geschlagenheit, übermässige Reizbarkeit, habituelle, bittere, unzufriedene, selbst- quälerische Stimmungen, wie man sie zuweilen bei geistig ausgezeichneten Menschen beobachtet (J. J. Rousseau), grundlose Eifersucht, Aerger, Furcht, Zorn etc.
§. 36.
Die entgegengesetzten krankhaften Gemüthszustände, mit der Stim- mung der Heiterkeit, Ausgelassenheit, des Muthwillens, mit erhöhter geistiger (und gewöhnlich auch leiblicher) Activität sind den expansiven Affecten höchst analog, und beide haben in der Hauptsache dieselben nächsten Folgen. Es gibt auch beim Gesunden ein "Närrischwerden vor Freude", wo nicht nur das Gefühl der glücklichen Gegenwart alle Seelenkräfte expandirt, sondern plötzlich auch alle Träume der Zu- kunft realisirt erscheinen, wo Menschen und Dinge einem näher ge- kommen sind, wo man Jedermann sein Glück theilen lassen und der ganzen Welt um den Hals fallen möchte. Es kann dabei sogar schon zu einer ziemlichen Unordnung und Inconhärenz der Ideen kommen, und es zeigt jedenfalls keine sehr tiefe Erregung, wenn der Glück- liche sich gleich schnell besonnen in Alles zurecht zu finden weiss. Auch beim Gesunden ist mit diesen Gefühlen gewöhnlich ein Trieb zu äusserer Bewegung, Unruhe, vielem Sprechen und Geschäftigkeit verbunden. In ähnlicher Weise äussern sich diese Zustände, wenn sie von innen heraus krankhaft entstehen; sie bilden gewöhnlich die Grundzustände der Form des sog. Wahnsinns und kommen auch noch, doch sehr abgeschwächt, in der Verrücktheit und Narrheit vor. Wir müssen uns, nach unsern Beobachtungen, entschieden der An- sicht Guislains anschliessen, dass das fröhliche Irresein fast immer erst secundär, nach vorausgegangenen Depressionszuständen, sich ein- stellt. Es scheint desshalb auch auf einer tieferen psychischen Er- krankung zu beruhen, als die letzteren Zustände. Es ist oft, als ob plötzlich mit einer eingetretenen Veränderung im Zustande des Ge- hirns die bisher auf der Seele lastenden Hemmnisse vollständig weg- genommen wären und sich nun, als ein Symptom tieferer Zerrüt- tung, das Gefühl grosser psychischer Freiheit, glückliche, hoffnungs- reiche Stimmnngen von selbst erheben könnten. Eine entferntere Analogie aus dem sensitiv-motorischen Nervensysteme mag die Beobachtung (Purkinje) bieten, dass, wenn die Extremitäten eine Zeit lang mit angehängten Gewichten belastet waren, unmittelbar nach deren Wegnahme eine ungemeine Leichtigkeit der Bewegungen eintritt.
Eine Menge anderer, nicht einzeln aufzählbarer krankhafter Stimmungen und Gemüthserregungen, bizarre, launische Inclinationen und Abneigungen, sinnliche und ideal-schwärmerische Verliebtheit, Coquetterie etc. kommen noch vor.
Heitere Verstimmung.
geschlagenheit, übermässige Reizbarkeit, habituelle, bittere, unzufriedene, selbst- quälerische Stimmungen, wie man sie zuweilen bei geistig ausgezeichneten Menschen beobachtet (J. J. Rousseau), grundlose Eifersucht, Aerger, Furcht, Zorn etc.
§. 36.
Die entgegengesetzten krankhaften Gemüthszustände, mit der Stim- mung der Heiterkeit, Ausgelassenheit, des Muthwillens, mit erhöhter geistiger (und gewöhnlich auch leiblicher) Activität sind den expansiven Affecten höchst analog, und beide haben in der Hauptsache dieselben nächsten Folgen. Es gibt auch beim Gesunden ein „Närrischwerden vor Freude“, wo nicht nur das Gefühl der glücklichen Gegenwart alle Seelenkräfte expandirt, sondern plötzlich auch alle Träume der Zu- kunft realisirt erscheinen, wo Menschen und Dinge einem näher ge- kommen sind, wo man Jedermann sein Glück theilen lassen und der ganzen Welt um den Hals fallen möchte. Es kann dabei sogar schon zu einer ziemlichen Unordnung und Inconhärenz der Ideen kommen, und es zeigt jedenfalls keine sehr tiefe Erregung, wenn der Glück- liche sich gleich schnell besonnen in Alles zurecht zu finden weiss. Auch beim Gesunden ist mit diesen Gefühlen gewöhnlich ein Trieb zu äusserer Bewegung, Unruhe, vielem Sprechen und Geschäftigkeit verbunden. In ähnlicher Weise äussern sich diese Zustände, wenn sie von innen heraus krankhaft entstehen; sie bilden gewöhnlich die Grundzustände der Form des sog. Wahnsinns und kommen auch noch, doch sehr abgeschwächt, in der Verrücktheit und Narrheit vor. Wir müssen uns, nach unsern Beobachtungen, entschieden der An- sicht Guislains anschliessen, dass das fröhliche Irresein fast immer erst secundär, nach vorausgegangenen Depressionszuständen, sich ein- stellt. Es scheint desshalb auch auf einer tieferen psychischen Er- krankung zu beruhen, als die letzteren Zustände. Es ist oft, als ob plötzlich mit einer eingetretenen Veränderung im Zustande des Ge- hirns die bisher auf der Seele lastenden Hemmnisse vollständig weg- genommen wären und sich nun, als ein Symptom tieferer Zerrüt- tung, das Gefühl grosser psychischer Freiheit, glückliche, hoffnungs- reiche Stimmnngen von selbst erheben könnten. Eine entferntere Analogie aus dem sensitiv-motorischen Nervensysteme mag die Beobachtung (Purkinje) bieten, dass, wenn die Extremitäten eine Zeit lang mit angehängten Gewichten belastet waren, unmittelbar nach deren Wegnahme eine ungemeine Leichtigkeit der Bewegungen eintritt.
