Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

schlägt fehl, dem Mann auf den Kopf, daß er
gleich todt hinfällt, der Sperling aber fliegt
auf und davon.

59.
Prinz Schwan.

Es war ein Mädchen mitten in einem gro-
ßen Wald, da kam ein Schwan auf es zuge-
gangen, der hatte einen Knauel Garn, und
sprach zu ihm: "ich bin kein Schwan, sondern
ein verzauberter Prinz, aber du kannst mich er-
lösen, wenn du den Knauel Garn abwickelst,
an dem ich fortfliege; doch hüte dich, daß du
den Faden nicht entzwei brichst, sonst komm' ich
nicht bis in mein Königreich, und werde nicht
erlöst; wickelst du aber den Knauel ganz ab,
dann bist du meine Braut." Das Mädchen
nahm den Knauel, und der Schwan stieg auf
in die Luft, und das Garn wickelte sich leicht-
lich ab. Es wickelte und wickelte den ganzen
Tag, und am Abend war schon das Ende des
Fadens zu sehen, da blieb er unglücklicherweise
an einem Dornstrauch hängen und brach ab.
Das Mädchen war sehr betrübt und weinte, es
wollt' auch Nacht werden, der Wind ging so
laut in dem Wald, daß ihm Angst ward, und
es anfing zu laufen, was es nur konnte. Und
als es lang gelaufen war, sah es ein kleines

Kindermärchen. S

ſchlaͤgt fehl, dem Mann auf den Kopf, daß er
gleich todt hinfaͤllt, der Sperling aber fliegt
auf und davon.

59.
Prinz Schwan.

Es war ein Maͤdchen mitten in einem gro-
ßen Wald, da kam ein Schwan auf es zuge-
gangen, der hatte einen Knauel Garn, und
ſprach zu ihm: „ich bin kein Schwan, ſondern
ein verzauberter Prinz, aber du kannſt mich er-
loͤſen, wenn du den Knauel Garn abwickelſt,
an dem ich fortfliege; doch huͤte dich, daß du
den Faden nicht entzwei brichſt, ſonſt komm' ich
nicht bis in mein Koͤnigreich, und werde nicht
erloͤſt; wickelſt du aber den Knauel ganz ab,
dann biſt du meine Braut.“ Das Maͤdchen
nahm den Knauel, und der Schwan ſtieg auf
in die Luft, und das Garn wickelte ſich leicht-
lich ab. Es wickelte und wickelte den ganzen
Tag, und am Abend war ſchon das Ende des
Fadens zu ſehen, da blieb er ungluͤcklicherweiſe
an einem Dornſtrauch haͤngen und brach ab.
Das Maͤdchen war ſehr betruͤbt und weinte, es
wollt' auch Nacht werden, der Wind ging ſo
laut in dem Wald, daß ihm Angſt ward, und
es anfing zu laufen, was es nur konnte. Und
als es lang gelaufen war, ſah es ein kleines

Kindermärchen. S
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0307" n="273"/>
&#x017F;chla&#x0364;gt fehl, dem <choice><sic>Maun</sic><corr>Mann</corr></choice> auf den Kopf, daß er<lb/>
gleich todt hinfa&#x0364;llt, der Sperling aber fliegt<lb/>
auf und davon.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>59.<lb/><hi rendition="#g">Prinz Schwan</hi>.</head><lb/>
        <p>Es war ein Ma&#x0364;dchen mitten in einem gro-<lb/>
ßen Wald, da kam ein Schwan auf es zuge-<lb/>
gangen, der hatte einen Knauel Garn, und<lb/>
&#x017F;prach zu ihm: &#x201E;ich bin kein Schwan, &#x017F;ondern<lb/>
ein verzauberter Prinz, aber du kann&#x017F;t mich er-<lb/>
lo&#x0364;&#x017F;en, wenn du den Knauel Garn abwickel&#x017F;t,<lb/>
an dem ich fortfliege; doch hu&#x0364;te dich, daß du<lb/>
den Faden nicht entzwei brich&#x017F;t, &#x017F;on&#x017F;t komm' ich<lb/>
nicht bis in mein Ko&#x0364;nigreich, und werde nicht<lb/>
erlo&#x0364;&#x017F;t; wickel&#x017F;t du aber den Knauel ganz ab,<lb/>
dann bi&#x017F;t du meine Braut.&#x201C; Das Ma&#x0364;dchen<lb/>
nahm den Knauel, und der Schwan &#x017F;tieg auf<lb/>
in die Luft, und das Garn wickelte &#x017F;ich leicht-<lb/>
lich ab. Es wickelte und wickelte den ganzen<lb/>
Tag, und am Abend war &#x017F;chon das Ende des<lb/>
Fadens zu &#x017F;ehen, da blieb er unglu&#x0364;cklicherwei&#x017F;e<lb/>
an einem Dorn&#x017F;trauch ha&#x0364;ngen und brach ab.<lb/>
Das Ma&#x0364;dchen war &#x017F;ehr betru&#x0364;bt und weinte, es<lb/>
wollt' auch Nacht werden, der Wind ging &#x017F;o<lb/>
laut in dem Wald, daß ihm Ang&#x017F;t ward, und<lb/>
es anfing zu laufen, was es nur konnte. Und<lb/>
als es lang gelaufen war, &#x017F;ah es ein kleines<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Kindermärchen. S</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[273/0307] ſchlaͤgt fehl, dem Mann auf den Kopf, daß er gleich todt hinfaͤllt, der Sperling aber fliegt auf und davon. 59. Prinz Schwan. Es war ein Maͤdchen mitten in einem gro- ßen Wald, da kam ein Schwan auf es zuge- gangen, der hatte einen Knauel Garn, und ſprach zu ihm: „ich bin kein Schwan, ſondern ein verzauberter Prinz, aber du kannſt mich er- loͤſen, wenn du den Knauel Garn abwickelſt, an dem ich fortfliege; doch huͤte dich, daß du den Faden nicht entzwei brichſt, ſonſt komm' ich nicht bis in mein Koͤnigreich, und werde nicht erloͤſt; wickelſt du aber den Knauel ganz ab, dann biſt du meine Braut.“ Das Maͤdchen nahm den Knauel, und der Schwan ſtieg auf in die Luft, und das Garn wickelte ſich leicht- lich ab. Es wickelte und wickelte den ganzen Tag, und am Abend war ſchon das Ende des Fadens zu ſehen, da blieb er ungluͤcklicherweiſe an einem Dornſtrauch haͤngen und brach ab. Das Maͤdchen war ſehr betruͤbt und weinte, es wollt' auch Nacht werden, der Wind ging ſo laut in dem Wald, daß ihm Angſt ward, und es anfing zu laufen, was es nur konnte. Und als es lang gelaufen war, ſah es ein kleines Kindermärchen. S

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/307
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/307>, abgerufen am 18.11.2024.