u. dergl. im Unterleibe des Kranken vorgehe, entstehen. -- Alle Theile des Körpers können zum Ausgangspunkt solcher Wahnideen werden. Ein junger Mann gab uns an, er habe gefühlt, wie der Teufel, rauh und borstig, ihm in den Hals gefahren sei (globus hy- stericus?); ein Anderer (bei Sinogowitz) verstopfte sich Nachts die Nasenlöcher, weil ihm bösartige Würmer in die Nase kröchen; eine Frauensperson, von der Bergmann erzählt, sah in ihrer Brust ein feu- riges, rundes Wesen sich stets im Kreise herumdrehen u. dergl. m.
Eine besondere Beachtung verdienen die sexuellen Illusionen, indem aus geschlechtlichen normalen oder anomalen Sensationen bei männlichen Kranken häufig der Wahn, von Andern zur Onanie an- getrieben zu werden, bei weiblichen der Wahn der Schwangerschaft, der geschlechtlichen Vereinigung mit einem imaginären Geliebten, des Umgangs mit dem Teufel etc. sich herausbilden, indem jene Sensationen überhaupt zur häufigen Quelle des sexualen Wahnsinns, mag er sich in der Form weinerlicher Sentimentalität oder heraus- fordernder Nymphomanie äussern, werden.
Sehr gewöhnlich sind nun Hallucinationen und Illusionen der einzelnen Sinne miteinander verbunden und die angeführten Schriften (Hagen, Esquirol, Leuret, Bottex) sind reich an Beispielen, in denen gleichzeitige falsche Perceptionen aller Sinne die wichtigsten und auffallendsten Phänomene des Irreseins darstellten. In practischer Beziehung kann nicht genug darauf gedrungen werden, dass diese Wahnideen der Sinne gehörig ausgeforscht werden, dass ihren etwa erreichbaren organischen Bedingungen nachgegangen und diesen bei Construction des Heilplans eine vorzügliche Berücksichtigung ein- geräumt werde. In dieser Beziehung möchten wir -- ein bisher ganz übersehener Punkt -- bei den Hallucinationen der drei oberen Sinne namentlich auch Aufmerksamkeit auf die Zustände ihres Hülfs- nerven, der N. quintus, empfehlen; in mehren Fällen schienen uns Gehörs- und Gesichtsphantasmen von neuralgischen Leiden dieses Nerven geweckt zu werden.
Drittes Capitel. Die motorischen Elementarstörungen.
§. 55.
Leichte, unbedeutendere Störungen der Muskelbewegung sind bei der Mehrzahl der Geisteskranken nachweisbar, veränderte Intonation
Motorische Störungen.
u. dergl. im Unterleibe des Kranken vorgehe, entstehen. — Alle Theile des Körpers können zum Ausgangspunkt solcher Wahnideen werden. Ein junger Mann gab uns an, er habe gefühlt, wie der Teufel, rauh und borstig, ihm in den Hals gefahren sei (globus hy- stericus?); ein Anderer (bei Sinogowitz) verstopfte sich Nachts die Nasenlöcher, weil ihm bösartige Würmer in die Nase kröchen; eine Frauensperson, von der Bergmann erzählt, sah in ihrer Brust ein feu- riges, rundes Wesen sich stets im Kreise herumdrehen u. dergl. m.
Eine besondere Beachtung verdienen die sexuellen Illusionen, indem aus geschlechtlichen normalen oder anomalen Sensationen bei männlichen Kranken häufig der Wahn, von Andern zur Onanie an- getrieben zu werden, bei weiblichen der Wahn der Schwangerschaft, der geschlechtlichen Vereinigung mit einem imaginären Geliebten, des Umgangs mit dem Teufel etc. sich herausbilden, indem jene Sensationen überhaupt zur häufigen Quelle des sexualen Wahnsinns, mag er sich in der Form weinerlicher Sentimentalität oder heraus- fordernder Nymphomanie äussern, werden.
