Friedr. Schulz in s. kleinen Romanen Bd. 5. Lpz. 1790. S. 269--88. nur zu weitläuftig erzählt, wie- wohl ohne Zweifel aus mündlicher Sage. Wie weit übertrifft es dennoch seine übrigen Mär- chen! Eins in Büschings Sammlung hat an- fangs S. 287. einige Züge aus dem unsrigen, ge- räth aber bald nachher heraus und in den fran- zösischen Stil.
Zu Hänsel und Gretel. No. 15.
hängt genau mit einigen Daumlingssagen, besonders dem französ. kleinen poucet zusammen. Der ganz doppelartige Charakter des Daumerling (pulga- rejo Pollux) erscheint schon in der uralten Mythe und geht z. B. in unserer Sprache nur halbrecht in Dummling, Dümmling über, während das alte thumb, wie noch jetzt das Englische, eine mildere Bedeutung hat. Die eigentliche Ausführung ei- ner so merkwürdigen Fabel würde hier zu viel ab- leiten.
Oberlin giebt ein Stück dieses Märchens nach dem Dialect der Gegend von Lüneville in seinem Essai, sur le patois.
Auch in deutschen Erzählungen wird Hänsel als ein Daumling dargestellt. Es sind sechs Kin- der, er ist das siebente. Wie sie im Wald beim Menschenfresser sind, sollen sie ihn frisiren, der Daumling aber springt ihm ins Haar, zupft ihn und kommt immer wieder. Darauf Nachts die Verwechslung der sieben Kronen mit den sieben rothen Kappen. In den Meilenstiefel thut der Daumling alle Geldbeutel und Kostbarkeiten.
Zu Fix und Fertig. No. 16.
ähnlich damit No. 64, II. dasselbe Märchen aber in dem jüdischen Maasähbuch c. 134. vom Rabbi Chanina, nur wird der König aufmerksam auf die Prinzessin mit den goldenen Haaren, durch ein einzelnes Haar, das ein Vogel einmal ihm auf die Achsel fallen läßt. Bei Straparola mit eini- ger Veränderung in den Motiven von Livoret
Friedr. Schulz in ſ. kleinen Romanen Bd. 5. Lpz. 1790. S. 269—88. nur zu weitlaͤuftig erzaͤhlt, wie- wohl ohne Zweifel aus muͤndlicher Sage. Wie weit uͤbertrifft es dennoch ſeine uͤbrigen Maͤr- chen! Eins in Buͤſchings Sammlung hat an- fangs S. 287. einige Zuͤge aus dem unſrigen, ge- raͤth aber bald nachher heraus und in den fran- zoͤſiſchen Stil.
Zu Haͤnſel und Gretel. No. 15.
haͤngt genau mit einigen Daumlingsſagen, beſonders dem franzoͤſ. kleinen poucet zuſammen. Der ganz doppelartige Charakter des Daumerling (pulga- rejo Pollux) erſcheint ſchon in der uralten Mythe und geht z. B. in unſerer Sprache nur halbrecht in Dummling, Duͤmmling uͤber, waͤhrend das alte thumb, wie noch jetzt das Engliſche, eine mildere Bedeutung hat. Die eigentliche Ausfuͤhrung ei- ner ſo merkwuͤrdigen Fabel wuͤrde hier zu viel ab- leiten.
Oberlin giebt ein Stuͤck dieſes Maͤrchens nach dem Dialect der Gegend von Luͤneville in ſeinem Essai, sur le patois.
Auch in deutſchen Erzaͤhlungen wird Haͤnſel als ein Daumling dargeſtellt. Es ſind ſechs Kin- der, er iſt das ſiebente. Wie ſie im Wald beim Menſchenfreſſer ſind, ſollen ſie ihn friſiren, der Daumling aber ſpringt ihm ins Haar, zupft ihn und kommt immer wieder. Darauf Nachts die Verwechslung der ſieben Kronen mit den ſieben rothen Kappen. In den Meilenſtiefel thut der Daumling alle Geldbeutel und Koſtbarkeiten.
Zu Fix und Fertig. No. 16.
