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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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I. althochdeutsche consonanten. labiales.
(T. D. TH. Z. S.) linguales.

Drei alte runen für die tenuis, asp. und spirans,
mit namen gewiß noch aus heidnischer zeit, da die
wörter selbst frühe untergegangen sind. Die ten. heißt
im nord. tyr, gen. tys, acc. ty und bedeutet den hei-
dengott Tyr (Mars) von welchem der dritte wochentag
tysdagr (dies martis) den namen trägt. Die muthmaß-
liche goth. form würde tius, gen. tivis lauten, die sächs.
ist tei, gen. teives, der tagsname teivesdäg, engl. twesday,
tuesday. Das neuh. und niederl. dienstag, dynsdag,
dingsdag beruht auf einer späteren entstellung und die
ableitung von ding (causa) ist grundfalsch. Die asp-
wird im nord. thurs (gigas) im sächs. aber thorn (spina)
und so auch selbst in dem späteren nord. alphabet be-
nannt. Die spirans heißt sol, ohne zweifel das goth,
sauil, welches neben sunno besteht und im goth. hochd.
und sächs. (nicht im nord.) allmählig von letzterm ver-
drängt worden ist. -- Hält man diese drei runen zu de-
nen der labialordnung, so ergibt sich die einstimmung,
daß hier, wie dort die asp. f. (ph), die asp. th (th) hervor-
gehoben, dafür ten. und med. unter einem zeichen be-
griffen wird; hingegen der unterschied, daß für den un-
aspirierten laut dort runenzeichen und name (biörk) vor-
zugsweise der media b., hier umgekehrt der tenuis (tyr)
gilt. Der grund ist wohl in der seltenheit der anlauten-
den labialtenuis zu suchen. Ein anderer unterschied
zeigt sich darin, daß die spirans s. (so wie beim kehl-
laut h) eignes zeichen hat, die spirans v aber keins, in-
dem für diese das vocalzeichen u mitdient, wie denn
überhaupt v in verschiedner hinsicht mehr dem j parallel
steht, als dem h und s.

Die spätern runen bleiben einstimmig in bezeichnung
und benennung der spirans s., denn das angels. sigel
(sol) *)
und markomann. sugil, suhil, suigil sind dem
goth. sauil unverkennbar ähnlich; im alts. steht suigli
entw. für sonne oder das wohl verwandte angels. swegel
(coelum). Wichtiger wird uns hier die einführung einer
neuen rune für den begriff der media d, welche schick-
lich den angels. namen däg (dies) und ein eignes zeichen
bekommt. Dieses zeichen wird nun in dem sangaller
(mit dem angels. überhaupt analogen) alphabet sammt

*) Vgl. sigel-hvearf (sonnenwirbel, sonnenwende, heliotrop)
sigelvare (aethiopes, die im heißen sonnenland wohnen) etc.
I. althochdeutſche conſonanten. labiales.
(T. D. TH. Z. S.) linguales.

Drei alte runen für die tenuis, aſp. und ſpirans,
mit namen gewiß noch aus heidniſcher zeit, da die
wörter ſelbſt frühe untergegangen ſind. Die ten. heißt
im nord. tŷr, gen. tŷs, acc. tŷ und bedeutet den hei-
dengott Tŷr (Mars) von welchem der dritte wochentag
tŷsdagr (dies martis) den namen trägt. Die muthmaß-
liche goth. form würde tius, gen. tivis lauten, die ſächſ.
iſt tî, gen. tîves, der tagsname tîvesdäg, engl. twesday,
tuesday. Das neuh. und niederl. dienstag, dynsdag,
dingsdag beruht auf einer ſpäteren entſtellung und die
ableitung von ding (cauſa) iſt grundfalſch. Die aſp-
wird im nord. þurs (gigas) im ſächſ. aber þorn (ſpina)
und ſo auch ſelbſt in dem ſpäteren nord. alphabet be-
nannt. Die ſpirans heißt ſôl, ohne zweifel das goth,
ſáuïl, welches neben ſunnô beſteht und im goth. hochd.
und ſächſ. (nicht im nord.) allmählig von letzterm ver-
drängt worden iſt. — Hält man dieſe drei runen zu de-
nen der labialordnung, ſo ergibt ſich die einſtimmung,
daß hier, wie dort die aſp. f. (ph), die aſp. þ (th) hervor-
gehoben, dafür ten. und med. unter einem zeichen be-
griffen wird; hingegen der unterſchied, daß für den un-
aſpirierten laut dort runenzeichen und name (biörk) vor-
zugsweiſe der media b., hier umgekehrt der tenuis (tŷr)
gilt. Der grund iſt wohl in der ſeltenheit der anlauten-
den labialtenuis zu ſuchen. Ein anderer unterſchied
zeigt ſich darin, daß die ſpirans ſ. (ſo wie beim kehl-
laut h) eignes zeichen hat, die ſpirans v aber keins, in-
dem für dieſe das vocalzeichen u mitdient, wie denn
überhaupt v in verſchiedner hinſicht mehr dem j parallel
ſteht, als dem h und ſ.

