Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

III. consonantische ableitungen. G.
igen; ein-händ-igen; be-hell-igen; be-herz-igen; huld-
igen; be-kräft-igen; kreuz-igen; künd-igen; be-läst-igen;
er-led-igen; be-leid-igen; er-mächt-igen; er-mäß-igen;
de-müth-igen; ab-müß-igen; ge-nehm-igen; nöth-igen;
pein-igen; rein-igen; be-richt-igen; be-seit-igen; be-
sel-igen; be-schäd-igen; be-sänft-igen; be-schäst-igen;
be-schein-igen; be-schleun-igen; schmeid-igen; be-
schoen-igen; be-schwicht-igen; beschuld-igen; be-staet-
igen; ver-ständ-igen; stein-igen; be-werk-stell-igen;
sünd-igen; be-thät-igen; be-theil-igen; ver-gegen-wärt-
igen; ein-will-igen; witz-igen; würd-igen; zeit-igen;
zucht-igen. Die meisten, aber nicht alle laßen sich auf
adj. zurückführen und in letzterm fall scheinen sie be-
sonders unorganisch (steinigen, beseitigen, huldigen, peini-
gen, endigen, eidigen, beerdigen, beschoenigen); die frühere
sprache bediente sich überall lieber der einfachen wörter,
sie sagte: beenden, vereinen, erden, hulden, künden, pei-
nen, reinen, beschoenen, steinen, sünden wie wir noch
heute: beeiden, besaiten, vernichten, vereinen etc. Das
-ig in befehligen mag aus dem alten -h in befelh, später
befelich (mandatum) herrühren.


bemerkungen zu den G-ableitungen insgemein.

a) die ableitung liegt bei den adj. auf -ag und -eig
am tage; in den meisten andern fällen bleibt sie dunkel,
wie schon die vielen ablautenden verba auf -lg, -ng, -rg
vermuthen laßen. Indessen kann die ableitende natur
des -g keinem zweifel unterworfen sein, jung z. b. muß
schon darum für jun-g genommen werden, weil die ver-
wandten sprachen den stamm jun- beweisen, vgl. lat.
jun-ior, litth. jaun-as, serb. jun-ak (heros juvenis) jun-
az (juvencus) lat. jun-ix (junge kuh); analog isi sin-eigs
vom stamme sin- gebildet, vgl. sin-ista mit dem litth. sen-
as und lat. sen-ior, sen-ex. Warum aber jun-gs nicht
jun-eigs lautete und wahrsch. aus jun-ags entspringt, läßt
sich nicht mehr erklären. Die ahd. per-ac (mons) und
pir-eic (ferax) würden goth. lauten bair-gs und bair-eigs;
aber pereic fällt zu bairan (nr. 325.) perac zu bairgan (nr.
446.), der neue ablautende stamm verdunkelt die urver-
wandtschaft beider. Da übrigens baurgs so gut wie bairgs
zu bairgan fällt, so bestätigt das meine vermuthung s. 297,
daß pur-uc für pur-ac stehe und das -uc nur aus assim.
hervorgehe. Ableitendes -g nach vocalen der wurzel
habe ich in zwei-c und plau-c gemuthmaßt. --

U 2

III. conſonantiſche ableitungen. G.
igen; ein-händ-igen; be-hell-igen; be-herz-igen; huld-
igen; be-kräft-igen; kreuz-igen; künd-igen; be-läſt-igen;
er-led-igen; be-leid-igen; er-mächt-igen; er-mäß-igen;
de-müth-igen; ab-müß-igen; ge-nehm-igen; nöth-igen;
pein-igen; rein-igen; be-richt-igen; be-ſeit-igen; be-
ſêl-igen; be-ſchäd-igen; be-ſänft-igen; be-ſchäſt-igen;
be-ſchein-igen; be-ſchleun-igen; ſchmeid-igen; be-
ſchœn-igen; be-ſchwicht-igen; beſchuld-igen; be-ſtæt-
igen; ver-ſtänd-igen; ſtein-igen; be-werk-ſtell-igen;
ſünd-igen; be-thät-igen; be-theil-igen; ver-gegen-wärt-
igen; ein-will-igen; witz-igen; würd-igen; zeit-igen;
zucht-igen. Die meiſten, aber nicht alle laßen ſich auf
adj. zurückführen und in letzterm fall ſcheinen ſie be-
ſonders unorganiſch (ſteinigen, beſeitigen, huldigen, peini-
gen, endigen, eidigen, beerdigen, beſchœnigen); die frühere
ſprache bediente ſich überall lieber der einfachen wörter,
ſie ſagte: beenden, vereinen, ërden, hulden, künden, pî-
nen, reinen, beſchœnen, ſteinen, ſünden wie wir noch
heute: beeiden, beſaiten, vernichten, vereinen etc. Das
-ig in befehligen mag aus dem alten -h in befelh, ſpäter
befelich (mandatum) herrühren.


bemerkungen zu den G-ableitungen insgemein.

a) die ableitung liegt bei den adj. auf -ag und -eig
am tage; in den meiſten andern fällen bleibt ſie dunkel,
wie ſchon die vielen ablautenden verba auf -lg, -ng, -rg
vermuthen laßen. Indeſſen kann die ableitende natur
des -g keinem zweifel unterworfen ſein, jung z. b. muß
ſchon darum für jun-g genommen werden, weil die ver-
wandten ſprachen den ſtamm jun- beweiſen, vgl. lat.
jun-ior, litth. jaun-as, ſerb. jun-ak (heros juvenis) jun-
az (juvencus) lat. jun-ix (junge kuh); analog iſi ſin-eigs
vom ſtamme ſin- gebildet, vgl. ſin-iſta mit dem litth. ſen-
as und lat. ſen-ior, ſen-ex. Warum aber jun-gs nicht
jun-eigs lautete und wahrſch. aus jun-ags entſpringt, läßt
ſich nicht mehr erklären. Die ahd. për-ac (mons) und
pir-îc (ferax) würden goth. lauten baír-gs und baír-eigs;
aber përîc fällt zu baíran (nr. 325.) përac zu baírgan (nr.
446.), der neue ablautende ſtamm verdunkelt die urver-
wandtſchaft beider. Da übrigens baúrgs ſo gut wie baírgs
zu baírgan fällt, ſo beſtätigt das meine vermuthung ſ. 297,
daß pur-uc für pur-ac ſtehe und das -uc nur aus aſſim.
hervorgehe. Ableitendes -g nach vocalen der wurzel
habe ich in zwî-c und plû-c gemuthmaßt. —