aͤhnlich damit No. 64, II. daſſelbe Maͤrchen aber in dem juͤdiſchen Maaſaͤhbuch c. 134. vom Rabbi Chanina, nur wird der Koͤnig aufmerkſam auf die Prinzeſſin mit den goldenen Haaren, durch ein einzelnes Haar, das ein Vogel einmal ihm auf die Achſel fallen laͤßt. Bei Straparola mit eini- ger Veraͤnderung in den Motiven von Livoret
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0431"n="IX"/>
Friedr. Schulz in ſ. kleinen Romanen Bd. 5. Lpz.<lb/>
1790. S. 269—88. nur zu weitlaͤuftig erzaͤhlt, wie-<lb/>
wohl ohne Zweifel aus muͤndlicher Sage. Wie<lb/>
weit uͤbertrifft es dennoch ſeine uͤbrigen Maͤr-<lb/>
chen! Eins in Buͤſchings Sammlung hat an-<lb/>
fangs S. 287. einige Zuͤge aus dem unſrigen, ge-<lb/>
raͤth aber bald nachher heraus und in den fran-<lb/>
zoͤſiſchen Stil.</p></div><lb/><divn="2"><head>Zu Haͤnſel und Gretel. No. 15.</head><lb/><p>haͤngt genau mit einigen Daumlingsſagen, beſonders<lb/>
dem franzoͤſ. kleinen <hirendition="#aq">poucet</hi> zuſammen. Der ganz<lb/>
doppelartige Charakter des Daumerling (<hirendition="#aq">pulga-<lb/>
rejo <choice><sic>Pollus</sic><corrtype="corrigenda">Pollux</corr></choice></hi>) erſcheint ſchon in der uralten Mythe<lb/>
und geht z. B. in unſerer Sprache nur halbrecht<lb/>
in <choice><sic>Dummlung</sic><corrtype="corrigenda">Dummling</corr></choice>, Duͤmmling uͤber, waͤhrend das alte<lb/><hirendition="#g">thumb</hi>, wie noch jetzt das Engliſche, eine mildere<lb/>
Bedeutung hat. Die eigentliche Ausfuͤhrung ei-<lb/>
ner ſo merkwuͤrdigen Fabel wuͤrde hier zu viel ab-<lb/>
leiten.</p><lb/><p>Oberlin giebt ein Stuͤck dieſes Maͤrchens nach<lb/>
dem Dialect der Gegend von Luͤneville <choice><sic>iu</sic><corr>in</corr></choice>ſeinem<lb/><hirendition="#aq"><choice><sic>Essais</sic><corrtype="corrigenda">Essai</corr></choice>, sur le patois.</hi></p><lb/><p>Auch in deutſchen Erzaͤhlungen wird Haͤnſel<lb/>
als ein Daumling dargeſtellt. Es ſind ſechs Kin-<lb/>
der, er iſt das ſiebente. Wie ſie im Wald beim<lb/>
Menſchenfreſſer ſind, ſollen ſie ihn friſiren, der<lb/>
Daumling aber ſpringt ihm ins Haar, zupft ihn<lb/>
und kommt immer wieder. Darauf Nachts die<lb/>
Verwechslung der ſieben Kronen mit den ſieben<lb/>
rothen Kappen. In den Meilenſtiefel thut der<lb/>
Daumling alle Geldbeutel und Koſtbarkeiten.</p></div><lb/><divn="2"><head>Zu Fix und Fertig. No. 16.</head><lb/><p>aͤhnlich damit No. 64, <hirendition="#aq">II.</hi> daſſelbe Maͤrchen aber<lb/>
in dem juͤdiſchen Maaſaͤhbuch c. 134. vom Rabbi<lb/>
Chanina, nur wird der Koͤnig aufmerkſam auf die<lb/>
Prinzeſſin mit den goldenen Haaren, durch ein<lb/>
einzelnes Haar, das ein Vogel einmal ihm auf<lb/>
die Achſel fallen laͤßt. Bei Straparola mit eini-<lb/>
ger Veraͤnderung in den Motiven von Livoret<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[IX/0431]
Friedr. Schulz in ſ. kleinen Romanen Bd. 5. Lpz.
1790. S. 269—88. nur zu weitlaͤuftig erzaͤhlt, wie-
wohl ohne Zweifel aus muͤndlicher Sage. Wie
weit uͤbertrifft es dennoch ſeine uͤbrigen Maͤr-
chen! Eins in Buͤſchings Sammlung hat an-
fangs S. 287. einige Zuͤge aus dem unſrigen, ge-
raͤth aber bald nachher heraus und in den fran-
zoͤſiſchen Stil.
Zu Haͤnſel und Gretel. No. 15.
haͤngt genau mit einigen Daumlingsſagen, beſonders
dem franzoͤſ. kleinen poucet zuſammen. Der ganz
doppelartige Charakter des Daumerling (pulga-
rejo Pollux) erſcheint ſchon in der uralten Mythe
und geht z. B. in unſerer Sprache nur halbrecht
in Dummling, Duͤmmling uͤber, waͤhrend das alte
thumb, wie noch jetzt das Engliſche, eine mildere
Bedeutung hat. Die eigentliche Ausfuͤhrung ei-
ner ſo merkwuͤrdigen Fabel wuͤrde hier zu viel ab-
leiten.
Oberlin giebt ein Stuͤck dieſes Maͤrchens nach
dem Dialect der Gegend von Luͤneville in ſeinem
Essai, sur le patois.
Auch in deutſchen Erzaͤhlungen wird Haͤnſel
als ein Daumling dargeſtellt. Es ſind ſechs Kin-
der, er iſt das ſiebente. Wie ſie im Wald beim
Menſchenfreſſer ſind, ſollen ſie ihn friſiren, der
Daumling aber ſpringt ihm ins Haar, zupft ihn
und kommt immer wieder. Darauf Nachts die
Verwechslung der ſieben Kronen mit den ſieben
rothen Kappen. In den Meilenſtiefel thut der
Daumling alle Geldbeutel und Koſtbarkeiten.
Zu Fix und Fertig. No. 16.
aͤhnlich damit No. 64, II. daſſelbe Maͤrchen aber
in dem juͤdiſchen Maaſaͤhbuch c. 134. vom Rabbi
Chanina, nur wird der Koͤnig aufmerkſam auf die
Prinzeſſin mit den goldenen Haaren, durch ein
einzelnes Haar, das ein Vogel einmal ihm auf
die Achſel fallen laͤßt. Bei Straparola mit eini-
ger Veraͤnderung in den Motiven von Livoret
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. IX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/431>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.