Alle verhältnisse sind ungestörter und einfacher als im mittelh., überhaupt noch die altsächs. grundsätze an- wendbar. Namentlich die mittelh regel, daß med. im aus- laut zur ten. werde, scheint mir hier nicht zu behaupten; es heißt dag, dages; bad, bades, nicht dac, bat und nie reimen dag, bad auf brac (fregit) at (edit); bloß beim lippenlaut tritt analoger wechsel zwischen f und v (gaf, gaven) ein. Auch die anlaute stehen unver- änderlich.
(L. M. N. R.) liquidae.
Die wenigen, unsicheren quellen laßen hier kaum etwas eigenes bemerken. Veld. u. Herb. reime verrathen keine ausstoßung des n und keine umsetzung von gras oder brinnen. Für sterne gilt vermuthlich sterre, wie- wohl der reim: verre fragm. 3a nicht strenge beweist. Herm. Damen 60a reimt sterren:seren, reren, verren; 65a verre:lere (s. oben bei e).
(P. B. F. V. W.) labiales.
(P) anlautend nur in undeutschen wörtern, oder vielleicht in uralten, aus ganz anderm cons. verhältnis stehen gebliebenen. Fremdes ursprungs, aber völlig dun- keles, scheint mir page (equus) gen. pagen, ein wort, dessen sich Herb. häufig bedient, und welches noch heute in westphalen und uiedersachsen gangbar ist. doch der holländ. fries. angels. und nord. mundart nicht gänzlich abgehen würde, wenn es wirklich deutsch wäre. Merk- würdig wegen der starken conj ist peipen[,] pep (stillare, auch bei Herb. und ebenso isländ. vgl. Biörn) es gehört zu peipa, tibia und gilt vom auslaufen aus der röhre. In- und ausl. kommt. die ten. oft vor, als slapen, wa- pen, greipen, ropen, sliep, grep, riep, hopen (sperare) scep (navis) etc. Ungenaner reim scheint kamp (pugna): lam (agnus) En. 85c (mittelh. kampf:lamp).
(B) lautet häufig an (ben, blome), niemahls in noch aus.
(F. V) eigentlich zwei verschiedene asp. 1) im an- laut sollte durchgängig f geschrieben werden, also fos (vulpes) frede (pax) flieten (fluere) allein lange scheint die hochd. schreibung des v eingewurzelt, der man schon im essener bruchst. (aus dem 10. jahrh.) begegnet. Daß das anlautende v. anderer natur sey, als das iul. lehrt eben die vergleichung des hochd. und goth. z. b. vat,
I. mittelniederdeutſche conſonanten. liq lab.
Mittelniederdeutſche conſonanten.
Alle verhältniſſe ſind ungeſtörter und einfacher als im mittelh., überhaupt noch die altſächſ. grundſätze an- wendbar. Namentlich die mittelh regel, daß med. im aus- laut zur ten. werde, ſcheint mir hier nicht zu behaupten; es heißt dag, dages; bad, bades, nicht dac, bat und nie reimen dag, bad auf brac (fregit) at (edit); bloß beim lippenlaut tritt analoger wechſel zwiſchen f und v (gaf, gâven) ein. Auch die anlaute ſtehen unver- änderlich.
(L. M. N. R.) liquidae.
Die wenigen, unſicheren quellen laßen hier kaum etwas eigenes bemerken. Veld. u. Herb. reime verrathen keine ausſtoßung des n und keine umſetzung von gras oder brinnen. Für ſtërne gilt vermuthlich ſtërre, wie- wohl der reim: vërre fragm. 3a nicht ſtrenge beweiſt. Herm. Damen 60a reimt ſtërren:ſêren, rêren, vërren; 65a vêrre:lêre (ſ. oben bei ê).
(P. B. F. V. W.) labiales.
(P) anlautend nur in undeutſchen wörtern, oder vielleicht in uralten, aus ganz anderm conſ. verhältnis ſtehen gebliebenen. Fremdes urſprungs, aber völlig dun- keles, ſcheint mir page (equus) gen. pagen, ein wort, deſſen ſich Herb. häufig bedient, und welches noch heute in weſtphalen und uiederſachſen gangbar iſt. doch der holländ. frieſ. angelſ. und nord. mundart nicht gänzlich abgehen würde, wenn es wirklich deutſch wäre. Merk- würdig wegen der ſtarken conj iſt pîpen[,] pêp (ſtillare, auch bei Herb. und ebenſo isländ. vgl. Biörn) es gehört zu pîpa, tibia und gilt vom auslaufen aus der röhre. In- und ausl. kommt. die ten. oft vor, als ſlàpen, wâ- pen, grîpen, rôpen, ſliep, grêp, riep, hopen (ſperare) ſcëp (navis) etc. Ungenaner reim ſcheint kamp (pugna): lam (agnus) En. 85c (mittelh. kampf:lamp).
(B) lautet häufig an (bên, blôme), niemahls in noch aus.
(F. V) eigentlich zwei verſchiedene aſp. 1) im an- laut ſollte durchgängig f geſchrieben werden, alſo fos (vulpes) frëde (pax) flieten (fluere) allein lange ſcheint die hochd. ſchreibung des v eingewurzelt, der man ſchon im eſſener bruchſt. (aus dem 10. jahrh.) begegnet. Daß das anlautende v. anderer natur ſey, als das iul. lehrt eben die vergleichung des hochd. und goth. z. b. vat,
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I. mittelniederdeutſche conſonanten. liq lab.
Mittelniederdeutſche conſonanten.
Alle verhältniſſe ſind ungeſtörter und einfacher als
im mittelh., überhaupt noch die altſächſ. grundſätze an-
wendbar. Namentlich die mittelh regel, daß med. im aus-
laut zur ten. werde, ſcheint mir hier nicht zu behaupten;
es heißt dag, dages; bad, bades, nicht dac, bat und
nie reimen dag, bad auf brac (fregit) at (edit); bloß
beim lippenlaut tritt analoger wechſel zwiſchen f und
v (gaf, gâven) ein. Auch die anlaute ſtehen unver-
änderlich.
(L. M. N. R.) liquidae.
Die wenigen, unſicheren quellen laßen hier kaum
etwas eigenes bemerken. Veld. u. Herb. reime verrathen
keine ausſtoßung des n und keine umſetzung von gras
oder brinnen. Für ſtërne gilt vermuthlich ſtërre, wie-
wohl der reim: vërre fragm. 3a nicht ſtrenge beweiſt.
Herm. Damen 60a reimt ſtërren:ſêren, rêren, vërren;
65a vêrre:lêre (ſ. oben bei ê).
(P. B. F. V. W.) labiales.
(P) anlautend nur in undeutſchen wörtern, oder
vielleicht in uralten, aus ganz anderm conſ. verhältnis
ſtehen gebliebenen. Fremdes urſprungs, aber völlig dun-
keles, ſcheint mir page (equus) gen. pagen, ein wort,
deſſen ſich Herb. häufig bedient, und welches noch heute
in weſtphalen und uiederſachſen gangbar iſt. doch der
holländ. frieſ. angelſ. und nord. mundart nicht gänzlich
abgehen würde, wenn es wirklich deutſch wäre. Merk-
würdig wegen der ſtarken conj iſt pîpen, pêp (ſtillare,
auch bei Herb. und ebenſo isländ. vgl. Biörn) es gehört
zu pîpa, tibia und gilt vom auslaufen aus der röhre.
In- und ausl. kommt. die ten. oft vor, als ſlàpen, wâ-
pen, grîpen, rôpen, ſliep, grêp, riep, hopen (ſperare)
ſcëp (navis) etc. Ungenaner reim ſcheint kamp (pugna):
lam (agnus) En. 85c (mittelh. kampf:lamp).
(B) lautet häufig an (bên, blôme), niemahls in noch aus.
(F. V) eigentlich zwei verſchiedene aſp. 1) im an-
laut ſollte durchgängig f geſchrieben werden, alſo fos
(vulpes) frëde (pax) flieten (fluere) allein lange ſcheint
die hochd. ſchreibung des v eingewurzelt, der man
ſchon im eſſener bruchſt. (aus dem 10. jahrh.) begegnet.
Daß das anlautende v. anderer natur ſey, als das iul. lehrt
eben die vergleichung des hochd. und goth. z. b. vat,
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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 462. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/488>, abgerufen am 21.11.2024.
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