Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1840.39. Die Wichtelmänner. Erstes Märchen. Es war ein Schuster ohne seine Schuld so arm geworden, daß ihm endlich nichts mehr übrig blieb als Leder zu einem einzigen Paar Schuhe. Nun schnitt er am Abend die Schuhe zu, und wollte sie den nächsten Morgen in Arbeit nehmen, und weil er ein gutes Gewissen hatte, so legte er sich ruhig zu Bett, befahl sich dem lieben Gott, und schlief ein. Morgens, nachdem er sein Gebet verrichtet hatte, und sich zur Arbeit niedersetzen wollte, so standen die beiden Schuhe ganz fertig auf seinem Tisch. Er verwunderte sich, wußte nicht was er dazu sagen sollte, und nahm die Schuhe in die Hand um sie näher zu betrachten: sie waren so sauber gearbeitet, daß kein Stich daran falsch war, gerade als wenn es ein Meisterstück sein sollte. Bald darauf trat auch schon ein Käufer ein, und weil ihm die Schuhe so gut gefielen, so bezahlte er mehr als gewöhnlich dafür, und der Schuster konnte von dem Geld Leder zu zwei Paar Schuhen erhandeln. Er schnitt sie Abends zu, und wollte den nächsten Morgen mit frischem Muth an die Arbeit gehen, aber er brauchte es nicht, denn als er aufstand waren sie schon fertig, und es 39. Die Wichtelmänner. Erstes Märchen. Es war ein Schuster ohne seine Schuld so arm geworden, daß ihm endlich nichts mehr übrig blieb als Leder zu einem einzigen Paar Schuhe. Nun schnitt er am Abend die Schuhe zu, und wollte sie den nächsten Morgen in Arbeit nehmen, und weil er ein gutes Gewissen hatte, so legte er sich ruhig zu Bett, befahl sich dem lieben Gott, und schlief ein. Morgens, nachdem er sein Gebet verrichtet hatte, und sich zur Arbeit niedersetzen wollte, so standen die beiden Schuhe ganz fertig auf seinem Tisch. Er verwunderte sich, wußte nicht was er dazu sagen sollte, und nahm die Schuhe in die Hand um sie näher zu betrachten: sie waren so sauber gearbeitet, daß kein Stich daran falsch war, gerade als wenn es ein Meisterstück sein sollte. Bald darauf trat auch schon ein Käufer ein, und weil ihm die Schuhe so gut gefielen, so bezahlte er mehr als gewöhnlich dafür, und der Schuster konnte von dem Geld Leder zu zwei Paar Schuhen erhandeln. Er schnitt sie Abends zu, und wollte den nächsten Morgen mit frischem Muth an die Arbeit gehen, aber er brauchte es nicht, denn als er aufstand waren sie schon fertig, und es <TEI> <text> <body> <pb n="241" facs="#f0290"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">39.<lb/> Die Wichtelmänner.</hi> </head><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#g">Erstes Märchen.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#in">E</hi>s war ein Schuster ohne seine Schuld so arm geworden, daß ihm endlich nichts mehr übrig blieb als Leder zu einem einzigen Paar Schuhe. Nun schnitt er am Abend die Schuhe zu, und wollte sie den nächsten Morgen in Arbeit nehmen, und weil er ein gutes Gewissen hatte, so legte er sich ruhig zu Bett, befahl sich dem lieben Gott, und schlief ein. Morgens, nachdem er sein Gebet verrichtet hatte, und sich zur Arbeit niedersetzen wollte, so standen die beiden Schuhe ganz fertig auf seinem Tisch. Er verwunderte sich, wußte nicht was er dazu sagen sollte, und nahm die Schuhe in die Hand um sie näher zu betrachten: sie waren so sauber gearbeitet, daß kein Stich daran falsch war, gerade als wenn es ein Meisterstück sein sollte. Bald darauf trat auch schon ein Käufer ein, und weil ihm die Schuhe so gut gefielen, so bezahlte er mehr als gewöhnlich dafür, und der Schuster konnte von dem Geld Leder zu zwei Paar Schuhen erhandeln. Er schnitt sie Abends zu, und wollte den nächsten Morgen mit frischem Muth an die Arbeit gehen, aber er brauchte es nicht, denn als er aufstand waren sie schon fertig, und es </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [241/0290]
39.
Die Wichtelmänner.
Erstes Märchen.
Es war ein Schuster ohne seine Schuld so arm geworden, daß ihm endlich nichts mehr übrig blieb als Leder zu einem einzigen Paar Schuhe. Nun schnitt er am Abend die Schuhe zu, und wollte sie den nächsten Morgen in Arbeit nehmen, und weil er ein gutes Gewissen hatte, so legte er sich ruhig zu Bett, befahl sich dem lieben Gott, und schlief ein. Morgens, nachdem er sein Gebet verrichtet hatte, und sich zur Arbeit niedersetzen wollte, so standen die beiden Schuhe ganz fertig auf seinem Tisch. Er verwunderte sich, wußte nicht was er dazu sagen sollte, und nahm die Schuhe in die Hand um sie näher zu betrachten: sie waren so sauber gearbeitet, daß kein Stich daran falsch war, gerade als wenn es ein Meisterstück sein sollte. Bald darauf trat auch schon ein Käufer ein, und weil ihm die Schuhe so gut gefielen, so bezahlte er mehr als gewöhnlich dafür, und der Schuster konnte von dem Geld Leder zu zwei Paar Schuhen erhandeln. Er schnitt sie Abends zu, und wollte den nächsten Morgen mit frischem Muth an die Arbeit gehen, aber er brauchte es nicht, denn als er aufstand waren sie schon fertig, und es
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