Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite
77.
Das kluge Grethel.

Es war eine Köchin, die hieß Grethel, die trug Schuhe mit rothen Absätzen und wenn sie damit ausging, so drehte sie sich hin und her, war ganz fröhlich und dachte: du bist doch ein schönes Mädel. Und wenn sie nach Haus kam, so trank sie aus Fröhlichkeit einen Schluck Wein, und weil der Wein auch Lust zum Essen macht, so versuchte sie das beste, was sie kochte, so lang, bis sie satt war und sprach: "die Köchin muß wissen, wie's Essen schmeckt."

Es trug sich zu, daß der Herr einmal zu ihr sagte: "Grethel, heut Abend kommt ein Gast, richt mir zwei Hühner fein wohl zu." " Wills schon machen, Herr," antwortete das Grethel. Nun stachs die Hühner ab, brühte sie, rupfte sie, steckte sie an den Spieß und brachte sie, wies gegen den Abend ging, zum Feuer, damit sie braten sollten. Die Hühner fingen an braun und gahr zu werden, aber der Gast war noch nicht gekommen. Da rief Grethel dem Herrn: "kommt der Gast nicht, muß ich die Hühner vom Feuer thun, ist aber Jammer und Schade wenn sie nicht bald gegessen werden, wo sie am besten in Saft sind." Sprach der Herr: "ei, so will ich selbst laufen und den Gast holen." Als der Herr den Rücken gekehrt hatte, legte das Grethel den Spieß mit den Hühnern beiseits und dachte: "so lange da beim Feuer stehen, macht schwitzen und durstig, wer weiß, wann die kommen, derweil spring ich in den Keller und thu

77.
Das kluge Grethel.

Es war eine Koͤchin, die hieß Grethel, die trug Schuhe mit rothen Absaͤtzen und wenn sie damit ausging, so drehte sie sich hin und her, war ganz froͤhlich und dachte: du bist doch ein schoͤnes Maͤdel. Und wenn sie nach Haus kam, so trank sie aus Froͤhlichkeit einen Schluck Wein, und weil der Wein auch Lust zum Essen macht, so versuchte sie das beste, was sie kochte, so lang, bis sie satt war und sprach: „die Koͤchin muß wissen, wie’s Essen schmeckt.“

Es trug sich zu, daß der Herr einmal zu ihr sagte: „Grethel, heut Abend kommt ein Gast, richt mir zwei Huͤhner fein wohl zu.“ „ Wills schon machen, Herr,“ antwortete das Grethel. Nun stachs die Huͤhner ab, bruͤhte sie, rupfte sie, steckte sie an den Spieß und brachte sie, wies gegen den Abend ging, zum Feuer, damit sie braten sollten. Die Huͤhner fingen an braun und gahr zu werden, aber der Gast war noch nicht gekommen. Da rief Grethel dem Herrn: „kommt der Gast nicht, muß ich die Huͤhner vom Feuer thun, ist aber Jammer und Schade wenn sie nicht bald gegessen werden, wo sie am besten in Saft sind.“ Sprach der Herr: „ei, so will ich selbst laufen und den Gast holen.“ Als der Herr den Ruͤcken gekehrt hatte, legte das Grethel den Spieß mit den Huͤhnern beiseits und dachte: „so lange da beim Feuer stehen, macht schwitzen und durstig, wer weiß, wann die kommen, derweil spring ich in den Keller und thu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0462" n="398"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">77.<lb/>
Das kluge Grethel.</hi> </head><lb/>
        <p>Es war eine Ko&#x0364;chin, die hieß Grethel, die trug Schuhe mit rothen Absa&#x0364;tzen und wenn sie damit ausging, so drehte sie sich hin und her, war ganz fro&#x0364;hlich und dachte: du bist doch ein scho&#x0364;nes Ma&#x0364;del. Und wenn sie nach Haus kam, so trank sie aus Fro&#x0364;hlichkeit einen Schluck Wein, und weil der Wein auch Lust zum Essen macht, so versuchte sie das beste, was sie kochte, so lang, bis sie satt war und sprach: &#x201E;die Ko&#x0364;chin muß wissen, wie&#x2019;s Essen schmeckt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Es trug sich zu, daß der Herr einmal zu ihr sagte: &#x201E;Grethel, heut Abend kommt ein Gast, richt mir zwei Hu&#x0364;hner fein wohl zu.&#x201C; &#x201E; Wills schon machen, Herr,&#x201C; antwortete das Grethel. Nun stachs die Hu&#x0364;hner ab, bru&#x0364;hte sie, rupfte sie, steckte sie an den Spieß und brachte sie, wies gegen den Abend ging, zum Feuer, damit sie braten sollten. Die Hu&#x0364;hner fingen an braun und gahr zu werden, aber der Gast war noch nicht gekommen. Da rief Grethel dem Herrn: &#x201E;kommt der Gast nicht, muß ich die Hu&#x0364;hner vom Feuer thun, ist aber Jammer und Schade wenn sie nicht bald gegessen werden, wo sie am besten in Saft sind.&#x201C; Sprach der Herr: &#x201E;ei, so will ich selbst laufen und den Gast holen.&#x201C; Als der Herr den Ru&#x0364;cken gekehrt hatte, legte das Grethel den Spieß mit den Hu&#x0364;hnern beiseits und dachte: &#x201E;so lange da beim Feuer stehen, macht schwitzen und durstig, wer weiß, wann die kommen, derweil spring ich in den Keller und thu
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[398/0462] 77. Das kluge Grethel. Es war eine Koͤchin, die hieß Grethel, die trug Schuhe mit rothen Absaͤtzen und wenn sie damit ausging, so drehte sie sich hin und her, war ganz froͤhlich und dachte: du bist doch ein schoͤnes Maͤdel. Und wenn sie nach Haus kam, so trank sie aus Froͤhlichkeit einen Schluck Wein, und weil der Wein auch Lust zum Essen macht, so versuchte sie das beste, was sie kochte, so lang, bis sie satt war und sprach: „die Koͤchin muß wissen, wie’s Essen schmeckt.“ Es trug sich zu, daß der Herr einmal zu ihr sagte: „Grethel, heut Abend kommt ein Gast, richt mir zwei Huͤhner fein wohl zu.“ „ Wills schon machen, Herr,“ antwortete das Grethel. Nun stachs die Huͤhner ab, bruͤhte sie, rupfte sie, steckte sie an den Spieß und brachte sie, wies gegen den Abend ging, zum Feuer, damit sie braten sollten. Die Huͤhner fingen an braun und gahr zu werden, aber der Gast war noch nicht gekommen. Da rief Grethel dem Herrn: „kommt der Gast nicht, muß ich die Huͤhner vom Feuer thun, ist aber Jammer und Schade wenn sie nicht bald gegessen werden, wo sie am besten in Saft sind.“ Sprach der Herr: „ei, so will ich selbst laufen und den Gast holen.“ Als der Herr den Ruͤcken gekehrt hatte, legte das Grethel den Spieß mit den Huͤhnern beiseits und dachte: „so lange da beim Feuer stehen, macht schwitzen und durstig, wer weiß, wann die kommen, derweil spring ich in den Keller und thu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-06-15T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/462
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/462>, abgerufen am 22.12.2024.