Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845.Symptomatologie des Wahnsinns. Diejenigen Zustände, in welchen noch am wenigsten Verworren- Zweites Capitel. Der Wahnsinn. §. 116. Wir begreifen unter diesem Namen Exaltationszustände, deren Es ist die Form, welche Heinroth zum grössten Theile als Ecstasis Wir verweisen vor Allem auf das über die Exaltationszustände im Allge- Die Anomalieen der Selbstempfindung, der Triebe und *) An mehren Stellen seiner Schrift über die Tobsucht, z. B. bei der 18ten
und 19ten Krankheitsgeschichte. Symptomatologie des Wahnsinns. Diejenigen Zustände, in welchen noch am wenigsten Verworren- Zweites Capitel. Der Wahnsinn. §. 116. Wir begreifen unter diesem Namen Exaltationszustände, deren Es ist die Form, welche Heinroth zum grössten Theile als Ecstasis Wir verweisen vor Allem auf das über die Exaltationszustände im Allge- Die Anomalieen der Selbstempfindung, der Triebe und *) An mehren Stellen seiner Schrift über die Tobsucht, z. B. bei der 18ten
und 19ten Krankheitsgeschichte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0252" n="238"/> <fw place="top" type="header">Symptomatologie des Wahnsinns.</fw><lb/> <p>Diejenigen Zustände, in welchen noch am wenigsten Verworren-<lb/> heit und Wahnvorstellungen auftreten, in welchen noch am meisten<lb/> formal logische Cohärenz im Vorstellen zu erkennen ist, sind eben<lb/> die im vorigen §. geschilderten, milden, meist aber nur den Beginn<lb/> heftigerer Manie einleitenden Exaltationszustände. Für diese, die<lb/> Folie raisonnante, mag man denn, wie Pinel diess zum Theil that, den<lb/> Namen der Mania sine delirio gebrauchen. Da es aber in den con-<lb/> creten Fällen nicht darauf ankommt, vorliegende Zustände unter ge-<lb/> wisse Namen zu subsummiren, sondern vielmehr eine psychologische<lb/> Würdigung des psychisch-krankhaften Grundzustandes, der Momente,<lb/> aus denen er sich entwickelt hat und seiner Folgen in ihrem noth-<lb/> wendigen inneren Zusammenhange, dem Arzte obliegt, so möchte es<lb/> am gerathensten sein, den dunkeln, die Curiosität der Rechtsgelehrten<lb/> und sonstigen Laien herausfordernden Namen ganz fallen zu lassen.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="3"> <head><hi rendition="#b">Zweites Capitel.</hi><lb/><hi rendition="#i">Der Wahnsinn</hi>.</head><lb/> <div n="4"> <head>§. 116.</head><lb/> <p>Wir begreifen unter diesem Namen Exaltationszustände, deren<lb/> Character in affirmativem, expansivem Affect mit anhaltender Selbst-<lb/> überschätzung und daraus hervorgehenden, ausschweifenden und fixeren<lb/> Wahnvorstellungen besteht.</p><lb/> <p>Es ist die Form, welche Heinroth zum grössten Theile als <hi rendition="#g">Ecstasis<lb/> paranoica</hi> beschrieben, Jessen als <hi rendition="#g">Schwärmerei</hi> (und zum Theil <hi rendition="#g">Aberwitz</hi>)<lb/> bezeichnet hat. Mit den von <hi rendition="#g">Jakobi</hi> als Wahnsinn bezeichneten Zuständen<lb/> stimmt unsere Form nur zum Theil überein, da derselbe auch die Melancholie<lb/> mit Wahnvorstellungen darunter versteht. <note place="foot" n="*)">An mehren Stellen seiner Schrift über die Tobsucht, z. B. bei der 18ten<lb/> und 19ten Krankheitsgeschichte.</note> Die meisten französischen Irrenärzte<lb/> nennen diese Zustände <hi rendition="#g">Monomanie</hi> (aigue) <hi rendition="#g">d’ambition, d’orgueil, de vanité</hi>,<lb/> auch (nach <hi rendition="#g">Rush</hi>) <hi rendition="#g">Amenomanie</hi>.</p><lb/> <p>Wir verweisen vor Allem auf das über die Exaltationszustände im Allge-<lb/> meinen und das im §. 111. Gesagte, wodurch wir in Stand gesetzt sind, hier<lb/> durch eine kürzere Schilderung und Erörterung der krankhaften Phänomene dem<lb/> Bedürfnisse des Lesers zu genügen.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Die Anomalieen der Selbstempfindung, der Triebe und<lb/> des Wollens</hi> in dieser Form des Irreseins gruppiren sich sämmtlich<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [238/0252]
Symptomatologie des Wahnsinns.
Diejenigen Zustände, in welchen noch am wenigsten Verworren-
heit und Wahnvorstellungen auftreten, in welchen noch am meisten
formal logische Cohärenz im Vorstellen zu erkennen ist, sind eben
die im vorigen §. geschilderten, milden, meist aber nur den Beginn
heftigerer Manie einleitenden Exaltationszustände. Für diese, die
Folie raisonnante, mag man denn, wie Pinel diess zum Theil that, den
Namen der Mania sine delirio gebrauchen. Da es aber in den con-
creten Fällen nicht darauf ankommt, vorliegende Zustände unter ge-
wisse Namen zu subsummiren, sondern vielmehr eine psychologische
Würdigung des psychisch-krankhaften Grundzustandes, der Momente,
aus denen er sich entwickelt hat und seiner Folgen in ihrem noth-
wendigen inneren Zusammenhange, dem Arzte obliegt, so möchte es
am gerathensten sein, den dunkeln, die Curiosität der Rechtsgelehrten
und sonstigen Laien herausfordernden Namen ganz fallen zu lassen.
Zweites Capitel.
Der Wahnsinn.
§. 116.
Wir begreifen unter diesem Namen Exaltationszustände, deren
Character in affirmativem, expansivem Affect mit anhaltender Selbst-
überschätzung und daraus hervorgehenden, ausschweifenden und fixeren
Wahnvorstellungen besteht.
Es ist die Form, welche Heinroth zum grössten Theile als Ecstasis
paranoica beschrieben, Jessen als Schwärmerei (und zum Theil Aberwitz)
bezeichnet hat. Mit den von Jakobi als Wahnsinn bezeichneten Zuständen
stimmt unsere Form nur zum Theil überein, da derselbe auch die Melancholie
mit Wahnvorstellungen darunter versteht. *) Die meisten französischen Irrenärzte
nennen diese Zustände Monomanie (aigue) d’ambition, d’orgueil, de vanité,
auch (nach Rush) Amenomanie.
Wir verweisen vor Allem auf das über die Exaltationszustände im Allge-
meinen und das im §. 111. Gesagte, wodurch wir in Stand gesetzt sind, hier
durch eine kürzere Schilderung und Erörterung der krankhaften Phänomene dem
Bedürfnisse des Lesers zu genügen.
Die Anomalieen der Selbstempfindung, der Triebe und
des Wollens in dieser Form des Irreseins gruppiren sich sämmtlich
*) An mehren Stellen seiner Schrift über die Tobsucht, z. B. bei der 18ten
und 19ten Krankheitsgeschichte.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |