Die Kinderfrau weckte aber den König und sagte es ihm heimlich. Der König wachte die andere Nacht, und da sah er auch, wie die Königin kam und hörte deutlich ihre Worte:
"Was macht mein Kind? was macht mein Reh? nun komm' ich noch einmal und dann nimmer- mehr."
Aber er getraute sich nicht, sie anzureden. In der andern Nacht wacht' er wieder, da sprach die Königin:
"Was macht mein Kind? was macht mein Reh? nun komm' ich noch diesmal her und dann nim- mermehr."
Da konnte sich der König nicht länger halten, sprang auf und umarmte sie, und wie er sie an- rührte, ward sie wieder lebendig, frisch und roth. Die falsche Königin ward in den Wald geführt, wo die wilden Thiere sie fraßen, die böse Stief- mutter aber ward verbrannt, und wie das Feuer sie verzehrte, da verwandelte sich das Rehkälb- chen, und Brüderchen und Schwesterchen waren wieder beisammen und lebten glücklich ihr Lebe- lang.
12. Rapunzel.
Es war einmal ein Mann und eine Frau, die hatten sich schon lange ein Kind gewünscht
Die Kinderfrau weckte aber den Koͤnig und ſagte es ihm heimlich. Der Koͤnig wachte die andere Nacht, und da ſah er auch, wie die Koͤnigin kam und hoͤrte deutlich ihre Worte:
„Was macht mein Kind? was macht mein Reh? nun komm' ich noch einmal und dann nimmer- mehr.“
Aber er getraute ſich nicht, ſie anzureden. In der andern Nacht wacht' er wieder, da ſprach die Koͤnigin:
„Was macht mein Kind? was macht mein Reh? nun komm' ich noch diesmal her und dann nim- mermehr.“
Da konnte ſich der Koͤnig nicht laͤnger halten, ſprang auf und umarmte ſie, und wie er ſie an- ruͤhrte, ward ſie wieder lebendig, friſch und roth. Die falſche Koͤnigin ward in den Wald gefuͤhrt, wo die wilden Thiere ſie fraßen, die boͤſe Stief- mutter aber ward verbrannt, und wie das Feuer ſie verzehrte, da verwandelte ſich das Rehkaͤlb- chen, und Bruͤderchen und Schweſterchen waren wieder beiſammen und lebten gluͤcklich ihr Lebe- lang.
12. Rapunzel.
Es war einmal ein Mann und eine Frau, die hatten ſich ſchon lange ein Kind gewuͤnſcht
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Die Kinderfrau weckte aber den Koͤnig und ſagte
es ihm heimlich. Der Koͤnig wachte die andere
Nacht, und da ſah er auch, wie die Koͤnigin
kam und hoͤrte deutlich ihre Worte:
„Was macht mein Kind? was macht mein Reh?
nun komm' ich noch einmal und dann nimmer-
mehr.“
Aber er getraute ſich nicht, ſie anzureden. In
der andern Nacht wacht' er wieder, da ſprach
die Koͤnigin:
„Was macht mein Kind? was macht mein Reh?
nun komm' ich noch diesmal her und dann nim-
mermehr.“
Da konnte ſich der Koͤnig nicht laͤnger halten,
ſprang auf und umarmte ſie, und wie er ſie an-
ruͤhrte, ward ſie wieder lebendig, friſch und roth.
Die falſche Koͤnigin ward in den Wald gefuͤhrt,
wo die wilden Thiere ſie fraßen, die boͤſe Stief-
mutter aber ward verbrannt, und wie das Feuer
ſie verzehrte, da verwandelte ſich das Rehkaͤlb-
chen, und Bruͤderchen und Schweſterchen waren
wieder beiſammen und lebten gluͤcklich ihr Lebe-
lang.
12.
Rapunzel.
Es war einmal ein Mann und eine Frau,
die hatten ſich ſchon lange ein Kind gewuͤnſcht
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/72>, abgerufen am 18.11.2024.
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