wieder weg, und wenn sie jemand wegthun wollte, sah sie ihn giftig an, als wollt' sie ihm in's An- gesicht springen, so daß keiner sie anzurühren ge- traute. Und die Kröte mußte der undankbare Sohn alle Tage füttern, sonst fraß sie ihm aus seinem Angesicht, und also ging er in der Welt hin und her.
60. Die Rübe.
Es waren einmal zwei Brüder, die lebten beide im Soldatenstand, und war der eine reich, der andere arm. Da wollte der arme sich aus seiner Noth helfen, zog den Soldatenrock aus, und ward ein Bauer. Also grub und hackte er sein Stückchen Acker und säte Rübsamen. Der Same ging auf und es wuchs da eine Rübe, die ward groß und stark, und zusehends dicker, und wollte gar nicht aufhören zu wachsen, so daß sie eine Fürstin aller Rüben heißen konnte, denn nimmer war so eine gesehen, und wird auch nim- mer wieder gesehen werden. Zuletzt war sie so groß, daß sie allein einen ganzen Wage[ - 1 Zeichen fehlt] anfüllte, und zwei Ochsen daran ziehen mußten, und der Bauer wußte nicht was er damit anfangen sollte, und ob's sein Glück oder sein Unglück wäre. End- lich dachte er, verkaufst du sie, was wirst du gro- ßes dafür bekommen, und willst du sie selber
wieder weg, und wenn ſie jemand wegthun wollte, ſah ſie ihn giftig an, als wollt’ ſie ihm in’s An- geſicht ſpringen, ſo daß keiner ſie anzuruͤhren ge- traute. Und die Kroͤte mußte der undankbare Sohn alle Tage fuͤttern, ſonſt fraß ſie ihm aus ſeinem Angeſicht, und alſo ging er in der Welt hin und her.
60. Die Ruͤbe.
Es waren einmal zwei Bruͤder, die lebten beide im Soldatenſtand, und war der eine reich, der andere arm. Da wollte der arme ſich aus ſeiner Noth helfen, zog den Soldatenrock aus, und ward ein Bauer. Alſo grub und hackte er ſein Stuͤckchen Acker und ſaͤte Ruͤbſamen. Der Same ging auf und es wuchs da eine Ruͤbe, die ward groß und ſtark, und zuſehends dicker, und wollte gar nicht aufhoͤren zu wachſen, ſo daß ſie eine Fuͤrſtin aller Ruͤben heißen konnte, denn nimmer war ſo eine geſehen, und wird auch nim- mer wieder geſehen werden. Zuletzt war ſie ſo groß, daß ſie allein einen ganzen Wage[ – 1 Zeichen fehlt] anfuͤllte, und zwei Ochſen daran ziehen mußten, und der Bauer wußte nicht was er damit anfangen ſollte, und ob’s ſein Gluͤck oder ſein Ungluͤck waͤre. End- lich dachte er, verkaufſt du ſie, was wirſt du gro- ßes dafuͤr bekommen, und willſt du ſie ſelber
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0303"n="282"/>
wieder weg, und wenn ſie jemand wegthun wollte,<lb/>ſah ſie ihn giftig an, als wollt’ſie ihm in’s An-<lb/>
geſicht ſpringen, ſo daß keiner ſie anzuruͤhren ge-<lb/>
traute. Und die Kroͤte mußte der undankbare<lb/>
Sohn alle Tage fuͤttern, ſonſt fraß ſie ihm aus<lb/>ſeinem Angeſicht, und alſo ging er in der Welt<lb/>
hin und her.</p></div><lb/><divn="1"><head>60.<lb/><hirendition="#g">Die Ruͤbe</hi>.</head><lb/><p>Es waren einmal zwei Bruͤder, die lebten<lb/>
beide im Soldatenſtand, und war der eine reich,<lb/>
der andere arm. Da wollte der arme ſich aus<lb/>ſeiner Noth helfen, zog den Soldatenrock aus,<lb/>
und ward ein Bauer. Alſo grub und hackte er<lb/>ſein Stuͤckchen Acker und ſaͤte Ruͤbſamen. Der<lb/>
Same ging auf und es wuchs da eine Ruͤbe, die<lb/>
ward groß und ſtark, und zuſehends dicker, und<lb/>
wollte gar nicht aufhoͤren zu wachſen, ſo daß ſie<lb/>
eine Fuͤrſtin aller Ruͤben heißen konnte, denn<lb/>
nimmer war ſo eine geſehen, und wird auch nim-<lb/>
mer wieder geſehen werden. Zuletzt war ſie ſo<lb/>
groß, daß ſie allein einen ganzen Wage<gapunit="chars"quantity="1"/> anfuͤllte,<lb/>
und zwei Ochſen daran ziehen mußten, und der<lb/>
Bauer wußte nicht was er damit anfangen ſollte,<lb/>
und ob’s ſein Gluͤck oder ſein Ungluͤck waͤre. End-<lb/>
lich dachte er, verkaufſt du ſie, was wirſt du gro-<lb/>
ßes dafuͤr bekommen, und willſt du ſie ſelber<lb/></p></div></body></text></TEI>
[282/0303]
wieder weg, und wenn ſie jemand wegthun wollte,
ſah ſie ihn giftig an, als wollt’ ſie ihm in’s An-
geſicht ſpringen, ſo daß keiner ſie anzuruͤhren ge-
traute. Und die Kroͤte mußte der undankbare
Sohn alle Tage fuͤttern, ſonſt fraß ſie ihm aus
ſeinem Angeſicht, und alſo ging er in der Welt
hin und her.
60.
Die Ruͤbe.
Es waren einmal zwei Bruͤder, die lebten
beide im Soldatenſtand, und war der eine reich,
der andere arm. Da wollte der arme ſich aus
ſeiner Noth helfen, zog den Soldatenrock aus,
und ward ein Bauer. Alſo grub und hackte er
ſein Stuͤckchen Acker und ſaͤte Ruͤbſamen. Der
Same ging auf und es wuchs da eine Ruͤbe, die
ward groß und ſtark, und zuſehends dicker, und
wollte gar nicht aufhoͤren zu wachſen, ſo daß ſie
eine Fuͤrſtin aller Ruͤben heißen konnte, denn
nimmer war ſo eine geſehen, und wird auch nim-
mer wieder geſehen werden. Zuletzt war ſie ſo
groß, daß ſie allein einen ganzen Wage_ anfuͤllte,
und zwei Ochſen daran ziehen mußten, und der
Bauer wußte nicht was er damit anfangen ſollte,
und ob’s ſein Gluͤck oder ſein Ungluͤck waͤre. End-
lich dachte er, verkaufſt du ſie, was wirſt du gro-
ßes dafuͤr bekommen, und willſt du ſie ſelber
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/303>, abgerufen am 18.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.