Grillparzer, Franz: Sappho. Trauerspiel in fünf Aufzügen. Wien, 1819.Dritter Auftritt. Melitta allein. (Sie setzt sich auf die Nasenbank und beginnt einen Kranz zu flechten. Nach einer Weile schüttelt sie schmerzlich das Haupt und legt das Angefangene neben sich hin.) Es geht nicht. -- Weh! der Kopf will mir zerspringen, Und stürmisch pocht das Herz in meiner Brust. Da muß ich sitzen, einsam und verlassen, Fern von der Aeltern Herd im fremden Land, Und Sklavenketten drücken diese Hände, Die ich hinüber strecke nach den Meinen. Weh mir! da sitz' ich einsam und verlassen, Und Niemand höret mich und achtet mein! Mit Thränen seh' ich Freunde und Verwandte Den Busen drücken an verwandte Brust, Mir schlägt kein Busen hier in diesem Lande Und meine Freunde wohnen weit von hier. Ich sehe Kinder um den Vater hüpfen, Die fromme Stirn, die heil'gen Locken küssen; Mein Vater lebt getrennt durch ferne Meere, Wo ihn nicht Gruß und Kuß des Kinds erreicht. Sie thun wohl hier so, als ob sie mich liebten Und auch an sanften Worten fehlt es nicht, Doch ist es Liebe nicht, 's ist nur Erbarmen, Das auch der Sklavinn milde Worte gönnt; Dritter Auftritt. Melitta allein. (Sie ſetzt ſich auf die Naſenbank und beginnt einen Kranz zu flechten. Nach einer Weile ſchüttelt ſie ſchmerzlich das Haupt und legt das Angefangene neben ſich hin.) Es geht nicht. — Weh! der Kopf will mir zerſpringen, Und ſtürmiſch pocht das Herz in meiner Bruſt. Da muß ich ſitzen, einſam und verlaſſen, Fern von der Aeltern Herd im fremden Land, Und Sklavenketten drücken dieſe Hände, Die ich hinüber ſtrecke nach den Meinen. Weh mir! da ſitz' ich einſam und verlaſſen, Und Niemand höret mich und achtet mein! Mit Thränen ſeh' ich Freunde und Verwandte Den Buſen drücken an verwandte Bruſt, Mir ſchlägt kein Buſen hier in dieſem Lande Und meine Freunde wohnen weit von hier. Ich ſehe Kinder um den Vater hüpfen, Die fromme Stirn, die heil'gen Locken küſſen; Mein Vater lebt getrennt durch ferne Meere, Wo ihn nicht Gruß und Kuß des Kinds erreicht. Sie thun wohl hier ſo, als ob ſie mich liebten Und auch an ſanften Worten fehlt es nicht, Doch iſt es Liebe nicht, 's iſt nur Erbarmen, Das auch der Sklavinn milde Worte gönnt; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0042" n="32"/> <div n="2"> <head><hi rendition="#g">Dritter Auftritt</hi>.</head><lb/> <sp who="#MEL"> <speaker> <hi rendition="#g">Melitta</hi> </speaker> <stage>allein.</stage><lb/> <stage>(Sie ſetzt ſich auf die Naſenbank und beginnt einen Kranz<lb/> zu flechten. Nach einer Weile ſchüttelt ſie ſchmerzlich das<lb/> Haupt und legt das Angefangene neben ſich hin.)</stage><lb/> <p>Es geht nicht. — Weh! der Kopf will mir zerſpringen,<lb/> Und ſtürmiſch pocht das Herz in meiner Bruſt.</p><lb/> <p>Da muß ich ſitzen, einſam und verlaſſen,<lb/> Fern von der Aeltern Herd im fremden Land,<lb/> Und Sklavenketten drücken dieſe Hände,<lb/> Die ich hinüber ſtrecke nach den Meinen.<lb/> Weh mir! da ſitz' ich einſam und verlaſſen,<lb/> Und Niemand höret mich und achtet mein!</p><lb/> <p>Mit Thränen ſeh' ich Freunde und Verwandte<lb/> Den Buſen drücken an verwandte Bruſt,<lb/> Mir ſchlägt kein Buſen hier in dieſem Lande<lb/> Und meine Freunde wohnen weit von hier.<lb/> Ich ſehe Kinder um den Vater hüpfen,<lb/> Die fromme Stirn, die heil'gen Locken küſſen;<lb/><hi rendition="#g">Mein</hi> Vater lebt getrennt durch ferne Meere,<lb/> Wo ihn nicht Gruß und Kuß des Kinds erreicht.<lb/> Sie thun wohl hier ſo, als ob ſie mich liebten<lb/> Und auch an ſanften Worten fehlt es nicht,<lb/> Doch iſt es Liebe nicht, 's iſt nur Erbarmen,<lb/> Das auch der Sklavinn milde Worte gönnt;<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [32/0042]
Dritter Auftritt.
Melitta allein.
(Sie ſetzt ſich auf die Naſenbank und beginnt einen Kranz
zu flechten. Nach einer Weile ſchüttelt ſie ſchmerzlich das
Haupt und legt das Angefangene neben ſich hin.)
Es geht nicht. — Weh! der Kopf will mir zerſpringen,
Und ſtürmiſch pocht das Herz in meiner Bruſt.
Da muß ich ſitzen, einſam und verlaſſen,
Fern von der Aeltern Herd im fremden Land,
Und Sklavenketten drücken dieſe Hände,
Die ich hinüber ſtrecke nach den Meinen.
Weh mir! da ſitz' ich einſam und verlaſſen,
Und Niemand höret mich und achtet mein!
Mit Thränen ſeh' ich Freunde und Verwandte
Den Buſen drücken an verwandte Bruſt,
Mir ſchlägt kein Buſen hier in dieſem Lande
Und meine Freunde wohnen weit von hier.
Ich ſehe Kinder um den Vater hüpfen,
Die fromme Stirn, die heil'gen Locken küſſen;
Mein Vater lebt getrennt durch ferne Meere,
Wo ihn nicht Gruß und Kuß des Kinds erreicht.
Sie thun wohl hier ſo, als ob ſie mich liebten
Und auch an ſanften Worten fehlt es nicht,
Doch iſt es Liebe nicht, 's iſt nur Erbarmen,
Das auch der Sklavinn milde Worte gönnt;
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