Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.49. Die sechs Schwäne. Es jagte einmal ein König in einem großen Wald, und jagte einem Wild so eifrig nach daß ihm niemand von seinen Leuten folgen konnte. Und als es Abend ward, und er still hielt und um sich blickte, so sah er daß er sich verirrt hatte. Er suchte einen Ausgang, konnte aber keinen finden. Endlich sah er eine alte Frau mit wackelndem Kopfe, die auf ihn zu kam; das war aber eine Hexe. Der König redete sie an und sprach 'liebe Frau, könnt ihr mir nicht den Weg durch den Wald zeigen.' 'O ja, Herr König,' antwortete sie, 'das kann ich wohl, aber es ist eine Bedingung dabei, wenn ihr die nicht erfüllt, so kommt ihr nimmermehr aus dem Wald, und müßt darin Hungers sterben.' 'Was ist das für eine Bedingung?' fragte der König. 'Jch habe eine Tochter,' sagte die Alte, 'die so schön ist wie ihr eine auf der Welt finden könnt, und die wohl verdient eure Gemahlin zu werden, wollt ihr die heirathen und zur Frau Königin machen, so zeige ich euch den Weg aus dem Walde.' Der König sagte in der Angst seines Herzens ja, und die Alte führte ihn zu ihrem Häuschen, wo ihre Tochter beim Feuer saß. Sie empfieng den König als wenn sie ihn erwartet hätte, und er sah 49. Die sechs Schwaͤne. Es jagte einmal ein Koͤnig in einem großen Wald, und jagte einem Wild so eifrig nach daß ihm niemand von seinen Leuten folgen konnte. Und als es Abend ward, und er still hielt und um sich blickte, so sah er daß er sich verirrt hatte. Er suchte einen Ausgang, konnte aber keinen finden. Endlich sah er eine alte Frau mit wackelndem Kopfe, die auf ihn zu kam; das war aber eine Hexe. Der Koͤnig redete sie an und sprach ‘liebe Frau, koͤnnt ihr mir nicht den Weg durch den Wald zeigen.’ ‘O ja, Herr Koͤnig,’ antwortete sie, ‘das kann ich wohl, aber es ist eine Bedingung dabei, wenn ihr die nicht erfuͤllt, so kommt ihr nimmermehr aus dem Wald, und muͤßt darin Hungers sterben.’ ‘Was ist das fuͤr eine Bedingung?’ fragte der Koͤnig. ‘Jch habe eine Tochter,’ sagte die Alte, ‘die so schoͤn ist wie ihr eine auf der Welt finden koͤnnt, und die wohl verdient eure Gemahlin zu werden, wollt ihr die heirathen und zur Frau Koͤnigin machen, so zeige ich euch den Weg aus dem Walde.’ Der Koͤnig sagte in der Angst seines Herzens ja, und die Alte fuͤhrte ihn zu ihrem Haͤuschen, wo ihre Tochter beim Feuer saß. Sie empfieng den Koͤnig als wenn sie ihn erwartet haͤtte, und er sah <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0322" n="291"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">49.<lb/> Die sechs Schwaͤne.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#in">E</hi>s jagte einmal ein Koͤnig in einem großen Wald, und jagte einem Wild so eifrig nach daß ihm niemand von seinen Leuten folgen konnte. Und als es Abend ward, und er still hielt und um sich blickte, so sah er daß er sich verirrt hatte. Er suchte einen Ausgang, konnte aber keinen finden. Endlich sah er eine alte Frau mit wackelndem Kopfe, die auf ihn zu kam; das war aber eine Hexe. Der Koͤnig redete sie an und sprach ‘liebe Frau, koͤnnt ihr mir nicht den Weg durch den Wald zeigen.’ ‘O ja, Herr Koͤnig,’ antwortete sie, ‘das kann ich wohl, aber es ist eine Bedingung dabei, wenn ihr die nicht erfuͤllt, so kommt ihr nimmermehr aus dem Wald, und muͤßt darin Hungers sterben.’ ‘Was ist das fuͤr eine Bedingung?’ fragte der Koͤnig. ‘Jch habe eine Tochter,’ sagte die Alte, ‘die so schoͤn ist wie ihr eine auf der Welt finden koͤnnt, und die wohl verdient eure Gemahlin zu werden, wollt ihr die heirathen und zur Frau Koͤnigin machen, so zeige ich euch den Weg aus dem Walde.’ Der Koͤnig sagte in der Angst seines Herzens ja, und die Alte fuͤhrte ihn zu ihrem Haͤuschen, wo ihre Tochter beim Feuer saß. Sie empfieng den Koͤnig als wenn sie ihn erwartet haͤtte, und er sah </p> </div> </body> </text> </TEI> [291/0322]
49.
Die sechs Schwaͤne.
Es jagte einmal ein Koͤnig in einem großen Wald, und jagte einem Wild so eifrig nach daß ihm niemand von seinen Leuten folgen konnte. Und als es Abend ward, und er still hielt und um sich blickte, so sah er daß er sich verirrt hatte. Er suchte einen Ausgang, konnte aber keinen finden. Endlich sah er eine alte Frau mit wackelndem Kopfe, die auf ihn zu kam; das war aber eine Hexe. Der Koͤnig redete sie an und sprach ‘liebe Frau, koͤnnt ihr mir nicht den Weg durch den Wald zeigen.’ ‘O ja, Herr Koͤnig,’ antwortete sie, ‘das kann ich wohl, aber es ist eine Bedingung dabei, wenn ihr die nicht erfuͤllt, so kommt ihr nimmermehr aus dem Wald, und muͤßt darin Hungers sterben.’ ‘Was ist das fuͤr eine Bedingung?’ fragte der Koͤnig. ‘Jch habe eine Tochter,’ sagte die Alte, ‘die so schoͤn ist wie ihr eine auf der Welt finden koͤnnt, und die wohl verdient eure Gemahlin zu werden, wollt ihr die heirathen und zur Frau Koͤnigin machen, so zeige ich euch den Weg aus dem Walde.’ Der Koͤnig sagte in der Angst seines Herzens ja, und die Alte fuͤhrte ihn zu ihrem Haͤuschen, wo ihre Tochter beim Feuer saß. Sie empfieng den Koͤnig als wenn sie ihn erwartet haͤtte, und er sah
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Göttinger Digitalisierungszentrum: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-06-15T16:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |