Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grillparzer, Franz: Sappho. Trauerspiel in fünf Aufzügen. Wien, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite
Und nun, mein Freund, vertrau dich ihrer Sorgfalt,
Schwer liegt, ich seh's, der Reise Last auf dir.
Laß sie des Gastrechts heilig Amt versehen,
Genieße freundlich Sappho's erste Gabe!
Phaon.
O, könnt' ich doch mein ganzes früh'res Leben
Umtauschend, wie die Kleider, von mir werfen,
Besinnung mir und Klarheit mir gewinnen,
Um ganz zu seyn, was ich zu seyn begehre
So lebe wohl! Auf lange, denk' ich, nicht!
Sappho.
Ich harre dein. Leb wohl! -- Du bleib, Melitta
(Phaon und Diener ab.)
Fünfter Auftritt.
Sappho. Melitta.
Sappho (nachdem sie ihm lange nachgesehen.)
Melitta! nun?
Melitta.
Was, o Gebietherinn?
Sappho.
So wallt denn nur in diesen Adern Blut,
Und rinnend Eis stockt in der Andern Herzen?
Sie sahen ihn, sie hörten seine Stimme,
Dieselbe Luft, die seine Stirn gefächelt,
Hat ihre Leben-leere Brust umwallt,
Und nun, mein Freund, vertrau dich ihrer Sorgfalt,
Schwer liegt, ich ſeh's, der Reiſe Laſt auf dir.
Laß ſie des Gaſtrechts heilig Amt verſehen,
Genieße freundlich Sappho's erſte Gabe!
Phaon.
O, könnt' ich doch mein ganzes früh'res Leben
Umtauſchend, wie die Kleider, von mir werfen,
Beſinnung mir und Klarheit mir gewinnen,
Um ganz zu ſeyn, was ich zu ſeyn begehre
So lebe wohl! Auf lange, denk' ich, nicht!
Sappho.
Ich harre dein. Leb wohl! — Du bleib, Melitta
(Phaon und Diener ab.)
Fünfter Auftritt.
Sappho. Melitta.
Sappho (nachdem ſie ihm lange nachgeſehen.)
Melitta! nun?
Melitta.
Was, o Gebietherinn?
Sappho.
So wallt denn nur in dieſen Adern Blut,
Und rinnend Eis ſtockt in der Andern Herzen?
Sie ſahen ihn, ſie hörten ſeine Stimme,
Dieſelbe Luft, die ſeine Stirn gefächelt,
Hat ihre Leben-leere Bruſt umwallt,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#SAP">
            <p><pb facs="#f0029" n="19"/>
Und nun, mein Freund, vertrau dich ihrer Sorgfalt,<lb/>
Schwer liegt, ich &#x017F;eh's, der Rei&#x017F;e La&#x017F;t auf dir.<lb/>
Laß &#x017F;ie des Ga&#x017F;trechts heilig Amt ver&#x017F;ehen,<lb/>
Genieße freundlich Sappho's er&#x017F;te Gabe!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#PHA">
            <speaker><hi rendition="#g">Phaon</hi>.</speaker><lb/>
            <p>O, könnt' ich doch mein ganzes früh'res Leben<lb/>
Umtau&#x017F;chend, wie die Kleider, von mir werfen,<lb/><hi rendition="#g">Be&#x017F;innung</hi> mir und Klarheit mir gewinnen,<lb/>
Um ganz zu &#x017F;eyn, was ich zu &#x017F;eyn begehre<lb/>
So lebe wohl! Auf lange, denk' ich, nicht!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#SAP">
            <speaker><hi rendition="#g">Sappho</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Ich harre dein. Leb wohl! &#x2014; Du bleib, Melitta</p><lb/>
            <stage>(<hi rendition="#g">Phaon</hi> und <hi rendition="#g">Diener</hi> ab.)</stage>
          </sp>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Fünfter Auftritt</hi>.</head><lb/>
          <castList>
            <castItem>
              <role><hi rendition="#g">Sappho</hi>.</role>
              <role><hi rendition="#g">Melitta</hi>.</role>
            </castItem>
          </castList><lb/>
          <sp who="#SAP">
            <speaker> <hi rendition="#g">Sappho</hi> </speaker>
            <stage>(nachdem &#x017F;ie ihm lange nachge&#x017F;ehen.)</stage><lb/>
            <p>Melitta! nun?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MEL">
            <speaker><hi rendition="#g">Melitta</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Was, o Gebietherinn?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#SAP">
            <speaker><hi rendition="#g">Sappho</hi>.</speaker><lb/>
            <p>So wallt denn nur in <hi rendition="#g">die&#x017F;en</hi> Adern Blut,<lb/>
Und rinnend Eis &#x017F;tockt in der Andern Herzen?<lb/>
Sie &#x017F;ahen ihn, &#x017F;ie hörten &#x017F;eine Stimme,<lb/>
Die&#x017F;elbe Luft, die &#x017F;eine Stirn gefächelt,<lb/>
Hat ihre Leben-leere Bru&#x017F;t umwallt,<lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[19/0029] Und nun, mein Freund, vertrau dich ihrer Sorgfalt, Schwer liegt, ich ſeh's, der Reiſe Laſt auf dir. Laß ſie des Gaſtrechts heilig Amt verſehen, Genieße freundlich Sappho's erſte Gabe! Phaon. O, könnt' ich doch mein ganzes früh'res Leben Umtauſchend, wie die Kleider, von mir werfen, Beſinnung mir und Klarheit mir gewinnen, Um ganz zu ſeyn, was ich zu ſeyn begehre So lebe wohl! Auf lange, denk' ich, nicht! Sappho. Ich harre dein. Leb wohl! — Du bleib, Melitta (Phaon und Diener ab.) Fünfter Auftritt. Sappho. Melitta. Sappho (nachdem ſie ihm lange nachgeſehen.) Melitta! nun? Melitta. Was, o Gebietherinn? Sappho. So wallt denn nur in dieſen Adern Blut, Und rinnend Eis ſtockt in der Andern Herzen? Sie ſahen ihn, ſie hörten ſeine Stimme, Dieſelbe Luft, die ſeine Stirn gefächelt, Hat ihre Leben-leere Bruſt umwallt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grillparzer_sappho_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grillparzer_sappho_1819/29
Zitationshilfe: Grillparzer, Franz: Sappho. Trauerspiel in fünf Aufzügen. Wien, 1819, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grillparzer_sappho_1819/29>, abgerufen am 21.11.2024.