alth. *) wahrgenommene vermischung gründet, in wel- chem fall nur antlitze und antlütte rechtsertig sind, viel- leicht das verkürzte antlit (Flore 28b Morolf 8b) antule (a. Tit. 124.) scheint bedenklich. -- 2) von ß hier ei- nige beispiele: gaße (platea) vaße (vase) waßer (aqua) haßen (odisse) laßen (retardare) neße (mador) keßel (cacabus) neßel (urtica) seßel (M. S. 2, 215a) meßer (culter) eßen. freßen. meßen. vergeßen. wißen (scire) biße (morsu) broßen (M. S. 2, 108a) flußen. gußen. nüße (nuces) slüßel (clavis) drüßel (rostrum) schüßel (patena). -- (SS) in wenig wörtern:was, wassen (acrem) hessen. messinc (aurichalcum) esse (ustrina) hessen (Parc. 140b) missen. wisse, wesse. gewissen (certum) subst. auf-nisse zuweilen nüsse) ros, rosses. kus, kusses. güsse (M. S. 2, 140b Wilh. 3. cass. 101b 257b) in letzterm wort ein noch dunkler übergang aus ß (stamm:gießen) der sich aber schon im alth. findet (s. 171.). Auch im Tit. der reim küssen:güssen. Außerdem in den fremden wörtern masseneie. masse. esse (assis) messe. presse. do- schesse etc. In weissage, freissam, lussam (assimiliert) be- rühren sich die s. zweier silben. Von ss. für hs unten bei letzterm.
anlautende lingualverbindungen.
TR. häufig und wie im strengalth. TW. gebührt eigentlich nur folgenden: twale (mora, ebenso tweln, morari) twalm (torpor) twas (hebes) und twerc (nanus). Sehr unorganisch bekommen es aber allmählig auch twahen (lavare, gilt vom menschl. leib, waschen allge- mein auch von sachen) twehele (mappa) twerch (transversus) twingen (cogere) st. des richtigern dw. Der s. galler Parc. giess. lw. etc. haben dieses falsche tw. überall schon. -- DR. wie im strengalth. DW. verliert sich im laufe des 13. jahrh., die ältesten hss. kennen es aber noch, und schreiben dwahen, dwehele, dwerch **) dwin- gen, dwanc, dwungen, vgl. Maria 15. dewanger 86. dwun- gen 104. dewuoch etc. neben betwungen 5. 119. 153.
*) Oben s. 167. note ***; die vielgestaltigkeit dieses worts mehrt noch der eigne umstand, daß O und T. nl zu nn assimilieren, annuzzi (T. 7. 6. O. III. 21, 69. IV. 33. 10. V. 2, 7. woneben 1, 5. 54. auluzzes) W. 2, 14. hat antluzze.
**) Hieraus folgt, so wie aus der verschiedenheit der auslau- tenden consonanz, daß twerc, twerges mit dwerch, dwer- hes unverwandt ist.
D d 2
I. mittelhochdeutſche conſonanten. linguales.
alth. *) wahrgenommene vermiſchung gründet, in wel- chem fall nur antlitze und antlütte rechtſertig ſind, viel- leicht das verkürzte antlit (Flore 28b Morolf 8b) antule (a. Tit. 124.) ſcheint bedenklich. — 2) von ƷƷ hier ei- nige beiſpiele: gaƷƷe (platea) vaƷƷe (vaſe) waƷƷer (aqua) haƷƷen (odiſſe) laƷƷen (retardare) neƷƷe (mador) keƷƷel (cacabus) neƷƷel (urtica) ſeƷƷel (M. S. 2, 215a) meƷƷer (culter) ëƷƷen. frëƷƷen. mëƷƷen. vergëƷƷen. wiƷƷen (ſcire) biƷƷe (morſu) broƷƷen (M. S. 2, 108a) fluƷƷen. guƷƷen. nüƷƷe (nuces) ſlüƷƷel (clavis) drüƷƷel (roſtrum) ſchüƷƷel (patena). — (SS) in wenig wörtern:was, waſſen (acrem) heſſen. meſſinc (aurichalcum) ëſſe (uſtrina) hëſſen (Parc. 140b) miſſen. wiſſe, wëſſe. gewiſſen (certum) ſubſt. auf-niſſe zuweilen nüſſe) ros, roſſes. kus, kuſſes. güſſe (M. S. 2, 140b Wilh. 3. caſſ. 101b 257b) in letzterm wort ein noch dunkler übergang aus Ʒ (ſtamm:gieƷen) der ſich aber ſchon im alth. findet (ſ. 171.). Auch im Tit. der reim küſſen:güſſen. Außerdem in den fremden wörtern maſſenîe. maſſe. eſſe (aſſis) mëſſe. prëſſe. do- ſchëſſe etc. In wîſſage, freiſſam, luſſam (aſſimiliert) be- rühren ſich die ſ. zweier ſilben. Von ſſ. für hs unten bei letzterm.
anlautende lingualverbindungen.
