Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716.Sinn-Gedichte. Uber ihre Wangen. Die Rosen-Wangen sind recht unvergleichlich schön/ Zinnober kan man da bey feinem Purpur sehn/ Die Nelcke mag nicht so mit bunten Farben prahlen/ Ein Scarlach muß das Feld so Tag als Nacht bemahlen. Jhr Rosen Jndiens hült eure Blätter ein Eur Wunder wird hier nichts bey diesen Blumen seyn; Der Atlas/ welcher euch am hellen Morgen zieret (a) Der Scarlach/ welchen ihr des Mittags bey euch führet/ Die schwartze Mohren Farb'/ so euch des Abends deckt/ Die sind zu einer Zeit zur Schau hier ausgesteckt. Die schöne Stirn ist weis/ ein Purpur ziert die Wangen/ Die Augen/ gleich der Nacht/ mit schwartzer Farben prangen. An eine schöne und tugendsahme Jungfer. Die Mutter dieses Runds die günstige Natur/ Will dich in allen Ernst recht unvergleichlich ziehren/ Vor deiner Schönheit muß Helene sich verliehren/ Denn an der findet man nur bloß der Schönheit-Spuhr. Dein Antlitzt ist ein Schnee in Purpur eingehült/ Wo sich die Liljen mit schönen Rosen küssen; Die Schönheit hat an dir ihr Kunst-Werck drehen müssen/ Sie zeiget/ daß du bist ein über irrdisch Bild. So schön nun dein Gesicht/ so ist dein Hertze auch/ Die Gutheit hat den Sitz darinnen auffgeschlagen Es kan sich mit dem Stoltz im minsten nicht vertragen/ Gantz wider die Natur/ und ihrem übeln Brauch. Denn wenn sie sich mit Fleiß von aussen emsig stellt (b) Und alle Schönheit denckt in das Gesicht zu setzen/ So darf man nur das Hertz nicht allzukostbahr schätzen/ Weils denn die Laster-Brutt zusammen in sich hält. An (a) Man findet in den Orientalischen Reis-Beschreibungen/ daß in Jndien eine Art Rosen anzutreffen/ welche des Morgens mit weisser/ des Mittags mit rohter/ und des Abends mit schwartzer Farbe praugen. (b) Accidit interdum, ut natura exterioribus intenta perfectioni- bus interiorum, quae potiores sunt, obliviscatur. Savedr. Symb. III. p. 22. X 3
Sinn-Gedichte. Uber ihre Wangen. Die Roſen-Wangen ſind recht unvergleichlich ſchoͤn/ Zinnober kan man da bey feinem Purpur ſehn/ Die Nelcke mag nicht ſo mit bunten Farben prahlen/ Ein Scarlach muß das Feld ſo Tag als Nacht bemahlen. Jhr Roſen Jndiens huͤlt eure Blaͤtter ein Eur Wunder wird hier nichts bey dieſen Blumen ſeyn; Der Atlas/ welcher euch am hellen Morgen zieret (a) Der Scarlach/ welchen ihr des Mittags bey euch fuͤhret/ Die ſchwartze Mohren Farb’/ ſo euch des Abends deckt/ Die ſind zu einer Zeit zur Schau hier ausgeſteckt. Die ſchoͤne Stirn iſt weis/ ein Purpur ziert die Wangen/ Die Augen/ gleich der Nacht/ mit ſchwartzer Farben prangen. An eine ſchoͤne und tugendſahme Jungfer. Die Mutter dieſes Runds die guͤnſtige Natur/ Will dich in allen Ernſt recht unvergleichlich ziehren/ Vor deiner Schoͤnheit muß Helene ſich verliehren/ Denn an der findet man nur bloß der Schoͤnheit-Spuhr. Dein Antlitzt iſt ein Schnee in Purpur eingehuͤlt/ Wo ſich die Liljen