Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716.

Bild:
<< vorherige Seite
Verliebte und galante Gedichte.
Sie kan durch ihren Trieb dahin die Geister treiben/
Daß sie auf diese Kunst hinwenden ihren Sinn.
Die gütige Natur läßt sie auch bald erfinden/
Sie mahlet künstlich vor ein wunderschönes O/
Sie können darinn leicht der Liebe-Grund ergründen/
Vor dieser Kunst erstaunt der Redner Cicero.
Sie kan durch ihre Macht diejenigen bewegen/
Die wie ein Demant hart/ und unbeweglich sind/
Sie darf nur einem Blick der Lieblichkeit erregen
Alsdann ein stoltzer Sinn wie weiches Wachs zerrinnt.
Wer in der Sprache sich wil einen Meister nennen/
Der muß im Lieben seyn mehr als im Reden frey/
Dabey die Eigenschafft von dieser Kunst erkennen/
Daß sie was Himmlisches und nichts Gemeines sey.


Ein nicht zu junges Frauen-Zimmer raison-
ni
ret über das Sprich-Wort: Die Alten/ Sind die
Kalten; nach vorgeschriebenen End-Reimen.

Sonnet.

Jhr frischen Buhlers sprecht: was nützen uns die - - Alten/
Denn eure Losung heist: die Alten sind die - - kalten/
Allein probiret erst der Alten ihre - - Spalten/
Und fühlet/ daß sie auch die Lüste können - - halten/
So werdt ihr nicht so sehr verachten ihre - - Falten/
Und ja so gern in ihr als einer jungen - - walten/
Weil ihr mit gleicher Lust daselbsten könnet - - schalten
Auch Feur und Hitze spührt bey einer nicht zu - - alten.
Doch sie muß älter nicht als vierzig Jahre - - seyn
Der Hencker gehe sonst mit ihr die Liebe - - ein/
Denn welcher sehnt sich wol nach einen Todten - - Schein/
Wer machet sich vor Lust im Lieben Hertzens - - Pein?
Der alte Most geht vor dem jung-und frischen - - Wein/
Und ein bewandtes Weib wird recht aptitlich - - seyn.
An
Verliebte und galante Gedichte.
Sie kan durch ihren Trieb dahin die Geiſter treiben/
Daß ſie auf dieſe Kunſt hinwenden ihren Sinn.
Die guͤtige Natur laͤßt ſie auch bald erfinden/
Sie mahlet kuͤnſtlich vor ein wunderſchoͤnes O/
Sie koͤnnen darinn leicht der Liebe-Grund ergruͤnden/
Vor dieſer Kunſt erſtaunt der Redner Cicero.
Sie kan durch ihre Macht diejenigen bewegen/
Die wie ein Demant hart/ und unbeweglich ſind/
Sie darf nur einem Blick der Lieblichkeit erregen
Alsdann ein ſtoltzer Sinn wie weiches Wachs zerrinnt.
Wer in der Sprache ſich wil einen Meiſter nennen/
Der muß im Lieben ſeyn mehr als im Reden frey/
Dabey die Eigenſchafft von dieſer Kunſt erkennen/
Daß ſie was Himmliſches und nichts Gemeines ſey.


Ein nicht zu junges Frauen-Zim̄er raiſon-
ni
ret uͤber das Sprich-Wort: Die Alten/ Sind die
Kalten; nach vorgeſchriebenen End-Reimen.

Sonnet.

