Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
1.
Der Froschkönig oder der eiserne Heinrich.

Jn den alten Zeiten, wo das Wünschen noch geholfen hat, lebte ein König, dessen Töchter waren alle schön, aber die jüngste war so schön, daß sich die Sonne selber, die doch so vieles gesehen hat, darüber verwunderte so oft sie ihr ins Gesicht schien. Nahe bei dem Schlosse des Königs lag ein großer dunkler Wald, und in dem Walde unter einer alten Linde war ein Brunnen: wenn nun der Tag recht heiß war, so gieng das Königskind hinaus in den Wald, und setzte sich an den Rand des kühlen Brunnens, und wenn sie Langeweile hatte, so nahm sie eine goldene Kugel, warf sie in die Höhe und fieng sie wieder; und das war ihr liebstes Spielwerk.

Nun trug es sich einmal zu, daß die goldene Kugel der Königstochter nicht in das Händchen fiel, das sie ausgestreckt hatte, sondern neben vorbei auf die Erde schlug, und geradezu ins Wasser hinein rollte. Die Königstochter folgte ihr mit den Augen nach, aber die Kugel verschwand, und der Brunnen war tief, und gar kein Grund zu sehen. Da fieng sie an zu

1.
Der Froschkoͤnig oder der eiserne Heinrich.

Jn den alten Zeiten, wo das Wuͤnschen noch geholfen hat, lebte ein Koͤnig, dessen Toͤchter waren alle schoͤn, aber die juͤngste war so schoͤn, daß sich die Sonne selber, die doch so vieles gesehen hat, daruͤber verwunderte so oft sie ihr ins Gesicht schien. Nahe bei dem Schlosse des Koͤnigs lag ein großer dunkler Wald, und in dem Walde unter einer alten Linde war ein Brunnen: wenn nun der Tag recht heiß war, so gieng das Koͤnigskind hinaus in den Wald, und setzte sich an den Rand des kuͤhlen Brunnens, und wenn sie Langeweile hatte, so nahm sie eine goldene Kugel, warf sie in die Hoͤhe und fieng sie wieder; und das war ihr liebstes Spielwerk.

Nun trug es sich einmal zu, daß die goldene Kugel der Koͤnigstochter nicht in das Haͤndchen fiel, das sie ausgestreckt hatte, sondern neben vorbei auf die Erde schlug, und geradezu ins Wasser hinein rollte. Die Koͤnigstochter folgte ihr mit den Augen nach, aber die Kugel verschwand, und der Brunnen war tief, und gar kein Grund zu sehen. Da fieng sie an zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0032" n="[1]"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">1.<lb/>
Der Froschko&#x0364;nig oder der eiserne Heinrich.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">J</hi>n den alten Zeiten, wo das Wu&#x0364;nschen noch geholfen hat, lebte ein Ko&#x0364;nig, dessen To&#x0364;chter waren alle scho&#x0364;n, aber die ju&#x0364;ngste war so scho&#x0364;n, daß sich die Sonne selber, die doch so vieles gesehen hat, daru&#x0364;ber verwunderte so oft sie ihr ins Gesicht schien. Nahe bei dem Schlosse des Ko&#x0364;nigs lag ein großer dunkler Wald, und in dem Walde unter einer alten Linde war ein Brunnen: wenn nun der Tag recht heiß war, so gieng das Ko&#x0364;nigskind hinaus in den Wald, und setzte sich an den Rand des ku&#x0364;hlen Brunnens, und wenn sie Langeweile hatte, so nahm sie eine goldene Kugel, warf sie in die Ho&#x0364;he und fieng sie wieder; und das war ihr liebstes Spielwerk.</p><lb/>
        <p>Nun trug es sich einmal zu, daß die goldene Kugel der Ko&#x0364;nigstochter nicht in das Ha&#x0364;ndchen fiel, das sie ausgestreckt hatte, sondern neben vorbei auf die Erde schlug, und geradezu ins Wasser hinein rollte. Die Ko&#x0364;nigstochter folgte ihr mit den Augen nach, aber die Kugel verschwand, und der Brunnen war tief, und gar kein Grund zu sehen. Da fieng sie an zu
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[1]/0032] 1. Der Froschkoͤnig oder der eiserne Heinrich. Jn den alten Zeiten, wo das Wuͤnschen noch geholfen hat, lebte ein Koͤnig, dessen Toͤchter waren alle schoͤn, aber die juͤngste war so schoͤn, daß sich die Sonne selber, die doch so vieles gesehen hat, daruͤber verwunderte so oft sie ihr ins Gesicht schien. Nahe bei dem Schlosse des Koͤnigs lag ein großer dunkler Wald, und in dem Walde unter einer alten Linde war ein Brunnen: wenn nun der Tag recht heiß war, so gieng das Koͤnigskind hinaus in den Wald, und setzte sich an den Rand des kuͤhlen Brunnens, und wenn sie Langeweile hatte, so nahm sie eine goldene Kugel, warf sie in die Hoͤhe und fieng sie wieder; und das war ihr liebstes Spielwerk. Nun trug es sich einmal zu, daß die goldene Kugel der Koͤnigstochter nicht in das Haͤndchen fiel, das sie ausgestreckt hatte, sondern neben vorbei auf die Erde schlug, und geradezu ins Wasser hinein rollte. Die Koͤnigstochter folgte ihr mit den Augen nach, aber die Kugel verschwand, und der Brunnen war tief, und gar kein Grund zu sehen. Da fieng sie an zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Göttinger Digitalisierungszentrum: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-06-15T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/32
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/32>, abgerufen am 18.12.2024.