Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

I. altfriesische consonanten. labiales.
folglich zweierlei aus, theils das alth. p und b, vgl.
jef (dedit) stef (baculus) raf (rapina) weif, werf (locus ju-
dicii) half und inlautend jevon, steves, raves, weives,
werves, halves, lava (reliquiae) ßeivja (certare) skreiva
(scribere) etc., theils, obgleich seltner, das alth. f und
v, als: fif, hof, bref und inlautend: hoves, breves, se-
ver (spuma) oven etc. In fovne (virgo) st. favne, fevne
ist ein v ersterer art, wie die vergleichung des angels.
fämne, stemn (goth. stibna, folglich fabno; alth. stimna,
stimma, folglich famna, famma?) lehrt; vox würde
stevn heißen, ist mir aber nicht vorgekommen. -- In-
lautend steht f und nicht v, sobald ein t oder th folgt.

W. der spirant wird in den quellen hänfig, aber
fehlerhaft mit dem vorigen v verwechselt, so beßere
man Br. §. 140. thiawes in thiaves und unzähligemahl
dergl. mehr. Hier ist bloß von dem wahren w die rede;
st. wu findet sich gleichfalls (s. 138. 139. 214.) w (in den
ältesten hss. wohl un geschrieben), als wlle (lana) wnde
(vulnus) bewllen (temeratus) etc. Der entwickelung des
inlautenden w aus iu wurde vorhin gedacht; ich ver-
mag nicht zu entscheiden, ob die aussprache ein orga-
nisches hawa (caedere) Br. §. 25. *) tawa (parare) baw
(oestrum) oder unorg. hawa, tawa, baw (dem alth. hou-
wan gemäß) verlangt, für letzteres scheint frowe
(?frowe) Br. §. 96. 97. zu sprechen. Übrigens fällt aus-
und inlautend dieses w öfters aus, vgl. sela, nia, tre
elte (integer, angels. ealtäv) etc.

geminationen. pp. bb. selten: oppa (super) gabbja
(Br. §. 152.) hebbe, sibbe; fehlerhaft stehet ff in skeffe,
skiffa, skiffene (Br. §. 7. 12. 19. 140.) für skeppe (§. 108.).
Von den verbindungen fübre ich bloß die anlaute wl.
wr. an: wlit (facies) wlemelsa (As. p. 196. ein dunkler
ausdruck) wreka (ulcisci) wregja (accusare) und gewiß
noch a. m. Mit dem wr. darf man die häufige fehler-
hafte schreibung wr. st. ur nicht vermengen, noch we-
niger wrald (seculum) d. h. werald. --

(T. D. TH. Z. S.) linguales.

T überall **), D und TH im anlaut organisch, der
in- und auslaut schwankt zwischen d und th. Man

*) Richtige schreibung unterscheidet hawa (csedere) hovath
(in domum recipiunt) heva (opes) haved (caput); tawa
(struere) davja (surdescere) etc.
**) Flexionen, nicht wurzeln zeigen wohl zuweilen ein fal-
sches t statt th im auslaut. Die frühere sprache unter-

I. altfrieſiſche conſonanten. labiales.
folglich zweierlei aus, theils das alth. p und b, vgl.
jef (dedit) ſtef (baculus) râf (rapina) wîf, werf (locus ju-
dicii) half und inlautend jêvon, ſteves, râves, wîves,
werves, halves, lâva (reliquiae) ſzîvja (certare) ſkrîva
(ſcribere) etc., theils, obgleich ſeltner, das alth. f und
v, als: fif, hof, brêf und inlautend: hoves, brêves, ſê-
ver (ſpuma) oven etc. In fovne (virgo) ſt. favne, fevne
iſt ein v erſterer art, wie die vergleichung des angelſ.
fämne, ſtëmn (goth. ſtibna, folglich fabnô; alth. ſtimna,
ſtimma, folglich famna, famma?) lehrt; vox würde
ſtëvn heißen, iſt mir aber nicht vorgekommen. — In-
lautend ſteht f und nicht v, ſobald ein t oder th folgt.

W. der ſpirant wird in den quellen hänfig, aber
fehlerhaft mit dem vorigen v verwechſelt, ſo beßere
man Br. §. 140. thiawes in thiaves und unzähligemahl
dergl. mehr. Hier iſt bloß von dem wahren w die rede;
ſt. wu findet ſich gleichfalls (ſ. 138. 139. 214.) w (in den
älteſten hſſ. wohl un geſchrieben), als wlle (lana) wnde
(vulnus) bewllen (temeratus) etc. Der entwickelung des
inlautenden w aus iu wurde vorhin gedacht; ich ver-
mag nicht zu entſcheiden, ob die ausſprache ein orga-
niſches hawa (caedere) Br. §. 25. *) tawa (parare) baw
(oeſtrum) oder unorg. hâwa, tâwa, bâw (dem alth. hou-
wan gemäß) verlangt, für letzteres ſcheint frowe
(?frôwe) Br. §. 96. 97. zu ſprechen. Übrigens fällt aus-
und inlautend dieſes w öfters aus, vgl. ſêla, nia, trê
elte (integer, angelſ. ëaltäv) etc.

