Und nun, mein Freund, vertrau dich ihrer Sorgfalt, Schwer liegt, ich seh's, der Reise Last auf dir. Laß sie des Gastrechts heilig Amt versehen, Genieße freundlich Sappho's erste Gabe!
Phaon. O, könnt' ich doch mein ganzes früh'res Leben Umtauschend, wie die Kleider, von mir werfen, Besinnung mir und Klarheit mir gewinnen, Um ganz zu seyn, was ich zu seyn begehre So lebe wohl! Auf lange, denk' ich, nicht!
Sappho. Ich harre dein. Leb wohl! -- Du bleib, Melitta (Phaon und Diener ab.)
Fünfter Auftritt.
Sappho. Melitta.
Sappho (nachdem sie ihm lange nachgesehen.) Melitta! nun?
Melitta. Was, o Gebietherinn?
Sappho. So wallt denn nur in diesen Adern Blut, Und rinnend Eis stockt in der Andern Herzen? Sie sahen ihn, sie hörten seine Stimme, Dieselbe Luft, die seine Stirn gefächelt, Hat ihre Leben-leere Brust umwallt,
Und nun, mein Freund, vertrau dich ihrer Sorgfalt, Schwer liegt, ich ſeh's, der Reiſe Laſt auf dir. Laß ſie des Gaſtrechts heilig Amt verſehen, Genieße freundlich Sappho's erſte Gabe!
Phaon. O, könnt' ich doch mein ganzes früh'res Leben Umtauſchend, wie die Kleider, von mir werfen, Beſinnung mir und Klarheit mir gewinnen, Um ganz zu ſeyn, was ich zu ſeyn begehre So lebe wohl! Auf lange, denk' ich, nicht!
Sappho. Ich harre dein. Leb wohl! — Du bleib, Melitta (Phaon und Diener ab.)
Fünfter Auftritt.
Sappho. Melitta.
Sappho (nachdem ſie ihm lange nachgeſehen.) Melitta! nun?
Melitta. Was, o Gebietherinn?
Sappho. So wallt denn nur in dieſen Adern Blut, Und rinnend Eis ſtockt in der Andern Herzen? Sie ſahen ihn, ſie hörten ſeine Stimme, Dieſelbe Luft, die ſeine Stirn gefächelt, Hat ihre Leben-leere Bruſt umwallt,
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Und nun, mein Freund, vertrau dich ihrer Sorgfalt,
Schwer liegt, ich ſeh's, der Reiſe Laſt auf dir.
Laß ſie des Gaſtrechts heilig Amt verſehen,
Genieße freundlich Sappho's erſte Gabe!
Phaon.
O, könnt' ich doch mein ganzes früh'res Leben
Umtauſchend, wie die Kleider, von mir werfen,
Beſinnung mir und Klarheit mir gewinnen,
Um ganz zu ſeyn, was ich zu ſeyn begehre
So lebe wohl! Auf lange, denk' ich, nicht!
Sappho.
Ich harre dein. Leb wohl! — Du bleib, Melitta
(Phaon und Diener ab.)
Fünfter Auftritt.
Sappho. Melitta.
Sappho (nachdem ſie ihm lange nachgeſehen.)
Melitta! nun?
Melitta.
Was, o Gebietherinn?
Sappho.
So wallt denn nur in dieſen Adern Blut,
Und rinnend Eis ſtockt in der Andern Herzen?
Sie ſahen ihn, ſie hörten ſeine Stimme,
Dieſelbe Luft, die ſeine Stirn gefächelt,
Hat ihre Leben-leere Bruſt umwallt,
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Grillparzer, Franz: Sappho. Trauerspiel in fünf Aufzügen. Wien, 1819, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grillparzer_sappho_1819/29>, abgerufen am 19.02.2025.
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