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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.

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110.
Der Jude im Dorn.

Ein Bauer hatte einen gar getreuen und fleißigen Knecht, der diente ihm schon drei Jahre, ohne daß er ihm seinen Lohn bezahlt hatte. Da fiel es ihm endlich bei, daß er doch nicht ganz umsonst arbeiten wollte, ging vor seinen Herrn und sprach: "ich habe euch unverdrossen und redlich gedient die lange Zeit, darum so vertraue ich zu euch, daß ihr mir nun geben wollet, was mir von Gottes Recht gebührt." Der Bauer aber war ein Filz und wußte, daß der Knecht ein einfältiges Gemüth hatte, nahm drei Pfennige und gab sie ihm, für jedes Jahr einen Pfennig, damit wäre er bezahlt. Und der Knecht meinte ein großes Gut in Händen zu haben, dachte: "was willst du dir's länger sauer werden lassen, du kannst dich nun pflegen und in der Welt frei lustig machen." Steckte sein großes Geld in den Sack und wanderte fröhlich über Berg und Thal.

Wie er auf ein Feld kam singend und springend, erschien ihm ein kleines Männlein, das fragte ihn seiner Lustigkeit wegen. "Ei! was sollt' ich trauern, gesund bin ich, und Geldes hab' ich grausam viel, brauche nichts zu sorgen; was ich in drei Jahren bei meinem Herrn erdient, das hab' ich gespart und ist all' mein." " Wie viel ist denn deines Guts?" sprach das Männlein. Drei ganzer Pfennig, sagte der Knecht. "Schenk' mir deine drei Pfennige, ich bin ein armer Mann." Der Knecht war aber gutmüthig, erbarmte sich und gab sie hin. Sprach der Mann: "weil

110.
Der Jude im Dorn.

Ein Bauer hatte einen gar getreuen und fleißigen Knecht, der diente ihm schon drei Jahre, ohne daß er ihm seinen Lohn bezahlt hatte. Da fiel es ihm endlich bei, daß er doch nicht ganz umsonst arbeiten wollte, ging vor seinen Herrn und sprach: „ich habe euch unverdrossen und redlich gedient die lange Zeit, darum so vertraue ich zu euch, daß ihr mir nun geben wollet, was mir von Gottes Recht gebuͤhrt.“ Der Bauer aber war ein Filz und wußte, daß der Knecht ein einfaͤltiges Gemuͤth hatte, nahm drei Pfennige und gab sie ihm, fuͤr jedes Jahr einen Pfennig, damit waͤre er bezahlt. Und der Knecht meinte ein großes Gut in Haͤnden zu haben, dachte: „was willst du dir’s laͤnger sauer werden lassen, du kannst dich nun pflegen und in der Welt frei lustig machen.“ Steckte sein großes Geld in den Sack und wanderte froͤhlich uͤber Berg und Thal.

Wie er auf ein Feld kam singend und springend, erschien ihm ein kleines Maͤnnlein, das fragte ihn seiner Lustigkeit wegen. „Ei! was sollt’ ich trauern, gesund bin ich, und Geldes hab’ ich grausam viel, brauche nichts zu sorgen; was ich in drei Jahren bei meinem Herrn erdient, das hab’ ich gespart und ist all’ mein.“ „ Wie viel ist denn deines Guts?“ sprach das Maͤnnlein. Drei ganzer Pfennig, sagte der Knecht. „Schenk’ mir deine drei Pfennige, ich bin ein armer Mann.“ Der Knecht war aber gutmuͤthig, erbarmte sich und gab sie hin. Sprach der Mann: „weil

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[119/0197] 110. Der Jude im Dorn. Ein Bauer hatte einen gar getreuen und fleißigen Knecht, der diente ihm schon drei Jahre, ohne daß er ihm seinen Lohn bezahlt hatte. Da fiel es ihm endlich bei, daß er doch nicht ganz umsonst arbeiten wollte, ging vor seinen Herrn und sprach: „ich habe euch unverdrossen und redlich gedient die lange Zeit, darum so vertraue ich zu euch, daß ihr mir nun geben wollet, was mir von Gottes Recht gebuͤhrt.“ Der Bauer aber war ein Filz und wußte, daß der Knecht ein einfaͤltiges Gemuͤth hatte, nahm drei Pfennige und gab sie ihm, fuͤr jedes Jahr einen Pfennig, damit waͤre er bezahlt. Und der Knecht meinte ein großes Gut in Haͤnden zu haben, dachte: „was willst du dir’s laͤnger sauer werden lassen, du kannst dich nun pflegen und in der Welt frei lustig machen.“ Steckte sein großes Geld in den Sack und wanderte froͤhlich uͤber Berg und Thal. Wie er auf ein Feld kam singend und springend, erschien ihm ein kleines Maͤnnlein, das fragte ihn seiner Lustigkeit wegen. „Ei! was sollt’ ich trauern, gesund bin ich, und Geldes hab’ ich grausam viel, brauche nichts zu sorgen; was ich in drei Jahren bei meinem Herrn erdient, das hab’ ich gespart und ist all’ mein.“ „ Wie viel ist denn deines Guts?“ sprach das Maͤnnlein. Drei ganzer Pfennig, sagte der Knecht. „Schenk’ mir deine drei Pfennige, ich bin ein armer Mann.“ Der Knecht war aber gutmuͤthig, erbarmte sich und gab sie hin. Sprach der Mann: „weil

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Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12546-6) in Bd. 2, S. 305–308 ein Wörterverzeichnis mit Begriffserläuterungen.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/197>, abgerufen am 21.11.2024.