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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

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Die Federn und die Blutstropfen, die
fallen, erinnern an den Volksglauben von den Fe-
der-Nelken
, deren eine Gattung im Herzen einen
dunkeln Purpurflecken hat: das, sagt man, sey ein
Tropfen Blut, welchen der Heiland vom Kreuz
habe hineinfallen lassen. Ferner: die Federn sollten
den Weg weisen, der Blutstropfen wohl die Gedan-
ken an den Verzauberten stets erhalten, der gleich-
sam abwesend war, und so führt es zu der Sage von
den Blutstropfen, über welche Parcifal nachsinnt
und die ihm seine Frau ins Gedächtniß rufen. S.
altd. Wälder I.

3.
Das Gänsmädchen.

(Aus Zwehrn.) Dies schöne Märchen stellt die
Hoheit der selbst in Knechts-Gestalt aufrecht stehen-
den königlichen Geburt mit desto tiefern Zügen vor,
je einfacher sie sind. Was ihr die Mutter zum Schutz
mitgab (aus den Blutstropfen sprechen auch sonst noch
Stimmen s. der liebste Roland I. 56. Vgl. auch Cl.
Brentano's Gründung Prags. S. 106. und Anmerk.
45.) hat sie unschuldig verloren und der gezwungene Eid
drückt sie nieder, aber noch weiß sie wind-bannende Zau-
bersprüche und mit stolz-demüthigen Gedanken wird sie
jeden Morgen unter dem finstern Thor durch das Ge-
spräch mit dem auch im Tod treu bleibenden Pferde
erfüllt! Redende, kluge Rosse kommen sonst noch vor
(vgl. Ferenand getrü nr. 40.) in dem abgehauenen
Kopf (wie in Mimir's) wohnt die Sprache fort. Es
ist merkwürdig, daß die alten Norden von geopfer-
ten Pferden die Häupter aufzustecken pflegten, wo-
mit man den Feinden schaden zu können glaubte
(Saxo Gramm. L. V. p. 75. Vgl. Suhms Fabel-
zeit. I. 317.); wie man Menschenköpfe auf Zinnen
steckte. Ein Todtenkopf der singt, in der Eyrbiggia
Sage 219. Ausgebreitet ist der Zug von den golde-
nen und silbernen Haaren der Schönheit und ein Zei-
chen königlicher Abkunft (vgl. Nr. 28.), so auch das
Kämmen derselben, wie sich die Sonne gleichsam
beim Scheinen strählt. Die unglücklichen Königstöch-
ter kämmen und spinnen eben so häufig, als sie Vieh
hüten.

Die Federn und die Blutstropfen, die
fallen, erinnern an den Volksglauben von den Fe-
der-Nelken
, deren eine Gattung im Herzen einen
dunkeln Purpurflecken hat: das, ſagt man, ſey ein
Tropfen Blut, welchen der Heiland vom Kreuz
habe hineinfallen laſſen. Ferner: die Federn ſollten
den Weg weiſen, der Blutstropfen wohl die Gedan-
ken an den Verzauberten ſtets erhalten, der gleich-
ſam abweſend war, und ſo fuͤhrt es zu der Sage von
den Blutstropfen, uͤber welche Parcifal nachſinnt
und die ihm ſeine Frau ins Gedaͤchtniß rufen. S.
altd. Waͤlder I.