geminationen. pp. bb. ſelten: oppa (ſuper) gabbja
(Br. §. 152.) hebbe, ſibbe; fehlerhaft ſtehet ff in ſkeffe,
ſkiffa, ſkiffene (Br. §. 7. 12. 19. 140.) für ſkeppe (§. 108.).
Von den verbindungen fübre ich bloß die anlaute wl.
wr. an: wlit (facies) wlëmelſa (As. p. 196. ein dunkler
ausdruck) wrëka (ulciſci) wrêgja (accuſare) und gewiß
noch a. m. Mit dem wr. darf man die häufige fehler-
hafte ſchreibung wr. ſt. ur nicht vermengen, noch we-
niger wrald (ſeculum) d. h. wërald. —

(T. D. TH. Z. S.) linguales.

T überall **), D und TH im anlaut organiſch, der
in- und auslaut ſchwankt zwiſchen d und th. Man

*) Richtige ſchreibung unterſcheidet hawa (csedere) hovath
(in domum recipiunt) heva (opes) hâved (caput); tawa
(ſtruere) dâvja (ſurdeſcere) etc.
**) Flexionen, nicht wurzeln zeigen wohl zuweilen ein fal-
ſches t ſtatt th im auslaut. Die frühere ſprache unter-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0302" n="276"/><fw place="top" type="header">I. <hi rendition="#i">altfrie&#x017F;i&#x017F;che con&#x017F;onanten. labiales.</hi></fw><lb/>
folglich zweierlei aus, theils das alth. p und b, vgl.<lb/>
jef (dedit) &#x017F;tef (baculus) râf (rapina) wîf, werf (locus ju-<lb/>
dicii) half und inlautend jêvon, &#x017F;teves, râves, wîves,<lb/>
werves, halves, lâva (reliquiae) &#x017F;zîvja (certare) &#x017F;krîva<lb/>
(&#x017F;cribere) etc., theils, obgleich &#x017F;eltner, das alth. f und<lb/>
v, als: fif, hof, brêf und inlautend: hoves, brêves, &#x017F;ê-<lb/>
ver (&#x017F;puma) oven etc. In fovne (virgo) &#x017F;t. favne, fevne<lb/>
i&#x017F;t ein v er&#x017F;terer art, wie die vergleichung des angel&#x017F;.<lb/>
fämne, &#x017F;tëmn (goth. &#x017F;tibna, folglich fabnô; alth. &#x017F;timna,<lb/>
&#x017F;timma, folglich famna, famma?) lehrt; vox würde<lb/>
&#x017F;tëvn heißen, i&#x017F;t mir aber nicht vorgekommen. &#x2014; In-<lb/>
lautend &#x017F;teht f und nicht v, &#x017F;obald ein t oder th folgt.</p><lb/>
              <p>W. der &#x017F;pirant wird in den quellen hänfig, aber<lb/>
fehlerhaft mit dem vorigen v verwech&#x017F;elt, &#x017F;o beßere<lb/>
man Br. §. 140. thiawes in thiaves und unzähligemahl<lb/>
dergl. mehr. Hier i&#x017F;t bloß von dem wahren w die rede;<lb/>
&#x017F;t. <hi rendition="#i">wu</hi> findet &#x017F;ich gleichfalls (&#x017F;. 138. 139. 214.) w (in den<lb/>
älte&#x017F;ten h&#x017F;&#x017F;. wohl un ge&#x017F;chrieben), als wlle (lana) wnde<lb/>
(vulnus) bewllen (temeratus) etc. Der entwickelung des<lb/>
inlautenden w aus <hi rendition="#i">iu</hi> wurde vorhin gedacht; ich ver-<lb/>
mag nicht zu ent&#x017F;cheiden, ob die aus&#x017F;prache ein orga-<lb/>
ni&#x017F;ches hawa (caedere) Br. §. 25. <note place="foot" n="*)">Richtige &#x017F;chreibung unter&#x017F;cheidet hawa (csedere) hovath<lb/>
(in domum recipiunt) heva (opes) hâved (caput); tawa<lb/>
(&#x017F;truere) dâvja (&#x017F;urde&#x017F;cere) etc.</note> tawa (parare) baw<lb/>
(oe&#x017F;trum) oder unorg. hâwa, tâwa, bâw (dem alth. hou-<lb/>
wan gemäß) verlangt, für letzteres &#x017F;cheint frowe<lb/>
(?frôwe) Br. §. 96. 97. zu &#x017F;prechen. Übrigens fällt aus-<lb/>
und inlautend die&#x017F;es w öfters aus, vgl. &#x017F;êla, nia, trê<lb/>
elte (integer, angel&#x017F;. ëaltäv) etc.</p><lb/>
              <p>geminationen. pp. bb. &#x017F;elten: oppa (&#x017F;uper) gabbja<lb/>
(Br. §. 152.) hebbe, &#x017F;ibbe; fehlerhaft &#x017F;tehet ff in &#x017F;keffe,<lb/>
&#x017F;kiffa, &#x017F;kiffene (Br. §. 7. 12. 19. 140.) für &#x017F;keppe (§. 108.).<lb/>
