Grillparzer, Franz: Sappho. Trauerspiel in fünf Aufzügen. Wien, 1819.
Getrocknet Angesicht und Brust und Wange, Ging fröhlich singend sie in's Haus zurück. Also vertieft und so in sich verloren, Daß sie der Blätter, die ich aus dem Dickicht Nach ihr warf, sie zu schrecken, nicht gewahrte. Hier angelangt, trat sie in ihre Kammer, Schloß ab, und was sie schafft, das weiß ich nicht, Nur hört' ich sie in Schränken emsig suchen, Dazwischen tönte heiterer Gesang. Sappho. Sie singt und Sappho -- Nein! ich weine nicht! Bring sie zu mir! Eucharis. Melitten? Sappho. Ja, wen sonst? -- Melitten! -- Ach, ein süßer, weicher Nahme, Ein ohrbezaubernd, liebevoller Nahme! Melitta -- Sappho -- -- Geh, bring sie zu mir! (Eucharis ab.) Vierter Auftritt. Sappho allein, (sie setzt sich auf die Rasenbank, und stützt das Haupt in die Hand; Pause.) Ich kann nicht! Weh! -- Umsonst ruf' ich den Stolz, An seiner Statt antwortet mir die Liebe! (sinkt in die vorige Stellung zurück.)
Getrocknet Angeſicht und Bruſt und Wange, Ging fröhlich ſingend ſie in's Haus zurück. Alſo vertieft und ſo in ſich verloren, Daß ſie der Blätter, die ich aus dem Dickicht Nach ihr warf, ſie zu ſchrecken, nicht gewahrte. Hier angelangt, trat ſie in ihre Kammer, Schloß ab, und was ſie ſchafft, das weiß ich nicht, Nur hört' ich ſie in Schränken emſig ſuchen, Dazwiſchen tönte heiterer Geſang. Sappho. Sie ſingt und Sappho — Nein! ich weine nicht! Bring ſie zu mir! Eucharis. Melitten? Sappho. Ja, wen ſonſt? — Melitten! — Ach, ein ſüßer, weicher Nahme, Ein ohrbezaubernd, liebevoller Nahme! Melitta — Sappho — — Geh, bring ſie zu mir! (Eucharis ab.) Vierter Auftritt. Sappho allein, (ſie ſetzt ſich auf die Raſenbank, und ſtützt das Haupt in die Hand; Pauſe.) Ich kann nicht! Weh! — Umſonſt ruf' ich den Stolz, An ſeiner Statt antwortet mir die Liebe! (ſinkt in die vorige Stellung zurück.) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#EUC"> <p><pb facs="#f0070" n="60"/> Getrocknet Angeſicht und Bruſt und Wange,<lb/> Ging fröhlich ſingend ſie in's Haus zurück.<lb/> Alſo vertieft und ſo in ſich verloren,<lb/> Daß ſie der Blätter, die ich aus dem Dickicht<lb/> Nach ihr warf, ſie zu ſchrecken, nicht gewahrte.<lb/> Hier angelangt, trat ſie in ihre Kammer,<lb/> Schloß ab, und was ſie ſchafft, das weiß ich nicht,<lb/> Nur hört' ich ſie in Schränken emſig ſuchen,<lb/> Dazwiſchen tönte heiterer Geſang.</p> </sp><lb/> <sp who="#SAP"> <speaker><hi rendition="#g">Sappho</hi>.</speaker><lb/> <p>Sie <hi rendition="#g">ſingt</hi> und Sappho — Nein! ich weine <hi rendition="#g">nicht</hi>!<lb/> Bring ſie zu mir!</p> </sp><lb/> <sp who="#EUC"> <speaker><hi rendition="#g">Eucharis</hi>.</speaker><lb/> <p>Melitten?</p> </sp><lb/> <sp who="#SAP"> <speaker><hi rendition="#g">Sappho</hi>.</speaker><lb/> <p>Ja, wen ſonſt? —<lb/> Melitten! — Ach, ein ſüßer, weicher Nahme,<lb/> Ein ohrbezaubernd, liebevoller Nahme!<lb/> Melitta — Sappho — — Geh, bring ſie zu mir!</p><lb/> <stage>(<hi rendition="#g">Eucharis</hi> ab.)</stage> </sp> </div><lb/> <div n="2"> <head><hi rendition="#g">Vierter Auftritt</hi>.</head><lb/> <sp who="#SAP"> <speaker> <hi rendition="#g">Sappho</hi> </speaker> <stage>allein,</stage><lb/> <stage>(ſie ſetzt ſich auf die Raſenbank, und ſtützt das Haupt in<lb/> die Hand; Pauſe.)</stage><lb/> <p>Ich kann nicht! Weh! — Umſonſt ruf' ich den Stolz,<lb/> An ſeiner Statt antwortet mir die Liebe!</p><lb/> <stage>(ſinkt in die vorige Stellung zurück.)</stage> </sp> </div><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [60/0070]
Getrocknet Angeſicht und Bruſt und Wange,
Ging fröhlich ſingend ſie in's Haus zurück.
Alſo vertieft und ſo in ſich verloren,
Daß ſie der Blätter, die ich aus dem Dickicht
Nach ihr warf, ſie zu ſchrecken, nicht gewahrte.
Hier angelangt, trat ſie in ihre Kammer,
Schloß ab, und was ſie ſchafft, das weiß ich nicht,
Nur hört' ich ſie in Schränken emſig ſuchen,
Dazwiſchen tönte heiterer Geſang.
Sappho.
Sie ſingt und Sappho — Nein! ich weine nicht!
Bring ſie zu mir!
Eucharis.
Melitten?
Sappho.
Ja, wen ſonſt? —
Melitten! — Ach, ein ſüßer, weicher Nahme,
Ein ohrbezaubernd, liebevoller Nahme!
Melitta — Sappho — — Geh, bring ſie zu mir!
(Eucharis ab.)
Vierter Auftritt.
Sappho allein,
(ſie ſetzt ſich auf die Raſenbank, und ſtützt das Haupt in
die Hand; Pauſe.)
Ich kann nicht! Weh! — Umſonſt ruf' ich den Stolz,
An ſeiner Statt antwortet mir die Liebe!
(ſinkt in die vorige Stellung zurück.)
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |