und wußte es nicht, endlich fiel ihr das Halsband ein, das sie den Thieren gegeben hatte und sah an dem Löwen ihres Gemahls das goldene Schlößchen; da sprach sie vergnügt: "dieser ist mein rechter Mann." Da lachte der junge König und sagte: "ja, das ist der rechte!" und sie setzten sich zusammen zu Tisch, aßen und tranken und waren fröhlich. Abends, als der junge König zu Bett ging, sprach seine Frau: "warum hast du die vorigen Nächte immer ein zweischneidiges Schwert in unser Bett gelegt, ich habe geglaubt, du wolltest mich todtschlagen." Da erkannte er, wie treu sein Bruder gewesen war.
61.
Das Bürle.
Es war ein Dorf, darin saßen lauter reiche Bauern und nur ein armer, den nannten sie das Bürle (Bäuerlein). Er hatte nicht einmal eine Kuh und noch weniger Geld eine zu kaufen; und er und seine Frau hätten so gern eine gehabt. Einmal sprach er zu ihr: "hör, ich hab einen guten Gedanken, da ist unser Gevatter Schreiner, der soll uns ein Kalb aus Holz machen und braun anstreichen, daß es wie ein anderes aussieht, mit der Zeit wirds wohl groß und gibt eine Kuh." Der Frau gefiel das auch, und der Gevatter Schreiner zimmerte und hobelte das Kalb zurecht, strich es an, wie sichs gehörte, und machte es so, daß es den Kopf unterhängte, als fräße es.
und wußte es nicht, endlich fiel ihr das Halsband ein, das sie den Thieren gegeben hatte und sah an dem Loͤwen ihres Gemahls das goldene Schloͤßchen; da sprach sie vergnuͤgt: „dieser ist mein rechter Mann.“ Da lachte der junge Koͤnig und sagte: „ja, das ist der rechte!“ und sie setzten sich zusammen zu Tisch, aßen und tranken und waren froͤhlich. Abends, als der junge Koͤnig zu Bett ging, sprach seine Frau: „warum hast du die vorigen Naͤchte immer ein zweischneidiges Schwert in unser Bett gelegt, ich habe geglaubt, du wolltest mich todtschlagen.“ Da erkannte er, wie treu sein Bruder gewesen war.
61.
Das Buͤrle.
Es war ein Dorf, darin saßen lauter reiche Bauern und nur ein armer, den nannten sie das Buͤrle (Baͤuerlein). Er hatte nicht einmal eine Kuh und noch weniger Geld eine zu kaufen; und er und seine Frau haͤtten so gern eine gehabt. Einmal sprach er zu ihr: „hoͤr, ich hab einen guten Gedanken, da ist unser Gevatter Schreiner, der soll uns ein Kalb aus Holz machen und braun anstreichen, daß es wie ein anderes aussieht, mit der Zeit wirds wohl groß und gibt eine Kuh.“ Der Frau gefiel das auch, und der Gevatter Schreiner zimmerte und hobelte das Kalb zurecht, strich es an, wie sichs gehoͤrte, und machte es so, daß es den Kopf unterhaͤngte, als fraͤße es.
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und wußte es nicht, endlich fiel ihr das Halsband ein, das sie den Thieren gegeben hatte und sah an dem Loͤwen ihres Gemahls das goldene Schloͤßchen; da sprach sie vergnuͤgt: „dieser ist mein rechter Mann.“ Da lachte der junge Koͤnig und sagte: „ja, das ist der rechte!“ und sie setzten sich zusammen zu Tisch, aßen und tranken und waren froͤhlich. Abends, als der junge Koͤnig zu Bett ging, sprach seine Frau: „warum hast du die vorigen Naͤchte immer ein zweischneidiges Schwert in unser Bett gelegt, ich habe geglaubt, du wolltest mich todtschlagen.“ Da erkannte er, wie treu sein Bruder gewesen war.</p></div><lb/><divn="1"><head><hirendition="#b">61.<lb/>
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und wußte es nicht, endlich fiel ihr das Halsband ein, das sie den Thieren gegeben hatte und sah an dem Loͤwen ihres Gemahls das goldene Schloͤßchen; da sprach sie vergnuͤgt: „dieser ist mein rechter Mann.“ Da lachte der junge Koͤnig und sagte: „ja, das ist der rechte!“ und sie setzten sich zusammen zu Tisch, aßen und tranken und waren froͤhlich. Abends, als der junge Koͤnig zu Bett ging, sprach seine Frau: „warum hast du die vorigen Naͤchte immer ein zweischneidiges Schwert in unser Bett gelegt, ich habe geglaubt, du wolltest mich todtschlagen.“ Da erkannte er, wie treu sein Bruder gewesen war.
61.
Das Buͤrle.
Es war ein Dorf, darin saßen lauter reiche Bauern und nur ein armer, den nannten sie das Buͤrle (Baͤuerlein). Er hatte nicht einmal eine Kuh und noch weniger Geld eine zu kaufen; und er und seine Frau haͤtten so gern eine gehabt. Einmal sprach er zu ihr: „hoͤr, ich hab einen guten Gedanken, da ist unser Gevatter Schreiner, der soll uns ein Kalb aus Holz machen und braun anstreichen, daß es wie ein anderes aussieht, mit der Zeit wirds wohl groß und gibt eine Kuh.“ Der Frau gefiel das auch, und der Gevatter Schreiner zimmerte und hobelte das Kalb zurecht, strich es an, wie sichs gehoͤrte, und machte es so, daß es den Kopf unterhaͤngte, als fraͤße es.
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Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im
Olms-Verlag erschienenen Ausgabe
(ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.
Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/401>, abgerufen am 22.02.2025.
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