Kopf, schenk mir doch etwas, womit ich ihn bedecken kann!" Da that es seine Mütze ab und gab sie ihm. der hat eine Stunde in die Hoͤhe, eine Stunde in die Breite und eine Stunde in die Tiefe; dahin kommt alle hundert Jahr ein Voͤgelein und wetzt sein Schnaͤblein daran, und wenn der ganze Berg abgewetzt ist, dann ist die erste Secunde der Ewigkeit vorbei.“ Sprach der Koͤnig: „du hast die drei Fragen aufgeloͤst, wie ein Weiser und sollst fortan bei mir in meinem koͤniglichen Schlosse wohnen und ich will dich ansehen, wie mein eigenes Kind.“ 153.
Die Sternthaler. Es war einmal ein kleines Maͤdchen, dem war Vater und Mutter gestorben, und es war so arm, daß es kein Kaͤmmerchen mehr hatte darin zu wohnen, und kein Bettchen mehr, darin zu schlafen, und gar nichts mehr, als die Kleider, die es auf dem Leib trug und ein Stuͤckchen Brot, das es in der Hand hielt und das ihm ein mitleidiges Herz noch geschenkt hatte. Es war aber gar gut und fromm. Und weil es so von aller Welt verlassen war, ging es im Vertrauen auf den lieben Gott hinaus ins Feld, da begegnete ihm ein armer Mann, der sprach: „ach, gib mir doch etwas zu essen, ich bin so hungerig.“ Es reichte ihm das ganze Stuͤckchen Brot und sagte: „Gott segne dirs!“ und ging weiter; da kam ein Kind, das jammerte und sprach: „es friert mich so an meinem Kopf, schenk mir doch etwas, womit ich ihn bedecken kann!“ Da that es seine Muͤtze ab und gab sie ihm. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0354" n="276"/> der hat eine Stunde in die Hoͤhe, eine Stunde in die Breite und eine Stunde in die Tiefe; dahin kommt alle hundert Jahr ein Voͤgelein und wetzt sein Schnaͤblein daran, und wenn der ganze Berg abgewetzt ist, dann ist die erste Secunde der Ewigkeit vorbei.“</p><lb/> <p>Sprach der Koͤnig: „du hast die drei Fragen aufgeloͤst, wie ein Weiser und sollst fortan bei mir in meinem koͤniglichen Schlosse wohnen und ich will dich ansehen, wie mein eigenes Kind.“</p> </div><lb/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">153.<lb/> Die Sternthaler.</hi> </head><lb/> <p>Es war einmal ein kleines Maͤdchen, dem war Vater und Mutter gestorben, und es war so arm, daß es kein Kaͤmmerchen mehr hatte darin zu wohnen, und kein Bettchen mehr, darin zu schlafen, und gar nichts mehr, als die Kleider, die es auf dem Leib trug und ein Stuͤckchen Brot, das es in der Hand hielt und das ihm ein mitleidiges Herz noch geschenkt hatte. Es war aber gar gut und fromm. Und weil es so von aller Welt verlassen war, ging es im Vertrauen auf den lieben Gott hinaus ins Feld, da begegnete ihm ein armer Mann, der sprach: „ach, gib mir doch etwas zu essen, ich bin so hungerig.“ Es reichte ihm das ganze Stuͤckchen Brot und sagte: „Gott segne dirs!“ und ging weiter; da kam ein Kind, das jammerte und sprach: „es friert mich so an meinem Kopf, schenk mir doch etwas, womit ich ihn bedecken kann!“ Da that es seine Muͤtze ab und gab sie ihm. </p> </div> </body> </text> </TEI> [276/0354]
der hat eine Stunde in die Hoͤhe, eine Stunde in die Breite und eine Stunde in die Tiefe; dahin kommt alle hundert Jahr ein Voͤgelein und wetzt sein Schnaͤblein daran, und wenn der ganze Berg abgewetzt ist, dann ist die erste Secunde der Ewigkeit vorbei.“
Sprach der Koͤnig: „du hast die drei Fragen aufgeloͤst, wie ein Weiser und sollst fortan bei mir in meinem koͤniglichen Schlosse wohnen und ich will dich ansehen, wie mein eigenes Kind.“
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Die Sternthaler.
Es war einmal ein kleines Maͤdchen, dem war Vater und Mutter gestorben, und es war so arm, daß es kein Kaͤmmerchen mehr hatte darin zu wohnen, und kein Bettchen mehr, darin zu schlafen, und gar nichts mehr, als die Kleider, die es auf dem Leib trug und ein Stuͤckchen Brot, das es in der Hand hielt und das ihm ein mitleidiges Herz noch geschenkt hatte. Es war aber gar gut und fromm. Und weil es so von aller Welt verlassen war, ging es im Vertrauen auf den lieben Gott hinaus ins Feld, da begegnete ihm ein armer Mann, der sprach: „ach, gib mir doch etwas zu essen, ich bin so hungerig.“ Es reichte ihm das ganze Stuͤckchen Brot und sagte: „Gott segne dirs!“ und ging weiter; da kam ein Kind, das jammerte und sprach: „es friert mich so an meinem Kopf, schenk mir doch etwas, womit ich ihn bedecken kann!“ Da that es seine Muͤtze ab und gab sie ihm.
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Zitationshilfe: | Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/354>, abgerufen am 27.07.2024. |