Ueber Italien existiren keine umfassenderen, zuverlässigen Be- richte. Brierre's Schätzungen ergeben 1 : 4879 Einwohner. Esquirol nahm a. 1834 ein Verhältniss von 1 : 3785 an. Auch diess ist ge- wiss noch viel zu niedrig. In der Provinz Padua kommt nach Lip- pich *) schon 1 (in den Anstalten verpflegter) Kranker auf 1900 Einw.
Von Spanien fehlen alle genaueren Angaben. Dass in Por- tugal die Zahl der Irren nicht unbeträchtlich sein muss, zeigt der Bericht von Marchant; **) derselbe fand auf der Insel Madeira in der Stadt Funchal 1 : 2667 Einwohner.
Dieselbe Unmöglichkeit einer auch nur annähernd richtigen Schät- zung herrscht im Durchschnitt für die orientalischen Länder. In Malta ***) kam (a. 1836) 1 Fall auf 7--800 Einwohner, in Smyrna unter den dort lebenden Griechen 1 auf 1000. Dieses Verhältniss ist nicht ohne Interesse, insoferne es, ungeachtet der grossen Ver- schiedenheit des Climas, doch an den Orten, wo europäische Civili- sation herrscht, eine den sonstigen europäischen Ländern gleiche Pro- portion zeigt. In Nubien, in Sennaar, in Abyssinien sollen sich (ibid. p. 126) nur hier und da einzelne Blödsinnige finden.
Unter den Vereinigten Staaten betrug a. 1825 die Zahl der Irren im Staate New-York = 1 : 7--800; eine neuere Zählung (a. 1841) gab so colossale Zahlen, dass z. B. im Staate Maine 1 Geisteskranker auf 14 Einwohner käme, was gewiss unrichtig ist. +)
§. 68.
Aus den Widersprüchen und der Dürftigkeit dieser Statistiken erhellt von selbst, wie es zur Lösung der neuerlich vielfach bespro- chenen und vieldeutigen Frage, ob der Fortschritt der Civili- sation die Zahl solcher Erkrankungen vermehre, fast an den ersten Elementen fehle. Manches kann hier wohl a priori zugegeben wer- den. Die Steigerung der Industrie, der Künste und Wissenschaften setzt auch eine allgemeine Steigerung der cerebralen Thätigkeiten vor- aus; die immer weitere Entfernung von einfachen Sitten, die Ver- breitung der feineren, geistigen und leiblichen Genüsse bringt früher unbekannte Neigungen und Leidenschaften mit sich; die allgemeine liberale Erziehung weckt unter der Masse einen höher strebenden
*) Oesterreich. Jahrb. Juli 1842. p. 36. Vgl. Guislain, lettres medicales sur l'Italie. Gand. 1840. p. 90. Mittermaier, italien. Zustände. 1844. p. 184.
**) Annal. med. psychol. Mai 1844. 371.
***) Moreau, Annal. med. psychol. I. 1843. p. 107, 109.
+) Moreau de Jonnes. l. c.
Zahl der Irren.
Ueber Italien existiren keine umfassenderen, zuverlässigen Be- richte. Brierre’s Schätzungen ergeben 1 : 4879 Einwohner. Esquirol nahm a. 1834 ein Verhältniss von 1 : 3785 an. Auch diess ist ge- wiss noch viel zu niedrig. In der Provinz Padua kommt nach Lip- pich *) schon 1 (in den Anstalten verpflegter) Kranker auf 1900 Einw.
Von Spanien fehlen alle genaueren Angaben. Dass in Por- tugal die Zahl der Irren nicht unbeträchtlich sein muss, zeigt der Bericht von Marchant; **) derselbe fand auf der Insel Madeira in der Stadt Funchal 1 : 2667 Einwohner.
Dieselbe Unmöglichkeit einer auch nur annähernd richtigen Schät- zung herrscht im Durchschnitt für die orientalischen Länder. In Malta ***) kam (a. 1836) 1 Fall auf 7—800 Einwohner, in Smyrna unter den dort lebenden Griechen 1 auf 1000. Dieses Verhältniss ist nicht ohne Interesse, insoferne es, ungeachtet der grossen Ver- schiedenheit des Climas, doch an den Orten, wo europäische Civili- sation herrscht, eine den sonstigen europäischen Ländern gleiche Pro- portion zeigt. In Nubien, in Sennaar, in Abyssinien sollen sich (ibid. p. 126) nur hier und da einzelne Blödsinnige finden.
Unter den Vereinigten Staaten betrug a. 1825 die Zahl der Irren im Staate New-York = 1 : 7—800; eine neuere Zählung (a. 1841) gab so colossale Zahlen, dass z. B. im Staate Maine 1 Geisteskranker auf 14 Einwohner käme, was gewiss unrichtig ist. †)
§. 68.
Aus den Widersprüchen und der Dürftigkeit dieser Statistiken erhellt von selbst, wie es zur Lösung der neuerlich vielfach bespro- chenen und vieldeutigen Frage, ob der Fortschritt der Civili- sation die Zahl solcher Erkrankungen vermehre, fast an den ersten Elementen fehle. Manches kann hier wohl a priori zugegeben wer- den. Die Steigerung der Industrie, der Künste und Wissenschaften setzt auch eine allgemeine Steigerung der cerebralen Thätigkeiten vor- aus; die immer weitere Entfernung von einfachen Sitten, die Ver- breitung der feineren, geistigen und leiblichen Genüsse bringt früher unbekannte Neigungen und Leidenschaften mit sich; die allgemeine liberale Erziehung weckt unter der Masse einen höher strebenden
*) Oesterreich. Jahrb. Juli 1842. p. 36. Vgl. Guislain, lettres médicales sur l’Italie. Gand. 1840. p. 90. Mittermaier, italien. Zustände. 1844. p. 184.
**) Annal. med. psychol. Mai 1844. 371.
***) Moreau, Annal. med. psychol. I. 1843. p. 107, 109.
†) Moreau de Jonnès. l. c.
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Zahl der Irren.
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nahm a. 1834 ein Verhältniss von 1 : 3785 an. Auch diess ist ge-
wiss noch viel zu niedrig. In der Provinz Padua kommt nach Lip-
pich *) schon 1 (in den Anstalten verpflegter) Kranker auf 1900 Einw.
Von Spanien fehlen alle genaueren Angaben. Dass in Por-
tugal die Zahl der Irren nicht unbeträchtlich sein muss, zeigt der
Bericht von Marchant; **) derselbe fand auf der Insel Madeira in der
Stadt Funchal 1 : 2667 Einwohner.
Dieselbe Unmöglichkeit einer auch nur annähernd richtigen Schät-
zung herrscht im Durchschnitt für die orientalischen Länder. In
Malta ***) kam (a. 1836) 1 Fall auf 7—800 Einwohner, in Smyrna
unter den dort lebenden Griechen 1 auf 1000. Dieses Verhältniss
ist nicht ohne Interesse, insoferne es, ungeachtet der grossen Ver-
schiedenheit des Climas, doch an den Orten, wo europäische Civili-
sation herrscht, eine den sonstigen europäischen Ländern gleiche Pro-
portion zeigt. In Nubien, in Sennaar, in Abyssinien sollen sich
(ibid. p. 126) nur hier und da einzelne Blödsinnige finden.
Unter den Vereinigten Staaten betrug a. 1825 die Zahl der
Irren im Staate New-York = 1 : 7—800; eine neuere Zählung (a. 1841)
gab so colossale Zahlen, dass z. B. im Staate Maine 1 Geisteskranker
auf 14 Einwohner käme, was gewiss unrichtig ist. †)
§. 68.
Aus den Widersprüchen und der Dürftigkeit dieser Statistiken
erhellt von selbst, wie es zur Lösung der neuerlich vielfach bespro-
chenen und vieldeutigen Frage, ob der Fortschritt der Civili-
sation die Zahl solcher Erkrankungen vermehre, fast an den ersten
Elementen fehle. Manches kann hier wohl a priori zugegeben wer-
den. Die Steigerung der Industrie, der Künste und Wissenschaften
setzt auch eine allgemeine Steigerung der cerebralen Thätigkeiten vor-
aus; die immer weitere Entfernung von einfachen Sitten, die Ver-
breitung der feineren, geistigen und leiblichen Genüsse bringt früher
unbekannte Neigungen und Leidenschaften mit sich; die allgemeine
liberale Erziehung weckt unter der Masse einen höher strebenden
*) Oesterreich. Jahrb. Juli 1842. p. 36. Vgl. Guislain, lettres médicales sur
l’Italie. Gand. 1840. p. 90. Mittermaier, italien. Zustände. 1844. p. 184.
**) Annal. med. psychol. Mai 1844. 371.
***) Moreau, Annal. med. psychol. I. 1843. p. 107, 109.
†) Moreau de Jonnès. l. c.
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Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/griesinger_psychische_1845/118>, abgerufen am 03.03.2025.
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