Die ſpätern runen bleiben einſtimmig in bezeichnung
und benennung der ſpirans ſ., denn das angelſ. ſigel
(ſol) *)
und markomann. ſugil, ſuhil, ſuigil ſind dem
goth. ſáuïl unverkennbar ähnlich; im altſ. ſteht ſuigli
entw. für ſonne oder das wohl verwandte angelſ. ſwëgel
(coelum). Wichtiger wird uns hier die einführung einer
neuen rune für den begriff der media d, welche ſchick-
lich den angelſ. namen däg (dies) und ein eignes zeichen
bekommt. Dieſes zeichen wird nun in dem ſangaller
(mit dem angelſ. überhaupt analogen) alphabet ſammt

*) Vgl. ſigel-hvearf (ſonnenwirbel, ſonnenwende, heliotrop)
ſigelvare (aethiopes, die im heißen ſonnenland wohnen) etc.
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[150/0176] I. althochdeutſche conſonanten. labiales. (T. D. TH. Z. S.) linguales. Drei alte runen für die tenuis, aſp. und ſpirans, mit namen gewiß noch aus heidniſcher zeit, da die wörter ſelbſt frühe untergegangen ſind. Die ten. heißt im nord. tŷr, gen. tŷs, acc. tŷ und bedeutet den hei- dengott Tŷr (Mars) von welchem der dritte wochentag tŷsdagr (dies martis) den namen trägt. Die muthmaß- liche goth. form würde tius, gen. tivis lauten, die ſächſ. iſt tî, gen. tîves, der tagsname tîvesdäg, engl. twesday, tuesday. Das neuh. und niederl. dienstag, dynsdag, dingsdag beruht auf einer ſpäteren entſtellung und die ableitung von ding (cauſa) iſt grundfalſch. Die aſp- wird im nord. þurs (gigas) im ſächſ. aber þorn (ſpina) und ſo auch ſelbſt in dem ſpäteren nord. alphabet be- nannt. Die ſpirans heißt ſôl, ohne zweifel das goth, ſáuïl, welches neben ſunnô beſteht und im goth. hochd. und ſächſ. (nicht im nord.) allmählig von letzterm ver- drängt worden iſt. — Hält man dieſe drei runen zu de- nen der labialordnung, ſo ergibt ſich die einſtimmung, daß hier, wie dort die aſp. f. (ph), die aſp. þ (th) hervor- gehoben, dafür ten. und med. unter einem zeichen be- griffen wird; hingegen der unterſchied, daß für den un- aſpirierten laut dort runenzeichen und name (biörk) vor- zugsweiſe der media b., hier umgekehrt der tenuis (tŷr) gilt. Der grund iſt wohl in der ſeltenheit der anlauten- den labialtenuis zu ſuchen. Ein anderer unterſchied zeigt ſich darin, daß die ſpirans ſ. (ſo wie beim kehl- laut h) eignes zeichen hat, die ſpirans v aber keins, in- dem für dieſe das vocalzeichen u mitdient, wie denn überhaupt v in verſchiedner hinſicht mehr dem j parallel ſteht, als dem h und ſ. Die ſpätern runen bleiben einſtimmig in bezeichnung und benennung der ſpirans ſ., denn das angelſ. ſigel (ſol) *) und markomann. ſugil, ſuhil, ſuigil ſind dem goth. ſáuïl unverkennbar ähnlich; im altſ. ſteht ſuigli entw. für ſonne oder das wohl verwandte angelſ. ſwëgel (coelum). Wichtiger wird uns hier die einführung einer neuen rune für den begriff der media d, welche ſchick- lich den angelſ. namen däg (dies) und ein eignes zeichen bekommt. Dieſes zeichen wird nun in dem ſangaller (mit dem angelſ. überhaupt analogen) alphabet ſammt *) Vgl. ſigel-hvearf (ſonnenwirbel, ſonnenwende, heliotrop) ſigelvare (aethiopes, die im heißen ſonnenland wohnen) etc.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/176>, abgerufen am 21.11.2024.