Jhr friſchen Buhlers ſprecht: was nuͤtzen uns die - - Alten/
Denn eure Loſung heiſt: die Alten ſind die - - kalten/
Allein probiret erſt der Alten ihre - - Spalten/
Und fuͤhlet/ daß ſie auch die Luͤſte koͤnnen - - halten/
So werdt ihr nicht ſo ſehr verachten ihre - - Falten/
Und ja ſo gern in ihr als einer jungen - - walten/
Weil ihr mit gleicher Luſt daſelbſten koͤnnet - - ſchalten
Auch Feur und Hitze ſpuͤhrt bey einer nicht zu - - alten.
Doch ſie muß aͤlter nicht als vierzig Jahre - - ſeyn
Der Hencker gehe ſonſt mit ihr die Liebe - - ein/
Denn welcher ſehnt ſich wol nach einen Todten - - Schein/
Wer machet ſich vor Luſt im Lieben Hertzens - - Pein?
Der alte Moſt geht vor dem jung-und friſchen - - Wein/
Und ein bewandtes Weib wird recht aptitlich - - ſeyn.
An
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0128" n="110"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Verliebte und <hi rendition="#aq">galante</hi> Gedichte.</hi> </fw><lb/>
            <l>Sie kan durch ihren Trieb dahin die Gei&#x017F;ter treiben/</l><lb/>
            <l>Daß &#x017F;ie auf die&#x017F;e Kun&#x017F;t hinwenden ihren Sinn.</l><lb/>
            <l>Die gu&#x0364;tige Natur la&#x0364;ßt &#x017F;ie auch bald erfinden/</l><lb/>
            <l>Sie mahlet ku&#x0364;n&#x017F;tlich vor ein wunder&#x017F;cho&#x0364;nes O/</l><lb/>
            <l>Sie ko&#x0364;nnen darinn leicht der Liebe-Grund ergru&#x0364;nden/</l><lb/>
            <l>Vor die&#x017F;er Kun&#x017F;t er&#x017F;taunt der Redner <hi rendition="#aq">Cicero.</hi></l><lb/>
            <l>Sie kan durch ihre Macht diejenigen bewegen/</l><lb/>
            <l>Die wie ein Demant hart/ und unbeweglich &#x017F;ind/</l><lb/>
            <l>Sie darf nur einem Blick der Lieblichkeit erregen</l><lb/>
            <l>Alsdann ein &#x017F;toltzer Sinn wie weiches Wachs zerrinnt.</l><lb/>
            <l>Wer in der Sprache &#x017F;ich wil einen Mei&#x017F;ter nennen/</l><lb/>
            <l>Der muß im Lieben &#x017F;eyn mehr als im Reden frey/</l><lb/>
            <l>Dabey die Eigen&#x017F;chafft von die&#x017F;er Kun&#x017F;t erkennen/</l><lb/>
            <l>Daß &#x017F;ie was Himmli&#x017F;ches und nichts Gemeines &#x017F;ey.</l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Ein nicht zu junges Frauen-Zim&#x0304;er <hi rendition="#aq">rai&#x017F;on-<lb/>
ni</hi>ret u&#x0364;ber das Sprich-Wort: Die Alten/ Sind die<lb/>
Kalten; nach vorge&#x017F;chriebenen End-Reimen.</hi> </head><lb/>
          <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Sonnet.</hi> </hi> </p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l><hi rendition="#in">J</hi>hr fri&#x017F;chen Buhlers &#x017F;precht: was nu&#x0364;tzen uns die - - Alten/</l><lb/>
            <l>Denn eure Lo&#x017F;ung hei&#x017F;t: die Alten &#x017F;ind die - - kalten/</l><lb/>
            <l>Allein probiret er&#x017F;t der Alten ihre - - Spalten/</l><lb/>
            <l>Und fu&#x0364;hlet/ daß &#x017F;ie auch die Lu&#x0364;&#x017F;te ko&#x0364;nnen - - halten/</l><lb/>
            <l>So werdt ihr nicht &#x017F;o &#x017F;ehr verachten ihre - - Falten/</l><lb/>
            <l>Und ja &#x017F;o gern in ihr als einer jungen - - walten/</l><lb/>
            <l>Weil ihr mit gleicher Lu&#x017F;t da&#x017F;elb&#x017F;ten ko&#x0364;nnet - - &#x017F;chalten</l><lb/>
            <l>Auch Feur und Hitze &#x017F;pu&#x0364;hrt bey einer nicht zu - - alten.</l><lb/>
            <l>Doch &#x017F;ie muß a&#x0364;lter nicht als vierzig Jahre - - &#x017F;eyn</l><lb/>
            <l>Der Hencker gehe &#x017F;on&#x017F;t mit ihr die Liebe - - ein/</l><lb/>
            <l>Denn welcher &#x017F;ehnt &#x017F;ich wol nach einen Todten - - Schein/</l><lb/>
            <l>Wer machet &#x017F;ich vor Lu&#x017F;t im Lieben Hertzens - - Pein?</l><lb/>
            <l>Der alte Mo&#x017F;t geht vor dem jung-und fri&#x017F;chen - - Wein/</l><lb/>
            <l>Und ein bewandtes Weib wird recht aptitlich - - &#x017F;eyn.</l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">An</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[110/0128] Verliebte und galante Gedichte. Sie kan durch ihren Trieb dahin die Geiſter treiben/ Daß ſie auf dieſe Kunſt hinwenden ihren Sinn. Die guͤtige Natur laͤßt ſie auch bald erfinden/ Sie mahlet kuͤnſtlich vor ein wunderſchoͤnes O/ Sie koͤnnen darinn leicht der Liebe-Grund ergruͤnden/ Vor dieſer Kunſt erſtaunt der Redner Cicero. Sie kan durch ihre Macht diejenigen bewegen/ Die wie ein Demant hart/ und unbeweglich ſind/ Sie darf nur einem Blick der Lieblichkeit erregen Alsdann ein ſtoltzer Sinn wie weiches Wachs zerrinnt. Wer in der Sprache ſich wil einen Meiſter nennen/ Der muß im Lieben ſeyn mehr als im Reden frey/ Dabey die Eigenſchafft von dieſer Kunſt erkennen/ Daß ſie was Himmliſches und nichts Gemeines ſey. Ein nicht zu junges Frauen-Zim̄er raiſon- niret uͤber das Sprich-Wort: Die Alten/ Sind die Kalten; nach vorgeſchriebenen End-Reimen. Sonnet. Jhr friſchen Buhlers ſprecht: was nuͤtzen uns die - - Alten/ Denn eure Loſung heiſt: die Alten ſind die - - kalten/ Allein probiret erſt der Alten ihre - - Spalten/ Und fuͤhlet/ daß ſie auch die Luͤſte koͤnnen - - halten/ So werdt ihr nicht ſo ſehr verachten ihre - - Falten/ Und ja ſo gern in ihr als einer jungen - - walten/ Weil ihr mit gleicher Luſt daſelbſten koͤnnet - - ſchalten Auch Feur und Hitze ſpuͤhrt bey einer nicht zu - - alten. Doch ſie muß aͤlter nicht als vierzig Jahre - - ſeyn Der Hencker gehe ſonſt mit ihr die Liebe - - ein/ Denn welcher ſehnt ſich wol nach einen Todten - - Schein/ Wer machet ſich vor Luſt im Lieben Hertzens - - Pein? Der alte Moſt geht vor dem jung-und friſchen - - Wein/ Und ein bewandtes Weib wird recht aptitlich - - ſeyn. An

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gressel_grabgedichte_1716
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gressel_grabgedichte_1716/128
Zitationshilfe: Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gressel_grabgedichte_1716/128>, abgerufen am 21.11.2024.