Von den verbindungen fübre ich bloß die anlaute <hi rendition="#i">wl</hi>.<lb/><hi rendition="#i">wr</hi>. an: wlit (facies) wlëmel&#x017F;a (As. p. 196. ein dunkler<lb/>
ausdruck) wrëka (ulci&#x017F;ci) wrêgja (accu&#x017F;are) und gewiß<lb/>
noch a. m. Mit dem <hi rendition="#i">wr</hi>. darf man die häufige fehler-<lb/>
hafte &#x017F;chreibung wr. &#x017F;t. <hi rendition="#i">ur</hi> nicht vermengen, noch we-<lb/>
niger wrald (&#x017F;eculum) d. h. wërald. &#x2014;</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>(T. D. TH. Z. S.) <hi rendition="#i">linguales.</hi></head><lb/>
              <p>T überall <note xml:id="note-0302" next="#note-0303" place="foot" n="**)">Flexionen, nicht wurzeln zeigen wohl zuweilen ein fal-<lb/>
&#x017F;ches t &#x017F;tatt th im auslaut. Die frühere &#x017F;prache unter-</note>, D und TH im anlaut organi&#x017F;ch, der<lb/>
in- und auslaut &#x017F;chwankt zwi&#x017F;chen d und th. Man<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[276/0302] I. altfrieſiſche conſonanten. labiales. folglich zweierlei aus, theils das alth. p und b, vgl. jef (dedit) ſtef (baculus) râf (rapina) wîf, werf (locus ju- dicii) half und inlautend jêvon, ſteves, râves, wîves, werves, halves, lâva (reliquiae) ſzîvja (certare) ſkrîva (ſcribere) etc., theils, obgleich ſeltner, das alth. f und v, als: fif, hof, brêf und inlautend: hoves, brêves, ſê- ver (ſpuma) oven etc. In fovne (virgo) ſt. favne, fevne iſt ein v erſterer art, wie die vergleichung des angelſ. fämne, ſtëmn (goth. ſtibna, folglich fabnô; alth. ſtimna, ſtimma, folglich famna, famma?) lehrt; vox würde ſtëvn heißen, iſt mir aber nicht vorgekommen. — In- lautend ſteht f und nicht v, ſobald ein t oder th folgt. W. der ſpirant wird in den quellen hänfig, aber fehlerhaft mit dem vorigen v verwechſelt, ſo beßere man Br. §. 140. thiawes in thiaves und unzähligemahl dergl. mehr. Hier iſt bloß von dem wahren w die rede; ſt. wu findet ſich gleichfalls (ſ. 138. 139. 214.) w (in den älteſten hſſ. wohl un geſchrieben), als wlle (lana) wnde (vulnus) bewllen (temeratus) etc. Der entwickelung des inlautenden w aus iu wurde vorhin gedacht; ich ver- mag nicht zu entſcheiden, ob die ausſprache ein orga- niſches hawa (caedere) Br. §. 25. *) tawa (parare) baw (oeſtrum) oder unorg. hâwa, tâwa, bâw (dem alth. hou- wan gemäß) verlangt, für letzteres ſcheint frowe (?frôwe) Br. §. 96. 97. zu ſprechen. Übrigens fällt aus- und inlautend dieſes w öfters aus, vgl. ſêla, nia, trê elte (integer, angelſ. ëaltäv) etc. geminationen. pp. bb. ſelten: oppa (ſuper) gabbja (Br. §. 152.) hebbe, ſibbe; fehlerhaft ſtehet ff in ſkeffe, ſkiffa, ſkiffene (Br. §. 7. 12. 19. 140.) für ſkeppe (§. 108.). Von den verbindungen fübre ich bloß die anlaute wl. wr. an: wlit (facies) wlëmelſa (As. p. 196. ein dunkler ausdruck) wrëka (ulciſci) wrêgja (accuſare) und gewiß noch a. m. Mit dem wr. darf man die häufige fehler- hafte ſchreibung wr. ſt. ur nicht vermengen, noch we- niger wrald (ſeculum) d. h. wërald. — (T. D. TH. Z. S.) linguales. T überall **), D und TH im anlaut organiſch, der in- und auslaut ſchwankt zwiſchen d und th. Man *) Richtige ſchreibung unterſcheidet hawa (csedere) hovath (in domum recipiunt) heva (opes) hâved (caput); tawa (ſtruere) dâvja (ſurdeſcere) etc. **) Flexionen, nicht wurzeln zeigen wohl zuweilen ein fal- ſches t ſtatt th im auslaut. Die frühere ſprache unter-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/302
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/302>, abgerufen am 21.11.2024.