Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.40. Der Räuberbräutigam. Es war einmal ein Müller, der hatte eine schöne Tochter, und als sie herangewachsen war, so wünschte er sie wäre versorgt und gut verheirathet, und dachte 'kommt ein ordentlicher Freier, und hält um sie an, so will ich sie ihm geben.' Nicht lange so kam ein Freier, der schien sehr reich zu seyn, und da der Müller nichts an ihm auszusetzen wußte, so versprach er ihm seine Tochter. Das Mädchen aber hatte ihn nicht so recht lieb wie eine Braut ihren Bräutigam lieb haben soll, hatte kein Vertrauen zu ihm, und so oft es ihn ansah, oder an ihn dachte, fühlte es ein Grauen in seinem Herzen. Einmal sprach er zu ihr 'du bist meine Braut, und besuchst mich nicht einmal.' Das Mädchen antwortete 'ich weiß nicht wo euer Haus ist.' Da sprach der Bräutigam 'mein Haus ist draußen im dunkeln Wald.' Es suchte Ausreden, und meinte es könnte den Weg dahin nicht finden. Der Bräutigam sagte 'künftigen Sonntag mußt du hinaus zu mir kommen, ich habe die Gäste schon eingeladen, und damit du den Weg durch den Wald findest, so will ich dir Asche streuen.' Als der Sonntag kam, und das Mädchen sich auf den Weg machen sollte, ward ihm so angst, es wußte selbst 40. Der Raͤuberbraͤutigam. Es war einmal ein Muͤller, der hatte eine schoͤne Tochter, und als sie herangewachsen war, so wuͤnschte er sie waͤre versorgt und gut verheirathet, und dachte ‘kommt ein ordentlicher Freier, und haͤlt um sie an, so will ich sie ihm geben.’ Nicht lange so kam ein Freier, der schien sehr reich zu seyn, und da der Muͤller nichts an ihm auszusetzen wußte, so versprach er ihm seine Tochter. Das Maͤdchen aber hatte ihn nicht so recht lieb wie eine Braut ihren Braͤutigam lieb haben soll, hatte kein Vertrauen zu ihm, und so oft es ihn ansah, oder an ihn dachte, fuͤhlte es ein Grauen in seinem Herzen. Einmal sprach er zu ihr ‘du bist meine Braut, und besuchst mich nicht einmal.’ Das Maͤdchen antwortete ‘ich weiß nicht wo euer Haus ist.’ Da sprach der Braͤutigam ‘mein Haus ist draußen im dunkeln Wald.’ Es suchte Ausreden, und meinte es koͤnnte den Weg dahin nicht finden. Der Braͤutigam sagte ‘kuͤnftigen Sonntag mußt du hinaus zu mir kommen, ich habe die Gaͤste schon eingeladen, und damit du den Weg durch den Wald findest, so will ich dir Asche streuen.’ Als der Sonntag kam, und das Maͤdchen sich auf den Weg machen sollte, ward ihm so angst, es wußte selbst <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0277" n="246"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">40.<lb/> Der Raͤuberbraͤutigam.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#in">E</hi>s war einmal ein Muͤller, der hatte eine schoͤne Tochter, und als sie herangewachsen war, so wuͤnschte er sie waͤre versorgt und gut verheirathet, und dachte ‘kommt ein ordentlicher Freier, und haͤlt um sie an, so will ich sie ihm geben.’ Nicht lange so kam ein Freier, der schien sehr reich zu seyn, und da der Muͤller nichts an ihm auszusetzen wußte, so versprach er ihm seine Tochter. Das Maͤdchen aber hatte ihn nicht so recht lieb wie eine Braut ihren Braͤutigam lieb haben soll, hatte kein Vertrauen zu ihm, und so oft es ihn ansah, oder an ihn dachte, fuͤhlte es ein Grauen in seinem Herzen. Einmal sprach er zu ihr ‘du bist meine Braut, und besuchst mich nicht einmal.’ Das Maͤdchen antwortete ‘ich weiß nicht wo euer Haus ist.’ Da sprach der Braͤutigam ‘mein Haus ist draußen im dunkeln Wald.’ Es suchte Ausreden, und meinte es koͤnnte den Weg dahin nicht finden. Der Braͤutigam sagte ‘kuͤnftigen Sonntag mußt du hinaus zu mir kommen, ich habe die Gaͤste schon eingeladen, und damit du den Weg durch den Wald findest, so will ich dir Asche streuen.’ Als der Sonntag kam, und das Maͤdchen sich auf den Weg machen sollte, ward ihm so angst, es wußte selbst </p> </div> </body> </text> </TEI> [246/0277]
40.
Der Raͤuberbraͤutigam.
Es war einmal ein Muͤller, der hatte eine schoͤne Tochter, und als sie herangewachsen war, so wuͤnschte er sie waͤre versorgt und gut verheirathet, und dachte ‘kommt ein ordentlicher Freier, und haͤlt um sie an, so will ich sie ihm geben.’ Nicht lange so kam ein Freier, der schien sehr reich zu seyn, und da der Muͤller nichts an ihm auszusetzen wußte, so versprach er ihm seine Tochter. Das Maͤdchen aber hatte ihn nicht so recht lieb wie eine Braut ihren Braͤutigam lieb haben soll, hatte kein Vertrauen zu ihm, und so oft es ihn ansah, oder an ihn dachte, fuͤhlte es ein Grauen in seinem Herzen. Einmal sprach er zu ihr ‘du bist meine Braut, und besuchst mich nicht einmal.’ Das Maͤdchen antwortete ‘ich weiß nicht wo euer Haus ist.’ Da sprach der Braͤutigam ‘mein Haus ist draußen im dunkeln Wald.’ Es suchte Ausreden, und meinte es koͤnnte den Weg dahin nicht finden. Der Braͤutigam sagte ‘kuͤnftigen Sonntag mußt du hinaus zu mir kommen, ich habe die Gaͤste schon eingeladen, und damit du den Weg durch den Wald findest, so will ich dir Asche streuen.’ Als der Sonntag kam, und das Maͤdchen sich auf den Weg machen sollte, ward ihm so angst, es wußte selbst
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Göttinger Digitalisierungszentrum: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-06-15T16:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |