Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.Großgrundbesitz, Sozialisierung und innere Kolonisation Großgrundbesitz, Hozialisierung und innere Aolonisation t Dr. zur. et rc-r. pol. Stockebrand von Rechtsanwal I. llgemeine Überzeugung des deutschen Volkes ist, daß Privatmonopole Gab es an Licht. Luft, Wasser und Erde, soweit diese Sachen als Teile der Der landwirtschaftlich benutzbare Boden bildet nun die Grundlage jedes Übermäßig hohe landwirtschaftliche Zölle, allzu geringe Steuersätze gegen¬ Dazu kam noch, daß städtische Kapitalisten schon vor dem Kriege eine sichere Die Folge davon war, daß die Landbevölkerung in die Städte drängte, wo Da ferner gerade oft die tatkräftigsten und intelligentesten Kräfte der Land- Großgrundbesitz, Sozialisierung und innere Kolonisation Großgrundbesitz, Hozialisierung und innere Aolonisation t Dr. zur. et rc-r. pol. Stockebrand von Rechtsanwal I. llgemeine Überzeugung des deutschen Volkes ist, daß Privatmonopole Gab es an Licht. Luft, Wasser und Erde, soweit diese Sachen als Teile der Der landwirtschaftlich benutzbare Boden bildet nun die Grundlage jedes Übermäßig hohe landwirtschaftliche Zölle, allzu geringe Steuersätze gegen¬ Dazu kam noch, daß städtische Kapitalisten schon vor dem Kriege eine sichere Die Folge davon war, daß die Landbevölkerung in die Städte drängte, wo Da ferner gerade oft die tatkräftigsten und intelligentesten Kräfte der Land- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0026" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335208"/> <fw type="header" place="top"> Großgrundbesitz, Sozialisierung und innere Kolonisation</fw><lb/> </div> <div n="1"> <head> Großgrundbesitz,<lb/> Hozialisierung und innere Aolonisation<lb/><note type="byline"> t Dr. zur. et rc-r. pol. Stockebrand</note> von Rechtsanwal</head><lb/> <div n="2"> <head> I.</head><lb/> <p xml:id="ID_82"> llgemeine Überzeugung des deutschen Volkes ist, daß Privatmonopole<lb/> nicht mehr geduldet werden können, und dasz solche Betriebe und<lb/> Produktionsmittel vergesellschaftet, d. h. in das Eigentum der Ge¬<lb/> samtheit, des Staates, überführt werden müssen. Dies haben auch<lb/> fast alle deutsche Parteien in ihr Programm aufgenommen. Zu<lb/> den gefährlichsten und für das deutsche Volk drückendsten Monopolen<lb/> gehört auch dasjenige des übermäßigen Besitzes an landwirtschaftlichen Grund<lb/> und Boden, da der deutsche landwirtschaftliche Boden nicht mehr beliebig ver-<lb/> mchrbcir ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_83"> Gab es an Licht. Luft, Wasser und Erde, soweit diese Sachen als Teile der<lb/> Natur überhaupt im Eigentum eines einzelnen zu stehen vermögen, schon stets,<lb/> wenn man sich so ausdrücken darf, ein Eigentum des gesamten Volkes. Ist doch<lb/> das Eigentum überhaupt nicht ein für allemal und jede Zeit feststehend und be¬<lb/> grenzt, sondern ein Begriff, dessen Grenzen nach den Bedürfnissen des Volkes von<lb/> diesem bald enger bald weiter gesteckt werden müssen.</p><lb/> <p xml:id="ID_84"> Der landwirtschaftlich benutzbare Boden bildet nun die Grundlage jedes<lb/> einzelnen Volkes, jedes Volk ist einem Baum vergleichbar, dessen Wurzeln sich in<lb/> das Erdreich erstrecken müssen, wenn der B um nicht kränkeln und absterben soll.<lb/> Handel, Gewerbe und Industrie sind die Zweige dieses Baumes, also von der<lb/> Gesundheit der Wurzeln abhängig. Akts der' landwirtschaftlichen Bevölkerung<lb/> ergänzt sich diejenige der Satte, die ohne Zufluß vom Lande aussterben oder<lb/> degenerieren würde. Das Landvolk ist also die Quelle und der Gesundbrunnen<lb/> des Volkes selbst, der erhalten und gestärkt werden muß.</p><lb/> <p xml:id="ID_85"> Übermäßig hohe landwirtschaftliche Zölle, allzu geringe Steuersätze gegen¬<lb/> über dem Großgrundbesitz bei der Grund- und Einkommensteuer und allzu wohl¬<lb/> wollende Einschätzung, Vorschriften über die Bindung des Bodens bei Fidei-<lb/> kommissen, Niedrighaltung der Löhne für Landarbeiter durch unbeschränkte Einfuhr<lb/> von billig arbeitenden und auf niedriger Kulturstufe stehenden slavischen Arbeitern,<lb/> Beschränkung der politischen Freiheit und VeweguugSfähigkeit der Landbevölkerung<lb/> durch eine überlebte Verfassung der Gemeinden und Gutsbezirke, kurz, alle Ma߬<lb/> regeln einer sogenannten Landratspolitik haben künstlich den Großgrundbesitzer<lb/> erhalten, gestärkt und die Preise des Grund und Bodens übermäßig in die Höhe<lb/> getrieben.</p><lb/> <p xml:id="ID_86"> Dazu kam noch, daß städtische Kapitalisten schon vor dem Kriege eine sichere<lb/> Anlage für ihre Kapitalien suchten und in der Lage waren, leben Liebhaberpreis<lb/> zu bezahlen, eine Tatsache, die während und auch nach Beendigung des Krieges<lb/> infolge der Lebensmitteluot und Unsicherheit aller staatlichen und wirtschaftlichen<lb/> Verhältnisse sich noch auf das schlimmste verschärft hat und verschärft.</p><lb/> <p xml:id="ID_87"> Die Folge davon war, daß die Landbevölkerung in die Städte drängte, wo<lb/> stets Arbeit und ausreichender Verdienst erwartet werden und man hoffen durfte,<lb/> vielleicht eines Tages selbständig werden zu können, während bei einem Ver¬<lb/> bleiben auf dein Lande der einzelne nur schwer eilte Möglichkeit sah, eine selb¬<lb/> ständige Existenz zu gründen und ein Stückchen Land zu erwerben, daß ihn<lb/> ernährte. Dies ist die wirkliche Ursache der Landflucht und Entvölkerung des<lb/> Landes, nicht die Vergnügungssucht oder Arbeitsscheu der Landbevölkerung oder<lb/> etwa die „Sehnsucht nach dem Kino". So fand denn gerade aus den Gegenden<lb/> mit überwiegendem Großgrundbesitz die Abwanderung nach den Städten statt,<lb/> während dies in Gegenden mit vorwiegenden Kleingrundbesitz nicht der Fall war.</p><lb/> <p xml:id="ID_88" next="#ID_89"> Da ferner gerade oft die tatkräftigsten und intelligentesten Kräfte der Land-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0026]
Großgrundbesitz, Sozialisierung und innere Kolonisation
Großgrundbesitz,
Hozialisierung und innere Aolonisation
t Dr. zur. et rc-r. pol. Stockebrand von Rechtsanwal
I.
llgemeine Überzeugung des deutschen Volkes ist, daß Privatmonopole
nicht mehr geduldet werden können, und dasz solche Betriebe und
Produktionsmittel vergesellschaftet, d. h. in das Eigentum der Ge¬
samtheit, des Staates, überführt werden müssen. Dies haben auch
fast alle deutsche Parteien in ihr Programm aufgenommen. Zu
den gefährlichsten und für das deutsche Volk drückendsten Monopolen
gehört auch dasjenige des übermäßigen Besitzes an landwirtschaftlichen Grund
und Boden, da der deutsche landwirtschaftliche Boden nicht mehr beliebig ver-
mchrbcir ist.
Gab es an Licht. Luft, Wasser und Erde, soweit diese Sachen als Teile der
Natur überhaupt im Eigentum eines einzelnen zu stehen vermögen, schon stets,
wenn man sich so ausdrücken darf, ein Eigentum des gesamten Volkes. Ist doch
das Eigentum überhaupt nicht ein für allemal und jede Zeit feststehend und be¬
grenzt, sondern ein Begriff, dessen Grenzen nach den Bedürfnissen des Volkes von
diesem bald enger bald weiter gesteckt werden müssen.
Der landwirtschaftlich benutzbare Boden bildet nun die Grundlage jedes
einzelnen Volkes, jedes Volk ist einem Baum vergleichbar, dessen Wurzeln sich in
das Erdreich erstrecken müssen, wenn der B um nicht kränkeln und absterben soll.
Handel, Gewerbe und Industrie sind die Zweige dieses Baumes, also von der
Gesundheit der Wurzeln abhängig. Akts der' landwirtschaftlichen Bevölkerung
ergänzt sich diejenige der Satte, die ohne Zufluß vom Lande aussterben oder
degenerieren würde. Das Landvolk ist also die Quelle und der Gesundbrunnen
des Volkes selbst, der erhalten und gestärkt werden muß.
Übermäßig hohe landwirtschaftliche Zölle, allzu geringe Steuersätze gegen¬
über dem Großgrundbesitz bei der Grund- und Einkommensteuer und allzu wohl¬
wollende Einschätzung, Vorschriften über die Bindung des Bodens bei Fidei-
kommissen, Niedrighaltung der Löhne für Landarbeiter durch unbeschränkte Einfuhr
von billig arbeitenden und auf niedriger Kulturstufe stehenden slavischen Arbeitern,
Beschränkung der politischen Freiheit und VeweguugSfähigkeit der Landbevölkerung
durch eine überlebte Verfassung der Gemeinden und Gutsbezirke, kurz, alle Ma߬
regeln einer sogenannten Landratspolitik haben künstlich den Großgrundbesitzer
erhalten, gestärkt und die Preise des Grund und Bodens übermäßig in die Höhe
getrieben.
Dazu kam noch, daß städtische Kapitalisten schon vor dem Kriege eine sichere
Anlage für ihre Kapitalien suchten und in der Lage waren, leben Liebhaberpreis
zu bezahlen, eine Tatsache, die während und auch nach Beendigung des Krieges
infolge der Lebensmitteluot und Unsicherheit aller staatlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse sich noch auf das schlimmste verschärft hat und verschärft.
Die Folge davon war, daß die Landbevölkerung in die Städte drängte, wo
stets Arbeit und ausreichender Verdienst erwartet werden und man hoffen durfte,
vielleicht eines Tages selbständig werden zu können, während bei einem Ver¬
bleiben auf dein Lande der einzelne nur schwer eilte Möglichkeit sah, eine selb¬
ständige Existenz zu gründen und ein Stückchen Land zu erwerben, daß ihn
ernährte. Dies ist die wirkliche Ursache der Landflucht und Entvölkerung des
Landes, nicht die Vergnügungssucht oder Arbeitsscheu der Landbevölkerung oder
etwa die „Sehnsucht nach dem Kino". So fand denn gerade aus den Gegenden
mit überwiegendem Großgrundbesitz die Abwanderung nach den Städten statt,
während dies in Gegenden mit vorwiegenden Kleingrundbesitz nicht der Fall war.
Da ferner gerade oft die tatkräftigsten und intelligentesten Kräfte der Land-
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