kroch der Bär in der größten Angst hin und that Abbitte, und darauf setzten sich die jungen Zaun- könige zusammen und aßen und tranken und mach- ten sich lustig bis in die späte Nacht hinein.
17. Vom süßen Brei.
Es war einmal ein armes, frommes Mädchen, das lebte mit seiner Mutter allein und sie hatten nichts mehr zu essen. Da ging das Kind hinaus in den Wald und begegnete ihm darin eine alte Frau, die wußte seinen Jammer schon und schenkte ihm ein Töpfchen, zu dem sollt' es sagen: "Töpf- chen koch!" so kochte es guten, süßen Hirschen- brei, und wenn es sagte: "Töpfchen steh," so hörte es wieder auf zu kochen. Das Mädchen brachte den Topf seiner Mutter heim und nun waren sie ihrer Armuth und ihres Hungers ledig und aßen süßen Brei, so oft sie wollten. Auf eine Zeit war das Mädchen ausgegangen, da sprach die Mutter: "Töpfchen koch!" da kocht es und sie ißt sich satt; nun will sie, daß das Töpfchen wieder aufhören soll, aber sie weiß das Wort nicht. Also kocht es fort und der Brei steigt über den Rand heraus, und kocht immer zu, die Küche und das ganze Haus voll, und das zweite Haus und dann die Straße, als wollt's die ganze
kroch der Baͤr in der groͤßten Angſt hin und that Abbitte, und darauf ſetzten ſich die jungen Zaun- koͤnige zuſammen und aßen und tranken und mach- ten ſich luſtig bis in die ſpaͤte Nacht hinein.
17. Vom ſuͤßen Brei.
Es war einmal ein armes, frommes Maͤdchen, das lebte mit ſeiner Mutter allein und ſie hatten nichts mehr zu eſſen. Da ging das Kind hinaus in den Wald und begegnete ihm darin eine alte Frau, die wußte ſeinen Jammer ſchon und ſchenkte ihm ein Toͤpfchen, zu dem ſollt’ es ſagen: „Toͤpf- chen koch!“ ſo kochte es guten, ſuͤßen Hirſchen- brei, und wenn es ſagte: „Toͤpfchen ſteh,“ ſo hoͤrte es wieder auf zu kochen. Das Maͤdchen brachte den Topf ſeiner Mutter heim und nun waren ſie ihrer Armuth und ihres Hungers ledig und aßen ſuͤßen Brei, ſo oft ſie wollten. Auf eine Zeit war das Maͤdchen ausgegangen, da ſprach die Mutter: „Toͤpfchen koch!“ da kocht es und ſie ißt ſich ſatt; nun will ſie, daß das Toͤpfchen wieder aufhoͤren ſoll, aber ſie weiß das Wort nicht. Alſo kocht es fort und der Brei ſteigt uͤber den Rand heraus, und kocht immer zu, die Kuͤche und das ganze Haus voll, und das zweite Haus und dann die Straße, als wollt’s die ganze
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kroch der Baͤr in der groͤßten Angſt hin und that
Abbitte, und darauf ſetzten ſich die jungen Zaun-
koͤnige zuſammen und aßen und tranken und mach-
ten ſich luſtig bis in die ſpaͤte Nacht hinein.
17.
Vom ſuͤßen Brei.
Es war einmal ein armes, frommes Maͤdchen,
das lebte mit ſeiner Mutter allein und ſie hatten
nichts mehr zu eſſen. Da ging das Kind hinaus
in den Wald und begegnete ihm darin eine alte
Frau, die wußte ſeinen Jammer ſchon und ſchenkte
ihm ein Toͤpfchen, zu dem ſollt’ es ſagen: „Toͤpf-
chen koch!“ ſo kochte es guten, ſuͤßen Hirſchen-
brei, und wenn es ſagte: „Toͤpfchen ſteh,“ ſo
hoͤrte es wieder auf zu kochen. Das Maͤdchen
brachte den Topf ſeiner Mutter heim und nun
waren ſie ihrer Armuth und ihres Hungers ledig
und aßen ſuͤßen Brei, ſo oft ſie wollten. Auf
eine Zeit war das Maͤdchen ausgegangen, da
ſprach die Mutter: „Toͤpfchen koch!“ da kocht
es und ſie ißt ſich ſatt; nun will ſie, daß das
Toͤpfchen wieder aufhoͤren ſoll, aber ſie weiß das
Wort nicht. Alſo kocht es fort und der Brei ſteigt
uͤber den Rand heraus, und kocht immer zu, die
Kuͤche und das ganze Haus voll, und das zweite
Haus und dann die Straße, als wollt’s die ganze
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/128>, abgerufen am 18.11.2024.
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