U 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0325" n="307"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">III. <hi rendition="#i">con&#x017F;onanti&#x017F;che ableitungen. G.</hi></hi></fw><lb/>
igen; ein-händ-igen; be-hell-igen; be-herz-igen; huld-<lb/>
igen; be-kräft-igen; kreuz-igen; künd-igen; be-lä&#x017F;t-igen;<lb/>
er-led-igen; be-leid-igen; er-mächt-igen; er-mäß-igen;<lb/>
de-müth-igen; ab-müß-igen; ge-nehm-igen; nöth-igen;<lb/>
pein-igen; rein-igen; be-richt-igen; be-&#x017F;eit-igen; be-<lb/>
&#x017F;êl-igen; be-&#x017F;chäd-igen; be-&#x017F;änft-igen; be-&#x017F;chä&#x017F;t-igen;<lb/>
be-&#x017F;chein-igen; be-&#x017F;chleun-igen; &#x017F;chmeid-igen; be-<lb/>
&#x017F;ch&#x0153;n-igen; be-&#x017F;chwicht-igen; be&#x017F;chuld-igen; be-&#x017F;tæt-<lb/>
igen; ver-&#x017F;tänd-igen; &#x017F;tein-igen; be-werk-&#x017F;tell-igen;<lb/>
&#x017F;ünd-igen; be-thät-igen; be-theil-igen; ver-gegen-wärt-<lb/>
igen; ein-will-igen; witz-igen; würd-igen; zeit-igen;<lb/>
zucht-igen. Die mei&#x017F;ten, aber nicht alle laßen &#x017F;ich auf<lb/>
adj. zurückführen und in letzterm fall &#x017F;cheinen &#x017F;ie be-<lb/>
&#x017F;onders unorgani&#x017F;ch (&#x017F;teinigen, be&#x017F;eitigen, huldigen, peini-<lb/>
gen, endigen, eidigen, beerdigen, be&#x017F;ch&#x0153;nigen); die frühere<lb/>
&#x017F;prache bediente &#x017F;ich überall lieber der einfachen wörter,<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;agte: beenden, vereinen, ërden, hulden, künden, pî-<lb/>
nen, reinen, be&#x017F;ch&#x0153;nen, &#x017F;teinen, &#x017F;ünden wie wir noch<lb/>
heute: beeiden, be&#x017F;aiten, vernichten, vereinen etc. Das<lb/>
-ig in befehligen mag aus dem alten -h in befelh, &#x017F;päter<lb/>
befelich (mandatum) herrühren.</p><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
              <div n="5">
                <head> <hi rendition="#i">bemerkungen zu den G-ableitungen insgemein.</hi> </head><lb/>
                <p>a) die ableitung liegt bei den adj. auf -ag und -eig<lb/>
am tage; in den mei&#x017F;ten andern fällen bleibt &#x017F;ie dunkel,<lb/>
wie &#x017F;chon die vielen ablautenden verba auf -lg, -ng, -rg<lb/>
vermuthen laßen. Inde&#x017F;&#x017F;en kann die ableitende natur<lb/>
des -g keinem zweifel unterworfen &#x017F;ein, jung z. b. muß<lb/>
&#x017F;chon darum für jun-g genommen werden, weil die ver-<lb/>
wandten &#x017F;prachen den &#x017F;tamm jun- bewei&#x017F;en, vgl. lat.<lb/>
jun-ior, litth. jaun-as, &#x017F;erb. jun-ak (heros juvenis) jun-<lb/>
az (juvencus) lat. jun-ix (junge kuh); analog i&#x017F;i &#x017F;in-eigs<lb/>
vom &#x017F;tamme &#x017F;in- gebildet, vgl. &#x017F;in-i&#x017F;ta mit dem litth. &#x017F;en-<lb/>
as und lat. &#x017F;en-ior, &#x017F;en-ex. Warum aber jun-gs nicht<lb/>
jun-eigs lautete und wahr&#x017F;ch. aus jun-ags ent&#x017F;pringt, läßt<lb/>
&#x017F;ich nicht mehr erklären. Die ahd. për-ac (mons) und<lb/>
pir-îc (ferax) würden goth. lauten baír-gs und baír-eigs;<lb/>
aber përîc fällt zu baíran (nr. 325.) përac zu baírgan (nr.<lb/>
446.), der neue ablautende &#x017F;tamm verdunkelt die urver-<lb/>
wandt&#x017F;chaft beider. Da übrigens baúrgs &#x017F;o gut wie baírgs<lb/>
zu baírgan fällt, &#x017F;o be&#x017F;tätigt das meine vermuthung &#x017F;. 297,<lb/>
daß pur-uc für pur-ac &#x017F;tehe und das -uc nur aus a&#x017F;&#x017F;im.<lb/>
hervorgehe. Ableitendes -g nach vocalen der wurzel<lb/>
habe ich in zwî-c und plû-c gemuthmaßt. &#x2014;</p><lb/>
                <fw place="bottom" type="sig">U 2</fw><lb/>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[307/0325] III. conſonantiſche ableitungen. G. igen; ein-händ-igen; be-hell-igen; be-herz-igen; huld- igen; be-kräft-igen; kreuz-igen; künd-igen; be-läſt-igen; er-led-igen; be-leid-igen; er-mächt-igen; er-mäß-igen; de-müth-igen; ab-müß-igen; ge-nehm-igen; nöth-igen; pein-igen; rein-igen; be-richt-igen; be-ſeit-igen; be- ſêl-igen; be-ſchäd-igen; be-ſänft-igen; be-ſchäſt-igen; be-ſchein-igen; be-ſchleun-igen; ſchmeid-igen; be- ſchœn-igen; be-ſchwicht-igen; beſchuld-igen; be-ſtæt- igen; ver-ſtänd-igen; ſtein-igen; be-werk-ſtell-igen; ſünd-igen; be-thät-igen; be-theil-igen; ver-gegen-wärt- igen; ein-will-igen; witz-igen; würd-igen; zeit-igen; zucht-igen. Die meiſten, aber nicht alle laßen ſich auf adj. zurückführen und in letzterm fall ſcheinen ſie be- ſonders unorganiſch (ſteinigen, beſeitigen, huldigen, peini- gen, endigen, eidigen, beerdigen, beſchœnigen); die frühere ſprache bediente ſich überall lieber der einfachen wörter, ſie ſagte: beenden, vereinen, ërden, hulden, künden, pî- nen, reinen, beſchœnen, ſteinen, ſünden wie wir noch heute: beeiden, beſaiten, vernichten, vereinen etc. Das -ig in befehligen mag aus dem alten -h in befelh, ſpäter befelich (mandatum) herrühren. bemerkungen zu den G-ableitungen insgemein. a) die ableitung liegt bei den adj. auf -ag und -eig am tage; in den meiſten andern fällen bleibt ſie dunkel, wie ſchon die vielen ablautenden verba auf -lg, -ng, -rg vermuthen laßen. Indeſſen kann die ableitende natur des -g keinem zweifel unterworfen ſein, jung z. b. muß ſchon darum für jun-g genommen werden, weil die ver- wandten ſprachen den ſtamm jun- beweiſen, vgl. lat. jun-ior, litth. jaun-as, ſerb. jun-ak (heros juvenis) jun- az (juvencus) lat. jun-ix (junge kuh); analog iſi ſin-eigs vom ſtamme ſin- gebildet, vgl. ſin-iſta mit dem litth. ſen- as und lat. ſen-ior, ſen-ex. Warum aber jun-gs nicht jun-eigs lautete und wahrſch. aus jun-ags entſpringt, läßt ſich nicht mehr erklären. Die ahd. për-ac (mons) und pir-îc (ferax) würden goth. lauten baír-gs und baír-eigs; aber përîc fällt zu baíran (nr. 325.) përac zu baírgan (nr. 446.), der neue ablautende ſtamm verdunkelt die urver- wandtſchaft beider. Da übrigens baúrgs ſo gut wie baírgs zu baírgan fällt, ſo beſtätigt das meine vermuthung ſ. 297, daß pur-uc für pur-ac ſtehe und das -uc nur aus aſſim. hervorgehe. Ableitendes -g nach vocalen der wurzel habe ich in zwî-c und plû-c gemuthmaßt. — U 2

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/325
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/325>, abgerufen am 21.12.2024.