Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843.45. Daumerlings Wanderschaft. Ein Schneider hatte einen Sohn, der war klein gerathen, und nicht größer als ein Daumen, darum hieß er auch der Daumerling. Er hatte aber Courage im Leibe, und sagte zu seinem Vater 'Vater, ich soll und muß in die Welt hinaus.' 'Recht, mein Sohn,' sprach der Alte, nahm eine Stopfnadel, und machte am Licht einen Knoten von Siegellack daran, 'da hast du auch einen Degen mit auf den Weg.' Nun wollte das Schneiderlein noch einmal mitessen, und hüpfte in die Küche um zu sehen was die Frau Mutter zu guter Letzt gekocht hätte. Es war aber eben angerichtet, und die Schüssel stand auf dem Herd. Da sprach es 'Frau Mutter, was giebts heute zu essen?' 'Sieh du selbst zu' sagte die Mutter. Da sprang Daumerling auf den Herd, und guckte in die Schüssel: weil er aber den Hals zu weit hineinstreckte, faßte ihn der Dampf von der Speise, und trieb ihn zum Schornstein hinaus. Eine Weile ritt er auf dem Dampf in der Luft herum, bis er endlich wieder auf die Erde herabsank. Nun war das Schneiderlein draußen in der weiten Welt, zog umher, und gieng bei einem Meister in die Arbeit; da war ihm aber das Essen nicht gut genug. 'Frau Meisterin, wenn sie uns kein besser Essen giebt,' sagte der 45. Daumerlings Wanderschaft. Ein Schneider hatte einen Sohn, der war klein gerathen, und nicht größer als ein Daumen, darum hieß er auch der Daumerling. Er hatte aber Courage im Leibe, und sagte zu seinem Vater ‘Vater, ich soll und muß in die Welt hinaus.’ ‘Recht, mein Sohn,’ sprach der Alte, nahm eine Stopfnadel, und machte am Licht einen Knoten von Siegellack daran, ‘da hast du auch einen Degen mit auf den Weg.’ Nun wollte das Schneiderlein noch einmal mitessen, und hüpfte in die Küche um zu sehen was die Frau Mutter zu guter Letzt gekocht hätte. Es war aber eben angerichtet, und die Schüssel stand auf dem Herd. Da sprach es ‘Frau Mutter, was giebts heute zu essen?’ ‘Sieh du selbst zu’ sagte die Mutter. Da sprang Daumerling auf den Herd, und guckte in die Schüssel: weil er aber den Hals zu weit hineinstreckte, faßte ihn der Dampf von der Speise, und trieb ihn zum Schornstein hinaus. Eine Weile ritt er auf dem Dampf in der Luft herum, bis er endlich wieder auf die Erde herabsank. Nun war das Schneiderlein draußen in der weiten Welt, zog umher, und gieng bei einem Meister in die Arbeit; da war ihm aber das Essen nicht gut genug. ‘Frau Meisterin, wenn sie uns kein besser Essen giebt,’ sagte der <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0297" n="259"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">45.<lb/> Daumerlings Wanderschaft.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#in">E</hi>in Schneider hatte einen Sohn, der war klein gerathen, und nicht größer als ein Daumen, darum hieß er auch der Daumerling. Er hatte aber Courage im Leibe, und sagte zu seinem Vater ‘Vater, ich soll und muß in die Welt hinaus.’ ‘Recht, mein Sohn,’ sprach der Alte, nahm eine Stopfnadel, und machte am Licht einen Knoten von Siegellack daran, ‘da hast du auch einen Degen mit auf den Weg.’ Nun wollte das Schneiderlein noch einmal mitessen, und hüpfte in die Küche um zu sehen was die Frau Mutter zu guter Letzt gekocht hätte. Es war aber eben angerichtet, und die Schüssel stand auf dem Herd. Da sprach es ‘Frau Mutter, was giebts heute zu essen?’ ‘Sieh du selbst zu’ sagte die Mutter. Da sprang Daumerling auf den Herd, und guckte in die Schüssel: weil er aber den Hals zu weit hineinstreckte, faßte ihn der Dampf von der Speise, und trieb ihn zum Schornstein hinaus. Eine Weile ritt er auf dem Dampf in der Luft herum, bis er endlich wieder auf die Erde herabsank. Nun war das Schneiderlein draußen in der weiten Welt, zog umher, und gieng bei einem Meister in die Arbeit; da war ihm aber das Essen nicht gut genug. ‘Frau Meisterin, wenn sie uns kein besser Essen giebt,’ sagte der </p> </div> </body> </text> </TEI> [259/0297]
45.
Daumerlings Wanderschaft.
Ein Schneider hatte einen Sohn, der war klein gerathen, und nicht größer als ein Daumen, darum hieß er auch der Daumerling. Er hatte aber Courage im Leibe, und sagte zu seinem Vater ‘Vater, ich soll und muß in die Welt hinaus.’ ‘Recht, mein Sohn,’ sprach der Alte, nahm eine Stopfnadel, und machte am Licht einen Knoten von Siegellack daran, ‘da hast du auch einen Degen mit auf den Weg.’ Nun wollte das Schneiderlein noch einmal mitessen, und hüpfte in die Küche um zu sehen was die Frau Mutter zu guter Letzt gekocht hätte. Es war aber eben angerichtet, und die Schüssel stand auf dem Herd. Da sprach es ‘Frau Mutter, was giebts heute zu essen?’ ‘Sieh du selbst zu’ sagte die Mutter. Da sprang Daumerling auf den Herd, und guckte in die Schüssel: weil er aber den Hals zu weit hineinstreckte, faßte ihn der Dampf von der Speise, und trieb ihn zum Schornstein hinaus. Eine Weile ritt er auf dem Dampf in der Luft herum, bis er endlich wieder auf die Erde herabsank. Nun war das Schneiderlein draußen in der weiten Welt, zog umher, und gieng bei einem Meister in die Arbeit; da war ihm aber das Essen nicht gut genug. ‘Frau Meisterin, wenn sie uns kein besser Essen giebt,’ sagte der
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-01T14:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |