Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843.46. Fitchers Vogel. Es war einmal ein Hexenmeister, der nahm die Gestalt eines armen Mannes an, gieng vor die Häuser und bettelte, und fieng die schönen Mädchen. Kein Mensch wußte wo er sie hinbrachte, denn sie kamen nimmer mehr wieder zum Vorschein. Nun trat er auch einmal vor die Thüre eines Mannes, der drei schöne Töchter hatte, erschien als ein armer, schwacher Bettler, und trug eine Kötze auf dem Rücken, als wollte er milde Gaben darin sammeln. Er bat um ein bischen Essen, und als die älteste herauskam, und ihm ein Stück Brot reichen wollte, rührte er sie nur an, und alsbald mußte sie in seine Kötze springen. Dann eilte er mit starken Schritten fort, und durch einen finstern Wald in sein Haus, wo alles prächtig war. Da gab er ihr, was sie nur wünschte, und sprach 'es wird dir wohlgefallen bei mir, denn du hast alles, was dein Herz begehrt.' Das dauerte ein paar Tage, da sagte er 'ich muß fortreisen und dich eine kurze Zeit allein lassen, da sind die Hausschlüssel, du kannst überall umhergehen, und alles sehen, nur nicht in eine Stube, die dieser kleine Schlüssel aufschließt, das verbiet ich dir bei Lebensstrafe.' Auch gab er ihr ein Ei, und sprach 'das verwahre mir sorgfältig, und trag es lieber beständig bei 46. Fitchers Vogel. Es war einmal ein Hexenmeister, der nahm die Gestalt eines armen Mannes an, gieng vor die Häuser und bettelte, und fieng die schönen Mädchen. Kein Mensch wußte wo er sie hinbrachte, denn sie kamen nimmer mehr wieder zum Vorschein. Nun trat er auch einmal vor die Thüre eines Mannes, der drei schöne Töchter hatte, erschien als ein armer, schwacher Bettler, und trug eine Kötze auf dem Rücken, als wollte er milde Gaben darin sammeln. Er bat um ein bischen Essen, und als die älteste herauskam, und ihm ein Stück Brot reichen wollte, rührte er sie nur an, und alsbald mußte sie in seine Kötze springen. Dann eilte er mit starken Schritten fort, und durch einen finstern Wald in sein Haus, wo alles prächtig war. Da gab er ihr, was sie nur wünschte, und sprach ‘es wird dir wohlgefallen bei mir, denn du hast alles, was dein Herz begehrt.’ Das dauerte ein paar Tage, da sagte er ‘ich muß fortreisen und dich eine kurze Zeit allein lassen, da sind die Hausschlüssel, du kannst überall umhergehen, und alles sehen, nur nicht in eine Stube, die dieser kleine Schlüssel aufschließt, das verbiet ich dir bei Lebensstrafe.’ Auch gab er ihr ein Ei, und sprach ‘das verwahre mir sorgfältig, und trag es lieber beständig bei <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0303" n="265"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">46.<lb/> Fitchers Vogel.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#in">E</hi>s war einmal ein Hexenmeister, der nahm die Gestalt eines armen Mannes an, gieng vor die Häuser und bettelte, und fieng die schönen Mädchen. Kein Mensch wußte wo er sie hinbrachte, denn sie kamen nimmer mehr wieder zum Vorschein. Nun trat er auch einmal vor die Thüre eines Mannes, der drei schöne Töchter hatte, erschien als ein armer, schwacher Bettler, und trug eine Kötze auf dem Rücken, als wollte er milde Gaben darin sammeln. Er bat um ein bischen Essen, und als die älteste herauskam, und ihm ein Stück Brot reichen wollte, rührte er sie nur an, und alsbald mußte sie in seine Kötze springen. Dann eilte er mit starken Schritten fort, und durch einen finstern Wald in sein Haus, wo alles prächtig war. Da gab er ihr, was sie nur wünschte, und sprach ‘es wird dir wohlgefallen bei mir, denn du hast alles, was dein Herz begehrt.’ Das dauerte ein paar Tage, da sagte er ‘ich muß fortreisen und dich eine kurze Zeit allein lassen, da sind die Hausschlüssel, du kannst überall umhergehen, und alles sehen, nur nicht in eine Stube, die dieser kleine Schlüssel aufschließt, das verbiet ich dir bei Lebensstrafe.’ Auch gab er ihr ein Ei, und sprach ‘das verwahre mir sorgfältig, und trag es lieber beständig bei </p> </div> </body> </text> </TEI> [265/0303]
46.
Fitchers Vogel.
Es war einmal ein Hexenmeister, der nahm die Gestalt eines armen Mannes an, gieng vor die Häuser und bettelte, und fieng die schönen Mädchen. Kein Mensch wußte wo er sie hinbrachte, denn sie kamen nimmer mehr wieder zum Vorschein. Nun trat er auch einmal vor die Thüre eines Mannes, der drei schöne Töchter hatte, erschien als ein armer, schwacher Bettler, und trug eine Kötze auf dem Rücken, als wollte er milde Gaben darin sammeln. Er bat um ein bischen Essen, und als die älteste herauskam, und ihm ein Stück Brot reichen wollte, rührte er sie nur an, und alsbald mußte sie in seine Kötze springen. Dann eilte er mit starken Schritten fort, und durch einen finstern Wald in sein Haus, wo alles prächtig war. Da gab er ihr, was sie nur wünschte, und sprach ‘es wird dir wohlgefallen bei mir, denn du hast alles, was dein Herz begehrt.’ Das dauerte ein paar Tage, da sagte er ‘ich muß fortreisen und dich eine kurze Zeit allein lassen, da sind die Hausschlüssel, du kannst überall umhergehen, und alles sehen, nur nicht in eine Stube, die dieser kleine Schlüssel aufschließt, das verbiet ich dir bei Lebensstrafe.’ Auch gab er ihr ein Ei, und sprach ‘das verwahre mir sorgfältig, und trag es lieber beständig bei
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