Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite
33.
Die drei Sprachen.

Jn der Schweiz lebte einmal ein alter Graf, der hatte nur einen einzigen Sohn, aber er war dumm, und konnte nichts lernen. Da sprach der Vater 'hör, mein Sohn, ich bringe nichts in deinen Kopf, ich mag es anfangen wie ich will. Jetzt sollst du fort, und ein berühmter Meister soll es mit dir versuchen.' Der Junge ward in eine fremde Stadt geschickt, und blieb bei dem Meister ein ganzes Jahr. Nach Verlauf dieser Zeit kam er wieder heim, und der Vater fragte 'nun mein Sohn, was hast du gelernt?' 'Vater, ich habe gelernt was die Hunde bellen' antwortete er. 'Daß Gott erbarm,' rief der Vater aus, 'ist das alles was du gelernt hast? ich will dich in eine andere Stadt zu einem andern Meister thun.' Der Junge ward hingebracht, und blieb bei diesem Meister auch ein Jahr, und als er zurückkam, fragte der Vater wiederum 'mein Sohn, was hast du gelernt? Er antwortete 'Vater, ich habe gelernt was die Vögli sprechen.' Da gerieth der Vater in Zorn, und sprach 'o du verlorner Mensch, hast die kostbare Zeit hingebracht, und nichts gelernt, und schämst dich nicht mir unter die Augen zu treten? Jch will dich zu einem dritten Meister schicken, aber lernst du auch diesmal nichts, so will ich

33.
Die drei Sprachen.

Jn der Schweiz lebte einmal ein alter Graf, der hatte nur einen einzigen Sohn, aber er war dumm, und konnte nichts lernen. Da sprach der Vater ‘hör, mein Sohn, ich bringe nichts in deinen Kopf, ich mag es anfangen wie ich will. Jetzt sollst du fort, und ein berühmter Meister soll es mit dir versuchen.’ Der Junge ward in eine fremde Stadt geschickt, und blieb bei dem Meister ein ganzes Jahr. Nach Verlauf dieser Zeit kam er wieder heim, und der Vater fragte ‘nun mein Sohn, was hast du gelernt?’ ‘Vater, ich habe gelernt was die Hunde bellen’ antwortete er. ‘Daß Gott erbarm,’ rief der Vater aus, ‘ist das alles was du gelernt hast? ich will dich in eine andere Stadt zu einem andern Meister thun.’ Der Junge ward hingebracht, und blieb bei diesem Meister auch ein Jahr, und als er zurückkam, fragte der Vater wiederum ‘mein Sohn, was hast du gelernt? Er antwortete ‘Vater, ich habe gelernt was die Vögli sprechen.’ Da gerieth der Vater in Zorn, und sprach ‘o du verlorner Mensch, hast die kostbare Zeit hingebracht, und nichts gelernt, und schämst dich nicht mir unter die Augen zu treten? Jch will dich zu einem dritten Meister schicken, aber lernst du auch diesmal nichts, so will ich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0239" n="201"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">33.<lb/>
Die drei Sprachen.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">J</hi>n der Schweiz lebte einmal ein alter Graf, der hatte nur einen einzigen Sohn, aber er war dumm, und konnte nichts lernen. Da sprach der Vater &#x2018;hör, mein Sohn, ich bringe nichts in deinen Kopf, ich mag es anfangen wie ich will. Jetzt sollst du fort, und ein berühmter Meister soll es mit dir versuchen.&#x2019; Der Junge ward in eine fremde Stadt geschickt, und blieb bei dem Meister ein ganzes Jahr. Nach Verlauf dieser Zeit kam er wieder heim, und der Vater fragte &#x2018;nun mein Sohn, was hast du gelernt?&#x2019; &#x2018;Vater, ich habe gelernt was die Hunde bellen&#x2019; antwortete er. &#x2018;Daß Gott erbarm,&#x2019; rief der Vater aus, &#x2018;ist das alles was du gelernt hast? ich will dich in eine andere Stadt zu einem andern Meister thun.&#x2019; Der Junge ward hingebracht, und blieb bei diesem Meister auch ein Jahr, und als er zurückkam, fragte der Vater wiederum &#x2018;mein Sohn, was hast du gelernt? Er antwortete &#x2018;Vater, ich habe gelernt was die Vögli sprechen.&#x2019; Da gerieth der Vater in Zorn, und sprach &#x2018;o du verlorner Mensch, hast die kostbare Zeit hingebracht, und nichts gelernt, und schämst dich nicht mir unter die Augen zu treten? Jch will dich zu einem dritten Meister schicken, aber lernst du auch diesmal nichts, so will ich
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[201/0239] 33. Die drei Sprachen. Jn der Schweiz lebte einmal ein alter Graf, der hatte nur einen einzigen Sohn, aber er war dumm, und konnte nichts lernen. Da sprach der Vater ‘hör, mein Sohn, ich bringe nichts in deinen Kopf, ich mag es anfangen wie ich will. Jetzt sollst du fort, und ein berühmter Meister soll es mit dir versuchen.’ Der Junge ward in eine fremde Stadt geschickt, und blieb bei dem Meister ein ganzes Jahr. Nach Verlauf dieser Zeit kam er wieder heim, und der Vater fragte ‘nun mein Sohn, was hast du gelernt?’ ‘Vater, ich habe gelernt was die Hunde bellen’ antwortete er. ‘Daß Gott erbarm,’ rief der Vater aus, ‘ist das alles was du gelernt hast? ich will dich in eine andere Stadt zu einem andern Meister thun.’ Der Junge ward hingebracht, und blieb bei diesem Meister auch ein Jahr, und als er zurückkam, fragte der Vater wiederum ‘mein Sohn, was hast du gelernt? Er antwortete ‘Vater, ich habe gelernt was die Vögli sprechen.’ Da gerieth der Vater in Zorn, und sprach ‘o du verlorner Mensch, hast die kostbare Zeit hingebracht, und nichts gelernt, und schämst dich nicht mir unter die Augen zu treten? Jch will dich zu einem dritten Meister schicken, aber lernst du auch diesmal nichts, so will ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-01T14:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/239
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/239>, abgerufen am 03.12.2024.