mit ſchoͤnen Roſen kuͤſſen; Die Schoͤnheit hat an dir ihr Kunſt-Werck drehen muͤſſen/ Sie zeiget/ daß du biſt ein uͤber irrdiſch Bild. So ſchoͤn nun dein Geſicht/ ſo iſt dein Hertze auch/ Die Gutheit hat den Sitz darinnen auffgeſchlagen Es kan ſich mit dem Stoltz im minſten nicht vertragen/ Gantz wider die Natur/ und ihrem uͤbeln Brauch. Denn wenn ſie ſich mit Fleiß von auſſen emſig ſtellt (b) Und alle Schoͤnheit denckt in das Geſicht zu ſetzen/ So darf man nur das Hertz nicht allzukoſtbahr ſchaͤtzen/ Weils denn die Laſter-Brutt zuſammen in ſich haͤlt. An (a) Man findet in den Orientaliſchen Reis-Beſchreibungen/ daß in Jndien eine Art Roſen anzutreffen/ welche des Morgens mit weiſſer/ des Mittags mit rohter/ und des Abends mit ſchwartzer Farbe praugen. (b) Accidit interdum, ut natura exterioribus intenta perfectioni- bus interiorum, quæ potiores ſunt, obliviſcatur. Savedr. Symb. III. p. 22. X 3
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Sinn-Gedichte.
Uber ihre Wangen.
Die Roſen-Wangen ſind recht unvergleichlich ſchoͤn/
Zinnober kan man da bey feinem Purpur ſehn/
Die Nelcke mag nicht ſo mit bunten Farben prahlen/
Ein Scarlach muß das Feld ſo Tag als Nacht bemahlen.
Jhr Roſen Jndiens huͤlt eure Blaͤtter ein
Eur Wunder wird hier nichts bey dieſen Blumen ſeyn;
Der Atlas/ welcher euch am hellen Morgen zieret (a)
Der Scarlach/ welchen ihr des Mittags bey euch fuͤhret/
Die ſchwartze Mohren Farb’/ ſo euch des Abends deckt/
Die ſind zu einer Zeit zur Schau hier ausgeſteckt.
Die ſchoͤne Stirn iſt weis/ ein Purpur ziert die Wangen/
Die Augen/ gleich der Nacht/ mit ſchwartzer Farben prangen.
An eine ſchoͤne und tugendſahme Jungfer.
Die Mutter dieſes Runds die guͤnſtige Natur/
Will dich in allen Ernſt recht unvergleichlich ziehren/
Vor deiner Schoͤnheit muß Helene ſich verliehren/
Denn an der findet man nur bloß der Schoͤnheit-Spuhr.
Dein Antlitzt iſt ein Schnee in Purpur eingehuͤlt/
Wo ſich die Liljen mit ſchoͤnen Roſen kuͤſſen;
Die Schoͤnheit hat an dir ihr Kunſt-Werck drehen muͤſſen/
Sie zeiget/ daß du biſt ein uͤber irrdiſch Bild.
So ſchoͤn nun dein Geſicht/ ſo iſt dein Hertze auch/
Die Gutheit hat den Sitz darinnen auffgeſchlagen
Es kan ſich mit dem Stoltz im minſten nicht vertragen/
Gantz wider die Natur/ und ihrem uͤbeln Brauch.
Denn wenn ſie ſich mit Fleiß von auſſen emſig ſtellt (b)
Und alle Schoͤnheit denckt in das Geſicht zu ſetzen/
So darf man nur das Hertz nicht allzukoſtbahr ſchaͤtzen/
Weils denn die Laſter-Brutt zuſammen in ſich haͤlt.
An
(a) Man findet in den Orientaliſchen Reis-Beſchreibungen/ daß
in Jndien eine Art Roſen anzutreffen/ welche des Morgens
mit weiſſer/ des Mittags mit rohter/ und des Abends mit
ſchwartzer Farbe praugen.
(b) Accidit interdum, ut natura exterioribus intenta perfectioni-
bus interiorum, quæ potiores ſunt, obliviſcatur. Savedr.
Symb. III. p. 22.
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