Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.Thiere, den Wolf den Fuchs und das Häslein herankommen und merkte wohl, daß sie Böses vorhatten. Da erhob er seine blinkende Axt und stellte sich vor den Spielmann, als wollt er sagen: "dem darf niemand etwas thun, so lang ich die Axt schwingen kann!" und als die Thiere das sahen, ward ihnen so Angst, daß sie in den Wald zurück liefen. Der Spielmann aber spielte dem armen Manne noch eins zum Gegendank, und zog dann weiter. 9.
Die zwölf Brüder. Es war einmal ein König und eine Königin, die lebten in Frieden mit einander und hatten zwölf Kinder, das waren aber lauter Buben. Nun sprach der König zu seiner Frau: "wenn das dreizehnte Kind, das du zur Welt bringst, ein Mädchen ist, so sollen die zwölf Buben sterben, damit sein Reichthum groß wird und es das Königreich allein erhält." Er ließ auch zwölf Särge machen, die waren schon mit Hobelspänen gefüllt und in jedem lag das Todtenkißchen und ließ sie in eine verschloßene Stube bringen, davon gab er der Königin den Schlüssel und sprach, sie sollte niemand davon etwas sagen. Die Mutter aber saß nun den ganzen Tag und trauerte, so daß der kleinste Sohn, der immer bei ihr war und den sie nach der Bibel Benjamin nannte, zu ihr sprach: "liebe Mutter, warum bist du so betraurig?" "Liebstes Kind, antwortete sie, ich darf dirs nicht sagen." Er ließ ihr aber keine Ruhe, bis sie ging und die Stube aufschloß und ihm die zwölf Todtenladen Thiere, den Wolf den Fuchs und das Haͤslein herankommen und merkte wohl, daß sie Boͤses vorhatten. Da erhob er seine blinkende Axt und stellte sich vor den Spielmann, als wollt er sagen: „dem darf niemand etwas thun, so lang ich die Axt schwingen kann!“ und als die Thiere das sahen, ward ihnen so Angst, daß sie in den Wald zuruͤck liefen. Der Spielmann aber spielte dem armen Manne noch eins zum Gegendank, und zog dann weiter. 9.
Die zwoͤlf Bruͤder. Es war einmal ein Koͤnig und eine Koͤnigin, die lebten in Frieden mit einander und hatten zwoͤlf Kinder, das waren aber lauter Buben. Nun sprach der Koͤnig zu seiner Frau: „wenn das dreizehnte Kind, das du zur Welt bringst, ein Maͤdchen ist, so sollen die zwoͤlf Buben sterben, damit sein Reichthum groß wird und es das Koͤnigreich allein erhaͤlt.“ Er ließ auch zwoͤlf Saͤrge machen, die waren schon mit Hobelspaͤnen gefuͤllt und in jedem lag das Todtenkißchen und ließ sie in eine verschloßene Stube bringen, davon gab er der Koͤnigin den Schluͤssel und sprach, sie sollte niemand davon etwas sagen. Die Mutter aber saß nun den ganzen Tag und trauerte, so daß der kleinste Sohn, der immer bei ihr war und den sie nach der Bibel Benjamin nannte, zu ihr sprach: „liebe Mutter, warum bist du so betraurig?“ „Liebstes Kind, antwortete sie, ich darf dirs nicht sagen.“ Er ließ ihr aber keine Ruhe, bis sie ging und die Stube aufschloß und ihm die zwoͤlf Todtenladen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0112" n="48"/> Thiere, den Wolf den Fuchs und das Haͤslein herankommen und merkte wohl, daß sie Boͤses vorhatten. Da erhob er seine blinkende Axt und stellte sich vor den Spielmann, als wollt er sagen: „dem darf niemand etwas thun, so lang ich die Axt schwingen kann!“ und als die Thiere das sahen, ward ihnen so Angst, daß sie in den Wald zuruͤck liefen. Der Spielmann aber spielte dem armen Manne noch eins zum Gegendank, und zog dann weiter.</p> </div><lb/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">9.<lb/> Die zwoͤlf Bruͤder.</hi> </head><lb/> <p>Es war einmal ein Koͤnig und eine Koͤnigin, die lebten in Frieden mit einander und hatten zwoͤlf Kinder, das waren aber lauter Buben. Nun sprach der Koͤnig zu seiner Frau: „wenn das dreizehnte Kind, das du zur Welt bringst, ein Maͤdchen ist, so sollen die zwoͤlf Buben sterben, damit sein Reichthum groß wird und es das Koͤnigreich allein erhaͤlt.“ Er ließ auch zwoͤlf Saͤrge machen, die waren schon mit <choice><sic>Hobelspaͤne</sic><corr type="corrigenda">Hobelspaͤnen</corr></choice> gefuͤllt und in jedem lag das Todtenkißchen und ließ sie in eine verschloßene Stube bringen, davon gab er der Koͤnigin den Schluͤssel und sprach, sie sollte niemand davon etwas sagen.</p><lb/> <p>Die Mutter aber saß nun den ganzen Tag und trauerte, so daß der kleinste Sohn, der immer bei ihr war und den sie nach der Bibel Benjamin nannte, zu ihr sprach: „liebe Mutter, warum bist du so betraurig?“ „Liebstes Kind, antwortete sie, ich darf dirs nicht sagen.“ Er ließ ihr aber keine Ruhe, bis sie ging und die Stube aufschloß und ihm die zwoͤlf Todtenladen </p> </div> </body> </text> </TEI> [48/0112]
Thiere, den Wolf den Fuchs und das Haͤslein herankommen und merkte wohl, daß sie Boͤses vorhatten. Da erhob er seine blinkende Axt und stellte sich vor den Spielmann, als wollt er sagen: „dem darf niemand etwas thun, so lang ich die Axt schwingen kann!“ und als die Thiere das sahen, ward ihnen so Angst, daß sie in den Wald zuruͤck liefen. Der Spielmann aber spielte dem armen Manne noch eins zum Gegendank, und zog dann weiter.
9.
Die zwoͤlf Bruͤder.
Es war einmal ein Koͤnig und eine Koͤnigin, die lebten in Frieden mit einander und hatten zwoͤlf Kinder, das waren aber lauter Buben. Nun sprach der Koͤnig zu seiner Frau: „wenn das dreizehnte Kind, das du zur Welt bringst, ein Maͤdchen ist, so sollen die zwoͤlf Buben sterben, damit sein Reichthum groß wird und es das Koͤnigreich allein erhaͤlt.“ Er ließ auch zwoͤlf Saͤrge machen, die waren schon mit Hobelspaͤnen gefuͤllt und in jedem lag das Todtenkißchen und ließ sie in eine verschloßene Stube bringen, davon gab er der Koͤnigin den Schluͤssel und sprach, sie sollte niemand davon etwas sagen.
Die Mutter aber saß nun den ganzen Tag und trauerte, so daß der kleinste Sohn, der immer bei ihr war und den sie nach der Bibel Benjamin nannte, zu ihr sprach: „liebe Mutter, warum bist du so betraurig?“ „Liebstes Kind, antwortete sie, ich darf dirs nicht sagen.“ Er ließ ihr aber keine Ruhe, bis sie ging und die Stube aufschloß und ihm die zwoͤlf Todtenladen
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Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.
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