Eine Menge anderer, nicht einzeln aufzählbarer krankhafter Stimmungen und Gemüthserregungen, bizarre, launische Inclinationen und Abneigungen, sinnliche und ideal-schwärmerische Verliebtheit, Coquetterie etc. kommen noch vor.
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Heitere Verstimmung.
geschlagenheit, übermässige Reizbarkeit, habituelle, bittere, unzufriedene, selbst-
quälerische Stimmungen, wie man sie zuweilen bei geistig ausgezeichneten Menschen
beobachtet (J. J. Rousseau), grundlose Eifersucht, Aerger, Furcht, Zorn etc.
§. 36.
Die entgegengesetzten krankhaften Gemüthszustände, mit der Stim-
mung der Heiterkeit, Ausgelassenheit, des Muthwillens, mit erhöhter
geistiger (und gewöhnlich auch leiblicher) Activität sind den expansiven
Affecten höchst analog, und beide haben in der Hauptsache dieselben
nächsten Folgen. Es gibt auch beim Gesunden ein „Närrischwerden
vor Freude“, wo nicht nur das Gefühl der glücklichen Gegenwart alle
Seelenkräfte expandirt, sondern plötzlich auch alle Träume der Zu-
kunft realisirt erscheinen, wo Menschen und Dinge einem näher ge-
kommen sind, wo man Jedermann sein Glück theilen lassen und der
ganzen Welt um den Hals fallen möchte. Es kann dabei sogar schon
zu einer ziemlichen Unordnung und Inconhärenz der Ideen kommen,
und es zeigt jedenfalls keine sehr tiefe Erregung, wenn der Glück-
liche sich gleich schnell besonnen in Alles zurecht zu finden weiss.
Auch beim Gesunden ist mit diesen Gefühlen gewöhnlich ein Trieb
zu äusserer Bewegung, Unruhe, vielem Sprechen und Geschäftigkeit
verbunden. In ähnlicher Weise äussern sich diese Zustände, wenn
sie von innen heraus krankhaft entstehen; sie bilden gewöhnlich
die Grundzustände der Form des sog. Wahnsinns und kommen auch
noch, doch sehr abgeschwächt, in der Verrücktheit und Narrheit vor.
Wir müssen uns, nach unsern Beobachtungen, entschieden der An-
sicht Guislains anschliessen, dass das fröhliche Irresein fast immer
erst secundär, nach vorausgegangenen Depressionszuständen, sich ein-
stellt. Es scheint desshalb auch auf einer tieferen psychischen Er-
krankung zu beruhen, als die letzteren Zustände. Es ist oft, als ob
plötzlich mit einer eingetretenen Veränderung im Zustande des Ge-
hirns die bisher auf der Seele lastenden Hemmnisse vollständig weg-
genommen wären und sich nun, als ein Symptom tieferer Zerrüt-
tung, das Gefühl grosser psychischer Freiheit, glückliche, hoffnungs-
reiche Stimmnngen von selbst erheben könnten. Eine entferntere
Analogie aus dem sensitiv-motorischen Nervensysteme mag die
Beobachtung (Purkinje) bieten, dass, wenn die Extremitäten eine Zeit
lang mit angehängten Gewichten belastet waren, unmittelbar nach
deren Wegnahme eine ungemeine Leichtigkeit der Bewegungen eintritt.
Eine Menge anderer, nicht einzeln aufzählbarer krankhafter Stimmungen und
Gemüthserregungen, bizarre, launische Inclinationen und Abneigungen, sinnliche
und ideal-schwärmerische Verliebtheit, Coquetterie etc. kommen noch vor.
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Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/griesinger_psychische_1845/68>, abgerufen am 21.11.2024.
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