Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.15. Hänsel und Grethel. Vor einem großen Walde wohnte ein armer Holzhacker, der hatte nichts zu beißen und zu brechen, und kaum das tägliche Brot für seine Frau und seine zwei Kinder, Hänsel und Grethel. Endlich kam die Zeit da konnte er auch das nicht schaffen, und wußte keine Hülfe mehr für seine Noth. Wie er sich nun Abends vor Sorge im Bett herumwälzte, sprach seine Frau zu ihm 'hör, Mann, morgen früh nimm die beiden Kinder, gieb jedem noch ein Stückchen Brot, dann führe sie hinaus in den Wald, mitten inne, wo er am dicksten ist, da mach ihnen ein Feuer an, und dann geh weg, und laß sie dort allein: wir können sie nicht länger ernähren.' 'Nein, Frau,' sagte der Mann, 'wie soll ich übers Herz bringen, meine eigenen lieben Kinder den wilden Thieren im Wald zu überliefern, die würden sie bald zerrissen haben. 'Wenn du das nicht thust,' sprach die Frau, 'so müssen wir alle miteinander Hungers sterben,' und ließ ihm keine Ruhe, bis er einwilligte. Die zwei Kinder waren auch noch vor Hunger wach gewesen, und hatten mit angehört was die Mutter zum Vater gesagt hatte. Grethel dachte 'nun ist es um mich geschehen,' 15. Haͤnsel und Grethel. Vor einem großen Walde wohnte ein armer Holzhacker, der hatte nichts zu beißen und zu brechen, und kaum das taͤgliche Brot fuͤr seine Frau und seine zwei Kinder, Haͤnsel und Grethel. Endlich kam die Zeit da konnte er auch das nicht schaffen, und wußte keine Huͤlfe mehr fuͤr seine Noth. Wie er sich nun Abends vor Sorge im Bett herumwaͤlzte, sprach seine Frau zu ihm ‘hoͤr, Mann, morgen fruͤh nimm die beiden Kinder, gieb jedem noch ein Stuͤckchen Brot, dann fuͤhre sie hinaus in den Wald, mitten inne, wo er am dicksten ist, da mach ihnen ein Feuer an, und dann geh weg, und laß sie dort allein: wir koͤnnen sie nicht laͤnger ernaͤhren.’ ‘Nein, Frau,’ sagte der Mann, ‘wie soll ich uͤbers Herz bringen, meine eigenen lieben Kinder den wilden Thieren im Wald zu uͤberliefern, die wuͤrden sie bald zerrissen haben. ‘Wenn du das nicht thust,’ sprach die Frau, ‘so muͤssen wir alle miteinander Hungers sterben,’ und ließ ihm keine Ruhe, bis er einwilligte. Die zwei Kinder waren auch noch vor Hunger wach gewesen, und hatten mit angehoͤrt was die Mutter zum Vater gesagt hatte. Grethel dachte ‘nun ist es um mich geschehen,’ <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0124" n="93"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">15.<lb/> Haͤnsel und Grethel.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#in">V</hi>or einem großen Walde wohnte ein armer Holzhacker, der hatte nichts zu beißen und zu brechen, und kaum das taͤgliche Brot fuͤr seine Frau und seine zwei Kinder, Haͤnsel und Grethel. Endlich kam die Zeit da konnte er auch das nicht schaffen, und wußte keine Huͤlfe mehr fuͤr seine Noth. Wie er sich nun Abends vor Sorge im Bett herumwaͤlzte, sprach seine Frau zu ihm ‘hoͤr, Mann, morgen fruͤh nimm die beiden Kinder, gieb jedem noch ein Stuͤckchen Brot, dann fuͤhre sie hinaus in den Wald, mitten inne, wo er am dicksten ist, da mach ihnen ein Feuer an, und dann geh weg, und laß sie dort allein: wir koͤnnen sie nicht laͤnger ernaͤhren.’ ‘Nein, Frau,’ sagte der Mann, ‘wie soll ich uͤbers Herz bringen, meine eigenen lieben Kinder den wilden Thieren im Wald zu uͤberliefern, die wuͤrden sie bald zerrissen haben. ‘Wenn du das nicht thust,’ sprach die Frau, ‘so muͤssen wir alle miteinander Hungers sterben,’ und ließ ihm keine Ruhe, bis er einwilligte.</p><lb/> <p>Die zwei Kinder waren auch noch vor Hunger wach gewesen, und hatten mit angehoͤrt was die Mutter zum Vater gesagt hatte. Grethel dachte ‘nun ist es um mich geschehen,’ </p> </div> </body> </text> </TEI> [93/0124]
15.
Haͤnsel und Grethel.
Vor einem großen Walde wohnte ein armer Holzhacker, der hatte nichts zu beißen und zu brechen, und kaum das taͤgliche Brot fuͤr seine Frau und seine zwei Kinder, Haͤnsel und Grethel. Endlich kam die Zeit da konnte er auch das nicht schaffen, und wußte keine Huͤlfe mehr fuͤr seine Noth. Wie er sich nun Abends vor Sorge im Bett herumwaͤlzte, sprach seine Frau zu ihm ‘hoͤr, Mann, morgen fruͤh nimm die beiden Kinder, gieb jedem noch ein Stuͤckchen Brot, dann fuͤhre sie hinaus in den Wald, mitten inne, wo er am dicksten ist, da mach ihnen ein Feuer an, und dann geh weg, und laß sie dort allein: wir koͤnnen sie nicht laͤnger ernaͤhren.’ ‘Nein, Frau,’ sagte der Mann, ‘wie soll ich uͤbers Herz bringen, meine eigenen lieben Kinder den wilden Thieren im Wald zu uͤberliefern, die wuͤrden sie bald zerrissen haben. ‘Wenn du das nicht thust,’ sprach die Frau, ‘so muͤssen wir alle miteinander Hungers sterben,’ und ließ ihm keine Ruhe, bis er einwilligte.
Die zwei Kinder waren auch noch vor Hunger wach gewesen, und hatten mit angehoͤrt was die Mutter zum Vater gesagt hatte. Grethel dachte ‘nun ist es um mich geschehen,’
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Göttinger Digitalisierungszentrum: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-06-15T16:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |