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Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716.

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Sinn-Gedichte.
Die verhaßten Stachel.
Was spitz und stachlicht ist/ daß haßt das Frauen-Zimmer/
Es schreit/ wenn ihre Hand ein scharffes Ding berührt.
Wenn es die Rosen bricht schillt es die Stacheln immer
Die deren Purpur-Zier zur Wache bey sich führt.
Das Honig liebt es zwar/ doch aber nicht die Bienen/
Denn deren scharff Gewehr offt ihre Haut verletzt/
Es liebt das weiche Blat der gläntzenden Jesminen,
Die Dornen aber nicht/ die in dem Zaun gesetzt.
Die Nadel muß ihm zwar im Putze Dienste leisten/
Allein die Spitze ist/ so bald sie sticht veracht.
Dis ging' noch alles hin/ doch kränckt uns dis am meisten/
Daß unsers Mundes-Zier auch wird dazu gemacht.
Sie mögen hertzlich gern von uns die Küsse nehmen/
Wenn unser Mannheit-Schmuck nicht um den Lippen steht/
Denn aber will der Mund sich nicht dazu bequehmen
Wenn ihnen nur der Bart in ihre Haut eingeht.
Sind aber/ Kinder/ euch die Stachels auch verhasset/
Die eurer Jungferschafft den lieben Tod anthun?
Nein! denn er wird von euch an solchen Ort gefasset/
Daß ihr im Stechen könnt in süsser Wollust ruhn.
Der Stachel ists/ der euch alleine will gefallen/
Da ander Stachels euch zu mahl verhasset seyn/
Den Stachel liebet ihr an uns vor andern allen/
Weil er so zärtlich sticht euch eine Wunde ein.
Allein ihr seyd bethört/ daß ihr den Stachel liebet/
Der mit dem süssen Stich euch allzu schädlich ist/
Gesetzt/ daß euch ein Dorn/ ein Bart Verletzung giebet
So stirbt die Ehr doch nicht/ die bald das Grab-Mahl küßt.
Haßt doch die Stacheln nicht/ die euch nicht schaden künnen/
Vertragt der Dornen-Stich des Bartes auch darbey/
Der Schmertz/ der davon kommt/ pflegt leichte zu zerrinnen/
Und glaubt der süsse Stich macht viel Beschwererey.


An die falsche Lysilis.
SO meynet Lysilis, daß ich des Todes sey
Wenn ihre Gunst mir fehlt/ und sie mir ungetreu?
So
Sinn-Gedichte.
Die verhaßten Stachel.
Was ſpitz und ſtachlicht iſt/ daß haßt das Frauen-Zimmer/
Es ſchreit/ wenn ihre Hand ein ſcharffes Ding beruͤhrt.
Wenn es die Roſen bricht ſchillt es die Stacheln immer
Die deren Purpur-Zier zur Wache bey ſich fuͤhrt.
Das Honig liebt es zwar/ doch aber nicht die Bienen/
Denn deren ſcharff Gewehr offt ihre Haut verletzt/
Es liebt das weiche Blat der glaͤntzenden Jesminen,
Die Dornen aber nicht/ die in dem Zaun geſetzt.
Die Nadel muß ihm zwar im Putze Dienſte leiſten/
Allein die Spitze iſt/ ſo bald ſie ſticht veracht.
Dis ging’ noch alles hin/ doch kraͤnckt uns dis am meiſten/
Daß unſers Mundes-Zier auch wird dazu gemacht.
Sie moͤgen hertzlich gern von uns die Kuͤſſe nehmen/
Wenn unſer Mannheit-Schmuck nicht um den Lippen ſteht/
Denn aber will der Mund ſich nicht dazu bequehmen
Wenn ihnen nur der Bart in ihre Haut eingeht.
Sind aber/ Kinder/ euch die Stachels auch verhaſſet/
Die eurer Jungferſchafft den lieben Tod anthun?
Nein! denn er wird von euch an ſolchen Ort gefaſſet/
Daß ihr im Stechen koͤnnt in ſuͤſſer Wolluſt ruhn.
Der Stachel iſts/ der euch alleine will gefallen/
Da ander Stachels euch zu mahl verhaſſet ſeyn/
Den Stachel liebet ihr an uns vor andern allen/
Weil er ſo zaͤrtlich ſticht euch eine Wunde ein.
Allein ihr ſeyd bethoͤrt/ daß ihr den Stachel liebet/
Der mit dem ſuͤſſen Stich euch allzu ſchaͤdlich iſt/
Geſetzt/ daß euch ein Dorn/ ein Bart Verletzung giebet
So ſtirbt die Ehr doch nicht/ die bald das Grab-Mahl kuͤßt.
Haßt doch die Stacheln nicht/ die euch nicht ſchaden kuͤnnen/
Vertragt der Dornen-Stich des Bartes auch darbey/
Der Schmertz/ der davon kommt/ pflegt leichte zu zerrinnen/
Und glaubt der ſuͤſſe Stich macht viel Beſchwererey.


An die falſche Lyſilis.
SO meynet Lyſilis, daß ich des Todes ſey
Wenn ihre Gunſt mir fehlt/ und ſie mir ungetreu?
So
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[376/0394] Sinn-Gedichte. Die verhaßten Stachel. Was ſpitz und ſtachlicht iſt/ daß haßt das Frauen-Zimmer/ Es ſchreit/ wenn ihre Hand ein ſcharffes Ding beruͤhrt. Wenn es die Roſen bricht ſchillt es die Stacheln immer Die deren Purpur-Zier zur Wache bey ſich fuͤhrt. Das Honig liebt es zwar/ doch aber nicht die Bienen/ Denn deren ſcharff Gewehr offt ihre Haut verletzt/ Es liebt das weiche Blat der glaͤntzenden Jesminen, Die Dornen aber nicht/ die in dem Zaun geſetzt. Die Nadel muß ihm zwar im Putze Dienſte leiſten/ Allein die Spitze iſt/ ſo bald ſie ſticht veracht. Dis ging’ noch alles hin/ doch kraͤnckt uns dis am meiſten/ Daß unſers Mundes-Zier auch wird dazu gemacht. Sie moͤgen hertzlich gern von uns die Kuͤſſe nehmen/ Wenn unſer Mannheit-Schmuck nicht um den Lippen ſteht/ Denn aber will der Mund ſich nicht dazu bequehmen Wenn ihnen nur der Bart in ihre Haut eingeht. Sind aber/ Kinder/ euch die Stachels auch verhaſſet/ Die eurer Jungferſchafft den lieben Tod anthun? Nein! denn er wird von euch an ſolchen Ort gefaſſet/ Daß ihr im Stechen koͤnnt in ſuͤſſer Wolluſt ruhn. Der Stachel iſts/ der euch alleine will gefallen/ Da ander Stachels euch zu mahl verhaſſet ſeyn/ Den Stachel liebet ihr an uns vor andern allen/ Weil er ſo zaͤrtlich ſticht euch eine Wunde ein. Allein ihr ſeyd bethoͤrt/ daß ihr den Stachel liebet/ Der mit dem ſuͤſſen Stich euch allzu ſchaͤdlich iſt/ Geſetzt/ daß euch ein Dorn/ ein Bart Verletzung giebet So ſtirbt die Ehr doch nicht/ die bald das Grab-Mahl kuͤßt. Haßt doch die Stacheln nicht/ die euch nicht ſchaden kuͤnnen/ Vertragt der Dornen-Stich des Bartes auch darbey/ Der Schmertz/ der davon kommt/ pflegt leichte zu zerrinnen/ Und glaubt der ſuͤſſe Stich macht viel Beſchwererey. An die falſche Lyſilis. SO meynet Lyſilis, daß ich des Todes ſey Wenn ihre Gunſt mir fehlt/ und ſie mir ungetreu? So

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Zitationshilfe: Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gressel_grabgedichte_1716/394>, abgerufen am 21.11.2024.