TR. häufig und wie im ſtrengalth. TW. gebührt eigentlich nur folgenden: twâle (mora, ebenſo tweln, morari) twalm (torpor) twas (hebes) und twërc (nanus). Sehr unorganiſch bekommen es aber allmählig auch twahen (lavare, gilt vom menſchl. leib, waſchen allge- mein auch von ſachen) twehele (mappa) twërch (transverſus) twingen (cogere) ſt. des richtigern dw. Der ſ. galler Parc. gieſſ. lw. etc. haben dieſes falſche tw. überall ſchon. — DR. wie im ſtrengalth. DW. verliert ſich im laufe des 13. jahrh., die älteſten hſſ. kennen es aber noch, und ſchreiben dwahen, dwehele, dwërch **) dwin- gen, dwanc, dwungen, vgl. Maria 15. dewanger 86. dwun- gen 104. dewuoch etc. neben betwungen 5. 119. 153.
*) Oben ſ. 167. note ***; die vielgeſtaltigkeit dieſes worts mehrt noch der eigne umſtand, daß O und T. nl zu nn aſſimilieren, annuzzi (T. 7. 6. O. III. 21, 69. IV. 33. 10. V. 2, 7. woneben 1, 5. 54. auluzzes) W. 2, 14. hat antluzze.
**) Hieraus folgt, ſo wie aus der verſchiedenheit der auslau- tenden conſonanz, daß twërc, twërges mit dwërch, dwër- hes unverwandt iſt.
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[419/0445]
I. mittelhochdeutſche conſonanten. linguales.
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chem fall nur antlitze und antlütte rechtſertig ſind, viel-
leicht das verkürzte antlit (Flore 28b Morolf 8b) antule
(a. Tit. 124.) ſcheint bedenklich. — 2) von ƷƷ hier ei-
nige beiſpiele: gaƷƷe (platea) vaƷƷe (vaſe) waƷƷer
(aqua) haƷƷen (odiſſe) laƷƷen (retardare) neƷƷe (mador)
keƷƷel (cacabus) neƷƷel (urtica) ſeƷƷel (M. S. 2, 215a)
meƷƷer (culter) ëƷƷen. frëƷƷen. mëƷƷen. vergëƷƷen.
wiƷƷen (ſcire) biƷƷe (morſu) broƷƷen (M. S. 2, 108a)
fluƷƷen. guƷƷen. nüƷƷe (nuces) ſlüƷƷel (clavis) drüƷƷel
(roſtrum) ſchüƷƷel (patena). — (SS) in wenig wörtern:was,
waſſen (acrem) heſſen. meſſinc (aurichalcum) ëſſe (uſtrina)
hëſſen (Parc. 140b) miſſen. wiſſe, wëſſe. gewiſſen (certum)
ſubſt. auf-niſſe zuweilen nüſſe) ros, roſſes. kus, kuſſes. güſſe
(M. S. 2, 140b Wilh. 3. caſſ. 101b 257b) in letzterm wort
ein noch dunkler übergang aus Ʒ (ſtamm:gieƷen) der
ſich aber ſchon im alth. findet (ſ. 171.). Auch im Tit.
der reim küſſen:güſſen. Außerdem in den fremden
wörtern maſſenîe. maſſe. eſſe (aſſis) mëſſe. prëſſe. do-
ſchëſſe etc. In wîſſage, freiſſam, luſſam (aſſimiliert) be-
rühren ſich die ſ. zweier ſilben. Von ſſ. für hs unten
bei letzterm.
anlautende lingualverbindungen.
TR. häufig und wie im ſtrengalth. TW. gebührt
eigentlich nur folgenden: twâle (mora, ebenſo tweln,
morari) twalm (torpor) twas (hebes) und twërc (nanus).
Sehr unorganiſch bekommen es aber allmählig auch
twahen (lavare, gilt vom menſchl. leib, waſchen allge-
mein auch von ſachen) twehele (mappa) twërch (transverſus)
twingen (cogere) ſt. des richtigern dw. Der ſ. galler
Parc. gieſſ. lw. etc. haben dieſes falſche tw. überall
ſchon. — DR. wie im ſtrengalth. DW. verliert ſich im
laufe des 13. jahrh., die älteſten hſſ. kennen es aber
noch, und ſchreiben dwahen, dwehele, dwërch **) dwin-
gen, dwanc, dwungen, vgl. Maria 15. dewanger 86. dwun-
gen 104. dewuoch etc. neben betwungen 5. 119. 153.
*) Oben ſ. 167. note ***; die vielgeſtaltigkeit dieſes worts
mehrt noch der eigne umſtand, daß O und T. nl zu nn
aſſimilieren, annuzzi (T. 7. 6. O. III. 21, 69. IV. 33. 10. V.
2, 7. woneben 1, 5. 54. auluzzes) W. 2, 14. hat antluzze.
**) Hieraus folgt, ſo wie aus der verſchiedenheit der auslau-
tenden conſonanz, daß twërc, twërges mit dwërch, dwër-
hes unverwandt iſt.
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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/445>, abgerufen am 22.12.2024.
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