Sehr gewöhnlich sind nun Hallucinationen und Illusionen der einzelnen Sinne miteinander verbunden und die angeführten Schriften (Hagen, Esquirol, Leuret, Bottex) sind reich an Beispielen, in denen gleichzeitige falsche Perceptionen aller Sinne die wichtigsten und auffallendsten Phänomene des Irreseins darstellten. In practischer Beziehung kann nicht genug darauf gedrungen werden, dass diese Wahnideen der Sinne gehörig ausgeforscht werden, dass ihren etwa erreichbaren organischen Bedingungen nachgegangen und diesen bei Construction des Heilplans eine vorzügliche Berücksichtigung ein- geräumt werde. In dieser Beziehung möchten wir — ein bisher ganz übersehener Punkt — bei den Hallucinationen der drei oberen Sinne namentlich auch Aufmerksamkeit auf die Zustände ihres Hülfs- nerven, der N. quintus, empfehlen; in mehren Fällen schienen uns Gehörs- und Gesichtsphantasmen von neuralgischen Leiden dieses Nerven geweckt zu werden.
Drittes Capitel. Die motorischen Elementarstörungen.
§. 55.
Leichte, unbedeutendere Störungen der Muskelbewegung sind bei der Mehrzahl der Geisteskranken nachweisbar, veränderte Intonation
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[85/0099]
Motorische Störungen.
u. dergl. im Unterleibe des Kranken vorgehe, entstehen. — Alle
Theile des Körpers können zum Ausgangspunkt solcher Wahnideen
werden. Ein junger Mann gab uns an, er habe gefühlt, wie der
Teufel, rauh und borstig, ihm in den Hals gefahren sei (globus hy-
stericus?); ein Anderer (bei Sinogowitz) verstopfte sich Nachts die
Nasenlöcher, weil ihm bösartige Würmer in die Nase kröchen; eine
Frauensperson, von der Bergmann erzählt, sah in ihrer Brust ein feu-
riges, rundes Wesen sich stets im Kreise herumdrehen u. dergl. m.
Eine besondere Beachtung verdienen die sexuellen Illusionen,
indem aus geschlechtlichen normalen oder anomalen Sensationen bei
männlichen Kranken häufig der Wahn, von Andern zur Onanie an-
getrieben zu werden, bei weiblichen der Wahn der Schwangerschaft,
der geschlechtlichen Vereinigung mit einem imaginären Geliebten,
des Umgangs mit dem Teufel etc. sich herausbilden, indem jene
Sensationen überhaupt zur häufigen Quelle des sexualen Wahnsinns,
mag er sich in der Form weinerlicher Sentimentalität oder heraus-
fordernder Nymphomanie äussern, werden.
Sehr gewöhnlich sind nun Hallucinationen und Illusionen der
einzelnen Sinne miteinander verbunden und die angeführten Schriften
(Hagen, Esquirol, Leuret, Bottex) sind reich an Beispielen, in denen
gleichzeitige falsche Perceptionen aller Sinne die wichtigsten und
auffallendsten Phänomene des Irreseins darstellten. In practischer
Beziehung kann nicht genug darauf gedrungen werden, dass diese
Wahnideen der Sinne gehörig ausgeforscht werden, dass ihren etwa
erreichbaren organischen Bedingungen nachgegangen und diesen bei
Construction des Heilplans eine vorzügliche Berücksichtigung ein-
geräumt werde. In dieser Beziehung möchten wir — ein bisher
ganz übersehener Punkt — bei den Hallucinationen der drei oberen
Sinne namentlich auch Aufmerksamkeit auf die Zustände ihres Hülfs-
nerven, der N. quintus, empfehlen; in mehren Fällen schienen uns
Gehörs- und Gesichtsphantasmen von neuralgischen Leiden dieses
Nerven geweckt zu werden.
Drittes Capitel.
Die motorischen Elementarstörungen.
§. 55.
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Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/griesinger_psychische_1845/99>, abgerufen am 03.03.2025.
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