3.
Das Gaͤnsmaͤdchen.

(Aus Zwehrn.) Dies ſchoͤne Maͤrchen ſtellt die
Hoheit der ſelbſt in Knechts-Geſtalt aufrecht ſtehen-
den koͤniglichen Geburt mit deſto tiefern Zuͤgen vor,
je einfacher ſie ſind. Was ihr die Mutter zum Schutz
mitgab (aus den Blutstropfen ſprechen auch ſonſt noch
Stimmen ſ. der liebſte Roland I. 56. Vgl. auch Cl.
Brentano’s Gruͤndung Prags. S. 106. und Anmerk.
45.) hat ſie unſchuldig verloren und der gezwungene Eid
druͤckt ſie nieder, aber noch weiß ſie wind-bannende Zau-
berſpruͤche und mit ſtolz-demuͤthigen Gedanken wird ſie
jeden Morgen unter dem finſtern Thor durch das Ge-
ſpraͤch mit dem auch im Tod treu bleibenden Pferde
erfuͤllt! Redende, kluge Roſſe kommen ſonſt noch vor
(vgl. Ferenand getruͤ nr. 40.) in dem abgehauenen
Kopf (wie in Mimir’s) wohnt die Sprache fort. Es
iſt merkwuͤrdig, daß die alten Norden von geopfer-
ten Pferden die Haͤupter aufzuſtecken pflegten, wo-
mit man den Feinden ſchaden zu koͤnnen glaubte
(Saxo Gramm. L. V. p. 75. Vgl. Suhms Fabel-
zeit. I. 317.); wie man Menſchenkoͤpfe auf Zinnen
ſteckte. Ein Todtenkopf der ſingt, in der Eyrbiggia
Sage 219. Ausgebreitet iſt der Zug von den golde-
nen und ſilbernen Haaren der Schoͤnheit und ein Zei-
chen koͤniglicher Abkunft (vgl. Nr. 28.), ſo auch das
Kaͤmmen derſelben, wie ſich die Sonne gleichſam
beim Scheinen ſtraͤhlt. Die ungluͤcklichen Koͤnigstoͤch-
ter kaͤmmen und ſpinnen eben ſo haͤufig, als ſie Vieh
huͤten.

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[V/0324] Die Federn und die Blutstropfen, die fallen, erinnern an den Volksglauben von den Fe- der-Nelken, deren eine Gattung im Herzen einen dunkeln Purpurflecken hat: das, ſagt man, ſey ein Tropfen Blut, welchen der Heiland vom Kreuz habe hineinfallen laſſen. Ferner: die Federn ſollten den Weg weiſen, der Blutstropfen wohl die Gedan- ken an den Verzauberten ſtets erhalten, der gleich- ſam abweſend war, und ſo fuͤhrt es zu der Sage von den Blutstropfen, uͤber welche Parcifal nachſinnt und die ihm ſeine Frau ins Gedaͤchtniß rufen. S. altd. Waͤlder I. 3. Das Gaͤnsmaͤdchen. (Aus Zwehrn.) Dies ſchoͤne Maͤrchen ſtellt die Hoheit der ſelbſt in Knechts-Geſtalt aufrecht ſtehen- den koͤniglichen Geburt mit deſto tiefern Zuͤgen vor, je einfacher ſie ſind. Was ihr die Mutter zum Schutz mitgab (aus den Blutstropfen ſprechen auch ſonſt noch Stimmen ſ. der liebſte Roland I. 56. Vgl. auch Cl. Brentano’s Gruͤndung Prags. S. 106. und Anmerk. 45.) hat ſie unſchuldig verloren und der gezwungene Eid druͤckt ſie nieder, aber noch weiß ſie wind-bannende Zau- berſpruͤche und mit ſtolz-demuͤthigen Gedanken wird ſie jeden Morgen unter dem finſtern Thor durch das Ge- ſpraͤch mit dem auch im Tod treu bleibenden Pferde erfuͤllt! Redende, kluge Roſſe kommen ſonſt noch vor (vgl. Ferenand getruͤ nr. 40.) in dem abgehauenen Kopf (wie in Mimir’s) wohnt die Sprache fort. Es iſt merkwuͤrdig, daß die alten Norden von geopfer- ten Pferden die Haͤupter aufzuſtecken pflegten, wo- mit man den Feinden ſchaden zu koͤnnen glaubte (Saxo Gramm. L. V. p. 75. Vgl. Suhms Fabel- zeit. I. 317.); wie man Menſchenkoͤpfe auf Zinnen ſteckte. Ein Todtenkopf der ſingt, in der Eyrbiggia Sage 219. Ausgebreitet iſt der Zug von den golde- nen und ſilbernen Haaren der Schoͤnheit und ein Zei- chen koͤniglicher Abkunft (vgl. Nr. 28.), ſo auch das Kaͤmmen derſelben, wie ſich die Sonne gleichſam beim Scheinen ſtraͤhlt. Die ungluͤcklichen Koͤnigstoͤch- ter kaͤmmen und ſpinnen eben ſo haͤufig, als ſie Vieh huͤten.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. V. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/324>, abgerufen am 18.11.2024.